GRÜNSPAN
Bei der Besprechung meines Buches »Werbung im Dienste der Kirche« ist Ihnen eine Fehlinterpretation unterlaufen. Ich habe dem Pfarrer nicht empfohlen, »er solle statt abgegriffener Worte wie 'fromm', 'Sünde' oder 'Gnade' moderne und verständliche Begriffe gebrauchen«.
Die Kirche kann gerade auf diese Begriffe - auch wenn sie einem ständigen Profanierungsprozeß unterworfen sind, geschmacklos mißbraucht und damit entwertet werden, niemals verzichten. Dagegen könnte sie Bibel, Gesangbuch, Predigt und auch die kircheneigene Presse von manchem Grünspan befreien. Wortschwulst und hochtrabendes Pathos verbauen manchem Gutwilligen den Weg unter die Kanzel. (Kanzel sollte man ohnedies abschaffen. Der Geistliche sollte mitten unter seinen Gläubigen, nicht über ihnen sein.)
Was die moderne Haltung angeht, so haben die Kirchen bisher wohl nur zur Architektur ein vernünftiges Verhältnis gefunden. Aber in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und Seelsorge-Organisation fährt man fast ausnahmslos in uralten Geleisen weiter. Hier werden die Kirchen noch so lange nachhinken, bis in einigen Jahrzehnten eine unverbrauchte, dynamische, notfalls rebellische Priestergeneration die längst überfällige Laienaktivierung ernsthaft verwirklicht. (Wenn es bis dahin in Deutschland noch Priester gibt.) Dabei kann ihr die Werbung hilfreiche Dienste leisten. Die Werbung kann allerdings die notwendige, neue Form der Verkündigung und des beispielgebenden Vorlebens nicht ersetzen.
Nur wenn die Bischöfe zusammen mit ihren mutigsten Priestern und opferbereiten Laien das Getto der Kirchenmauern verlassen und täglich selbstloses Tatchristentum auf der Straße praktizieren, können die Werber ihre Trommel rühren und die breite Masse überzeugen, daß der moderne Mensch
außer Bauch und Auto auch noch eine Seele hat und die »Gnade«, dies zu erkennen.
Eßlingen (Bad.-Württ.)
FRANZ ULRICH GASS
Gass