DAHOMEY Grimms Märchen
Obwohl längst entmachtet, hält König Agbo-Agoli von Abomey in Dahomey heute noch Hof: Touristen empfängt er gegen Bakschisch.
Am liebsten welche aus Deutschland. Schon Vorfahr Behanzin hieß Deutsche »auf dahomeyischem Boden herzlich willkommen« (aus einem Brief vom 21. Oktober 1892 an Kaiser Wilhelm II.). Der afrikanische Häuptling bat seinen »Freund« um Kaufleute und deutsche Soldaten: gegen Frankreich.
Der selbstbewußte Schwarze war in Not: Die europäischen Großmächte hatten gerade Afrika untereinander aufgeteilt, ein französisches Expeditionskorps drang gegen seine Hauptstadt Abomey vor -- trotz heftiger Gegenwehr seiner Stammesarmee, zu der eine aus Amazonen bestehende Leibgarde gehörte.
Behanzin hoffte nicht ganz unbegründet auf deutsche Waffenhilfe: Die Franzosen hatten drei für die Dahomeyer tätige deutsche Militärberater -- angeblich -- hingerichtet.
Mit solchen Episoden der Kolonialgeschichte beschäftigt sich in seiner Freizeit ein deutscher Diplomat und promovierter Historiker: Karl Wand, bis 1975 Botschafter im westafrikanischen Dahomey, das inzwischen in »Volksrepublik Benin« umgetauft wurde. und nun Botschaftsrat in Oslo. Wand ermittelte anhand von Aussagen in Dahomey und Unterlagen des AA-Archivs, daß die drei Deutschen 1892 in Dahomey tatsächlich exekutiert wurden. Kaiser Wilhelm beantwortete jedoch den Hilferuf seines schwarzen Kollegen Behanzin nicht. Er ließ aber zu, daß Firmen aus Togo, der an Dahomey grenzenden deutschen Kolonie, ein paar Krupp-Kanonen schickten -- die freilich den Endsieg der Franzosen nicht verhindern konnten und heute dort im Museum stehen.
Besonders intensiv beschäftigte sich Forscher Wand mit der Internierung von etwa 500 Kamerun- und Togo-Deutschen während des Ersten Weltkriegs in Dahomey, das zu jener Zeit Kolonie Frankreichs war.
Der »Volk ohne Raum«-Autor Hans Grimm hatte in seinem als dokumentarischen Bericht verkauften Bestseller »Der Ölsucher von Duala« das Internierungslager im Palast von Abomey beschrieben: Sadistische französische Kommandanten und rohe schwarze Wachen drangsalierten die vom Krieg überraschten Kolonialdeutschen.
Wand ermittelte nun während seiner Dahomey-Zeit vor Ort, daß der Bericht wohl zum Teil Grimms Märchen zuzuordnen sei: So konnten die internierten Deutschen über ihr Menü mitbestimmen, erhielten gefiltertes Wasser und verfügten über Betten und Schlafmatten.
Die vom Rassisten Grimm als Untermenschen empfundenen Dahomeyer sympathisierten überwiegend mit den eingebuchteten Deutschen und versuchten, ihnen »ihr Los zu erleichtern«. Das jedenfalls bezeugt der Lagerkoch Dah Acatcha Andre, den Wand als letzten lebenden Zeugen ausmachen konnte. Der um 1883 geborene Afrikaner »offenbarte unter seinem schlohweißen Haar ein phänomenales Gedächtnis« (Wand). Er bestätigte »viele Einzelheiten und Namen aus Grimms Roman«, setzte jedoch »historische Retuschen«.
Mehr als die schweren Lebensbedingungen im afrikanischen Savannenland erregte die deutsche Regierung, daß ihre Bürger von Schwarzen bewacht wurden. Frankreichs Vizegouverneur von Dahomey schrieb 1915 an den Präsidenten des Internationalen Roten-Kreuz-Komitees in Genf: »Der Stolz der Deutschen leidet hierunter ... Aber rührt ihr Gefühl der Erniedrigung nicht daher, daß sie eine ganz andere Auffassung von dem Verhältnis zur afrikanischen Rasse haben als wir?«
Als Proteste nicht halfen, wollte das Kaiserreich die Rückführung der Deutschen an »gesundheitlich einwandfreie Orte ... unter ausschließlicher Aufsicht von Europäern« mit Repressalien erzwingen, schickte französische Gefangene zur »Arbeit in Moorländereien und -- als das noch nicht half -- »zehntausend französische Kriegsgefangene aus den gebildeten Ständen in die russischen Rokitno-Sümpfe«. Im Juni 1916 verschiffte daraufhin Paris die deutschen Dahomey-Gefangenen nach Frankreich.
Etwa 35 in Abomey verstorbenen Deutschen ließ Wand fast ein halbes Jahrhundert später ein Denkmal errichten. Der Dahomeyer Hilarius-Severin Adande baute einen Schrein aus Lehm, geschmückt mit dem EK, dem Königswappen des Dahomey-Herrschers Behanzin und dem Bundesadler.