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USA Großzügiger Umgang

Ein Carter-Mitarbeiter hält schockierende Reden, einer beleidigt Diplomatenfrauen, ein anderer fiel durch zweifelhafte Finanzgeschäfte auf. Jetzt haschte Carters oberster Rauschgiftexperte.
aus DER SPIEGEL 31/1978

Als er ihn zu seinem obersten Drogenberater ernannte, stellte Präsident Carter seinen langjährigen Freund und Wahlkampfhelfer, den britischen Psychiater Peter G. Bourne, 38, als den »wahrscheinlich besten Rauschgiftexperten der Welt« vor.

Vorletzte Woche erledigte der derart Gepriesene seinen Ruf:

Erst stellte er einer seiner Assistentinnen auf einem Block mit einer veralteten Telephonnummer -- ein Rezept für das Schlafmittel Quaalude aus, das in den USA zu den am schärfsten kontrollierten Medikamenten zählt, da es als Rauschmittel mißbraucht wird und in hohem Grad süchtig macht.

Angeblich, um die Privatsphäre seiner Mitarbeiter zu schützen, schrieb Dr. Bourne einen erfundenen Namen auf das Rezept. Obwohl er damit ein Bundesgesetz verletzte, behauptete er noch, nachdem das Falsifikat erkannt war, er habe »weder rechtlich noch moralisch falsch« gehandelt.

In seltsamer Vorwärtsverteidigung verpetzte er sodann noch seine Kollegen im Weißen Haus, indem er der »New York Times« erzählte, es komme »häufig« vor, daß diese Marihuana rauchten; auch von »gelegentlichem Kokaingenuß« wisse er.

Am vorhergehenden Tag hatte der Kolumnist Jack Anderson enthüllt. daß zu den Rauschgift-Freunden im Weißen Haus Peter G. Bourne selbst gehöre, Er wisse von Augenzeugen, daß Bourne, Amerikas oberster Suchtbekämpfer, auf einer Party der Organisation NORML, die sich für die Legalisierung von Marihuana einsetzt, selbst kräftig mitgehascht habe. Und mehr noch: In einem abgesperrten Raum, der nur wenigen zugänglich war, sei Bourne beim Kokain-Schnupfen gesichtet worden,

Am Tag nach dieser Veröffentlichung trat Bourne zurück.

Nicht zum erstenmal ist damit Amerikas moralpredigender Präsident Jimmy Carter in einen Aufruhr geraten, der das Urteilsvermögen seiner wichtigsten Mitarbeiter -- und damit sein eigenes -- grundsätzlich in Frage stellt.

Das hatte angefangen mit den Enthüllungen über die zweifelhaften Kreditgebahren seines wohl engsten Freundes, des von ihm ernannten Budget-Direktors Bert Lance, den Carter viel zu lange deckte. Carters wichtigster Mitarbeiter im Stab des Weißen Hauses, Hamilton Jordan, fiel unrühmlich durch Kneipen-Eskapaden auf und erregte Aufsehen, als er bei einem Dinner im Ausschnitt der ägyptischen Botschaftersgattin die »Pyramiden zu sehen« verlangte.

Zu einer ständigen Quelle von Peinlichkeiten wurden für Carter die Nonkonformismen seines Freundes. des Uno-Botschafters Andy Young, der links und rechts Verbündete der USA beleidigt und dafür US-Gegner mit Komplimenten bedenkt.

Über den Freizeitgebrauch von Haschisch und Kokain unter Carters Mitarbeitern wird in Washington schon seit Wahlkampfzeiten geredet. Doch in einem »Gentlemen"s agreement« ("New York Times"), das an eine Verschwörung des Schweigens grenzt, hat die sonst so enthüllungsfreudige Washingtoner Presse nie darüber geschrieben.

Ähnlich tabu als Thema für Journalisten sind der verbreitete Alkoholismus und die amourösen Vergnügungen der Mächtigen in Washington. Genau wie beim Drogengebrauch geschieht das nicht aus Diskretion, sondern weil die Journalisten zu gut wissen, daß etliche von ihnen sieh dann selbst auch anklagen müßten.

Denn Amerikas gebildete Mittelklasse hascht und schnupft wie noch nie. 36 Millionen Amerikaner -- 17 Prozent der Bevölkerung -- haben einer NORML-Untersuchung zufolge Haschisch wenigstens einmal probiert. 15 Prozent benutzen Marihuana so regelmäßig wie ihre Vorfahren den Whiskey Soda. In der Altersgruppe der Amerikaner zwischen 25 und 29 Jahren hat sich der Haschisch-Konsum zwischen 1973 und 1977 fast verdoppelt, von 26 auf 51 Prozent.

Auch Kokain ist längst nicht mehr ein Privileg des verderbten Hollywood. Obwohl es bis zu 1800 Dollar pro Unze kosten kann, fehlt es kaum noch auf Partys junger, erfolgreicher Aufsteiger.

Mit dieser Popularisierung von Rauschmitteln, über deren Gefährlichkeit abschließende Ergebnisse noch nicht vorliegen, ist die amerikanische Gesetzgebung nicht mitgekommen.

Obwohl in vielen amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Legalisierung von Marihuana laufen, in elf Staaten die Gesetze bereits stark entschärft sind, ist der persönliche Besitz oder der Genuß von Hasch bisher nur in Alaska vollkommen straffrei.

Während in den Zeitungen ausführlich der großzügige Umgang mit der Cannabis-Pflanze im Weißen Haus zu Washington beschrieben wurde, weigerte sich in derselben Woche der Gouverneur von Missouri, einen Studenten zu begnadigen, der für den Besitz eines »Joints« sieben Jahre lang ins Gefängnis geschickt worden war.

Präsident Carters Haltung ist wenigstens in dieser Frage vollkommen eindeutig: Er ist dagegen.

Als er den Zeitungen entnahm, wie unbefangen sich seine Mitarbeiter zum Haschisch-Genuß bekannten, entwart er eines der bisher stärksten Edikte seiner Amtszeit. Sie hätten die Gesetze zu befolgen, donnerte Carter schriftlich. oder sie sollten »sich anderswo Arbeit suchen«.

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