Zur Ausgabe
Artikel 20 / 90

Kabinett Grenzen zementieren

Die fünf ostdeutschen Länder sollen im gesamtdeutschen Kabinett einen eigenen Interessenvertreter bekommen.
aus DER SPIEGEL 34/1990

Günther Krause, Chefunterhändler der DDR bei den Verhandlungen über den Einigungsvertrag, sieht dem Zusammenschluß mit besonderer Zuversicht entgegen: Er ist der erste Ost-Deutsche, der in einer CDU-Regierung einen Kabinettsposten sicher hat.

Mit Geld und Vollmachten wird der neue Ost-Minister zwar nur spärlich ausgestattet. Die klassischen Bonner Ressorts wollen nichts abtreten. Aber Krause ist vorerst auch mit einem schmückenden Titel zufrieden, nebst Dienstwagen, Personal und Gehalt.

Sinn macht der neue Kabinettsposten nicht. Es geht allein darum, gegenüber den Wählern im Osten die Zusage einzulösen, sie würden in der Regierung »in einer angemessenen und vernünftigen Weise vertreten sein« (Helmut Kohl).

Damit das Signal rechtzeitig im Osten ankommt, überlegen Kohl und seine Helfer sogar, Krause gleich nach dem DDR-Beitritt am 14. Oktober, und nicht erst nach den gesamtdeutschen Wahlen im Dezember, zu berufen.

Dorothee Wilms, bislang Ministerin für innerdeutsche Beziehungen, könnte, so der Plan, am Tag nach der Einheit abtreten und dem Ex-DDRler Haus und Beamte überlassen. Das Wilms-Ressort ist ohnehin längst überflüssig.

Locker hatte Helmut Kohl dem Wunsch des DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maiziere entsprochen, im vereinten Deutschland ein »Aufbauministerium« zu installieren. Ganz oben auf Kohls Personalliste stand de Maizieres Staatssekretär, der 36jährige Informatiker und Christdemokrat Krause.

Aus dem Urlaubsdomizil am Wolfgangsee informierte der Bonner Kanzler am 5. August Kabinett und Koalition via ZDF-Kameras über seine Absicht. In Bonn allerdings war die Reaktion reichlich reserviert. Noch zwei Tage vorher hatte Innenminister Wolfgang Schäuble den DDR-Wunsch nach einem Aufbauministerium öffentlich zurückgewiesen.

Übergangen fühlte sich Finanzminister Theo Waigel. Er habe mit Kohl über das neue Ministerium »noch nicht gesprochen«, grantelte der Christsoziale, drum sei »die Entscheidung noch nicht gefallen«. Intern meldete Waigel »schwerwiegende Bedenken« an, einen Ost-Kollegen über den »Einsatz von Mitteln« entscheiden zu lassen und ihm gar die Treuhandanstalt zu unterstellen.

Vor einem »stark DDR-bezogenen Regionaldenken« warnt eine im Finanzministerium verfaßte Stellungnahme und prophezeit »große Hemmnisse bei der Privatisierung und Sanierung/Liquidation von Unternehmen«, wenn der Aufbauminister für diese heikle Aufgabe zuständig würde. Herr über die Treuhandanstalt müsse auf jeden Fall der Finanzminister bleiben, allenfalls im Verwaltungsrat könnten die Ost-Deutschen Sitz und Stimme haben, aber natürlich keine Mehrheit.

Auch Wirtschaftsminister Helmut Haussmann will von einem Aufbauminister nichts wissen. Sein ohnehin schmalspuriges Ressort, das kaum über Kompetenzen verfügt, müßte an den neuen Kollegen die Zuständigkeit für die Strukturpolitik, zumindest den östlichen Teil Deutschlands betreffend, abgeben. Das will der smarte Liberale nicht, und er hat sogar, wie Waigel, gute Argumente.

Es leuchtet nicht ein, daß künftig die Investitionszulage für Magdeburg im Aufbau-, die für Helmstedt im Wirtschaftsministerium behandelt wird. Für Agrarhilfen muß Bonns Bauernminister Ignaz Kiechle die Zustimmung der EG in Brüssel einholen, spezielle DDR-Zuständigkeiten schaffen da nur Verwirrung und bürokratischen Aufwand. Steuerliche Hilfen fürs strukturschwache Ost-Terrain müssen in die Fiskalpolitik insgesamt eingefügt werden; das geht sinnvoll nur im Finanzministerium.

Die Kohl/de Maiziere-Idee, da waren sich Haussmann, Waigel und die Mehrheit ihrer Bonner Kabinettskollegen schnell einig, würde nach drüben wirtschaftliche Grenzen zementieren und in Bonn zu noch mehr Kompetenz-Wirrwarr führen.

Auch die Bundesländer kündigten Widerstand an. Viele Aufbauprobleme im östlichen Deutschland, aus dem Bildungs- oder Baubereich beispielsweise, müßten von den Kommunen und den Verwaltungen der ostdeutschen Länder gelöst werden. Der Bund habe sich da rauszuhalten.

Freilich: Dem Wunsch de Maizieres, »die Mitsprache der heutigen DDR im vereinigten Deutschland zu sichern«, brachten die Opponenten »grundsätzlich Verständnis« (Stellungnahme des Finanzministeriums) entgegen. Der Aufbauminister könnte doch, so der Gegenvorschlag aus dem Hause Waigel, dem Kabinettsausschuß vorstehen, der heute noch unter »Deutsche Einheit«, bald aber unter »Restrukturierung der DDR-Länder« firmiert.

Die Wessis haben das Sagen, der Ossi liest die Tagesordnung vor und moderiert die Debatten - auf dieser Grundlage könnten sich Kohl und die Minister rasch einig werden.

Ein Extra-Bonbon soll die Ostler darüber hinwegtrösten, daß ihr erster Mann in Bonn kaum mehr als ein Frühstücksdirektor sein soll: Er darf sich, wenn er will, in Berlin ansiedeln.

Da ist er dann auch weit genug weg. o

Zur Ausgabe
Artikel 20 / 90
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren