GELDNER Gruß gilt nicht
Lothar Haase, CDU-MdB aus Kassel, wich vom Weg ab, trat auf den angrenzenden Rasen, machte eine Kehrtwendung und verharrte stehend, bis ein Passant vorbeigegangen war. Nur so konnte der hessische Abgeordnete es vermeiden, dem verachteten FDP-Kollegen Karl Geldner ins Gesicht sehen oder ihn gar grüßen zu müssen, als dieser ihm kürzlich auf einem schmalen Fußpfad hinter dem Bonner Bundeshaus entgegenkam.
Seit der freidemokratische Bäckermeister aus Ansbach durch seinen Scheinübertritt zur CSU die Abwerbungspraktiken der Strauß-Partei enthüllte, wird er von der gesamten Christenunion wie ein Aussätziger behandelt.
Wenn der FDP-Mann auf dem Flughafen Köln/Wahn einen Inter-City-Jet besteigt, meiden Christdemokraten den Nachbarsessel. Wenn Geldner im Fernschnellzug »Gambrinus« in die Bundeshauptstadt fährt, dann drängen seine bayrischen CSU-Kollegen, mit denen er früher gemeinsam gereist war, ins Nebenabteil. Wenn Montag morgens Bundestags-Taxis die aus Süddeutschland kommenden Abgeordneten am Bonner Bahnhof abholen, dann zwängen sich die Parlaments-Christen zu fünft in einen Wagen, um nicht mit Geldner fahren zu müssen.
Seit dem »schwarzen Freitag der CSU« (Geldner über den 13. Novem-
* Mit Sohn Götz, 5.
ber, das Datum seines Scheinübertritts) meiden selbst ehemalige Duzfreunde und Schafskopf-Partner wie CSU-Landesgruppen-Chef Richard Stücklen Gruß und Gespräch mit dem fränkischen Liberalen. Geldner beobachtete: »Die laufen an mir vorbei, schauen weg oder in den Boden.«
So hat CSU-MdB Erich Riedl aus München, Oberpostrat und Stücklen-Vertrauter, seinen alten Freund Karl ganz abgeschrieben: »Ich gehe ihm aus dem Weg, für mich existiert er nicht mehr.« Der ehemalige CSU-Landwirtschaftsminister Hermann Höcherl weicht »jedem Zusammentreffen« mit Geldner aus. Rechtsanwalt Höcherls Urteil: »Er hat sich ja mit seinem Verhalten selbst ausgeschlossen.«
Einen besonderen Ausdruck der Mißachtung ersann der nordrheinwestfälische Studienrat und CDU-Abgeordnete Hugo Hammans für den Scheinüberläufer. Als er am vorletzten Donnerstag den Fahrstuhl im Abgeordneten-Hochhaus betrat und neben dem FDP-Abgeordneten Martin Grüner auch Geldner erkannte, grenzte er den Kreis seiner Gruß-Adressaten ausdrücklich ein: »Der Gruß gilt nicht für den hier noch anwesenden Herrn. Der ist es nicht wert, daß man ein Wort mit ihm wechselt.«
Karl Geldner, dem inzwischen 500 Briefe, Postkarten und Telegramme -- in der Mehrzahl Droh- und Schmähschreiben -- sowie ein Dutzend Morddrohungen und ein Strich ("Zu Ihrer Benutzung") zugingen, gibt sich gegenüber der schweigenden Bundestags-Minderheit gelassen: »Mir ist es egal, was die Burschen machen. Sie zeigen damit nur, wie getroffen sie sind.«
Trost gegen den Psycho-Terror der Christenunion fand der »ehrliche Handwerksmeister« (Geldner über Geldner) bei SPD-Fraktionschef Herbert Wehner. Der wegen seiner KP-Vergangenheit unter Adenauer attackierte Sozialdemokrat riet dem Koalitionsfreund: »Machen Sie sich nichts draus« mich haben die in den 50er Jahren auch geschnitten.«