Gromyko sprach englisch

aus DER SPIEGEL 1/1947

Mit 10 zu 0 Stimmen nahm der Atomenergie-Ausschuß in New York den USA-Plan für internationale Atomkontrolle an. Rußland und Polen enthielten sich der Stimme.

In der Schlußsitzung fing der Vertreter Rußlands, Andrei Gromyko, plötzlich an, englisch zu sprechen. Er bediente sich nicht nur dieser für ihn ungewohnten Sprache. Er versuchte auch wiederholt, den Vertreter der USA, den 76jährigen Bernard Baruch, direkt anzuschauen und ihn gleichsam unmittelbar anzusprechen. Trotzdem blieben die russischen Einwendungen unberücksichtigt.

Baruch ist der Vater des auch nach ihm benannten Fünf-Punkte-Plans. Nach ihm soll eine internationale Kontrollbehörde errichtet werden, deren Aufgabe es ist, die ausschließliche Verwendung der Atomenergie für friedliche Zwecke sicherzustellen.

Umstritten blieb bis zum Schluß eigentlich nur der zweite Punkt. Kein Staat, heißt es in ihm, soll das Recht haben, durch ein Veto die Durchführung der Kontrolle zu behindern.

Dieser Vorschlag, sagte Gromyko, verstoße gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen. Trotz dieses Vorbehaltes habe Rußland nichts dagegen einzuwenden, den Plan Punkt für Punkt durchzugehen.

Obwohl er direkt angesprochen wurde, enthielt sich Baruch in der Sitzung jeder Aeußerung. Erst später, als sein Plan angenommen und damit an den Sicherheitsrat weitergeleitet war, sprach er von »einem moralischen Sieg«.

Vielleicht war es dieser Erfolg am vorletzten Tage des alten Jahres, der den Generalsekretär der UNO, Trygve Lie, zu einem hoffnungsfreudigen Ausblick auf 1947 veranlaßte. Vielleicht aber hatte es ihn auch nur erfreut, daß Brasilien als erste und bisher einzige Nation schon den vollen Jahresbeitrag zur UNO in Höhe von 1250 887 Dollar für 1946 und 1947 eingezahlt hat.

Trygve Lie sieht keinen Grund, daß bei den Friedensvertragsverhandlungen mit Deutschland und Japan größere Meinungsverschiedenheiten hervortreten könnten, als bei den Verhandlungen über die Verträge mit den Mitläufer-Staaten.

Lies Zuversicht wird sich bald bewahrheiten müssen. Am 10. Januar treten die Stellvertreter der Außenminister in London zusammen. Vertreter des englischen Außenministers Bevin wird Sir William Strang sein. Dieser 54jährige Schotte führte im Sommer 1939 die englische Delegation, die sich damals vergeblich um einen Vertragsabschluß in Moskau bemühte.

Bis - zum 25. Februar sollen die Vertreter der Außenminister ihren Bericht fertiggestellt haben. Daß sie schon einen Vertragsentwurf ausarbeiten werden, erwartet niemand.

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