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Günter Riesebrodt

aus DER SPIEGEL 43/1966

Günter Riesebrodt, 54, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und Rechtsanwalt, schickte den 15 Sozialdemokratinnen des Parlaments je zwölf rosa Nelken ("Die habe ich von meinen steuerfreien Diäten bezahlt"), nachdem er erfahren hatte, daß Willy Brandt der Tochter des ehemaligen NS-Rüstungsministers Albert Speer einen Tag vor dessen Entlassung aus dem Spandauer Kriegsverbrechergefängnis einen Blumenstrauß überbringen ließ. Riesebrodt in einem Begleitschreiben: »Als Mitglied des Abgeordnetenhauses ... dienen Sie einer politischen Gesinnung, die ich freilich nicht immer zu teilen vermag, und der gesamten Bevölkerung unserer geteilten Stadt - auch den Vätern. Wenn die Treue der Tochter zum eigenen Vater einen Blumenstrauß wert ist, ist es Ihr aufopfernder Dienst für die Allgemeinheit nicht minder.« Rechtsanwalt Riesebrodt über die Reaktion: »Ich erhielt dafür ein Dankschreiben von einer Dame und ein Telegramm von einer Funktionärin.« Die SPD-Abgeordnete Irene Fleischhauer telegraphierte: »Zu dem mir übersandten Blumenstrauß möchte Ich bemerken: Wenn er Ausdruck kollegialer Verbundenheit wäre, hätte ich mich sehr darüber gefreut. Da hingegen polemische Beweggründe Sie zu diesem Schritt veranlaßt haben, kann ich ihn nur zurückweisen.« Wenig später fand Riesebrodt zufällig ein Glückwunschschreiben, das die Protestantin an Jungvermählte versendet: »Ihnen und Ihrer Gattin wünsche ich auf dem gemeinsamen Lebensweg viel Glück. Irene Fleischhauer, Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin«. Darauf schrieb -der Christdemokrat an die Sozialdemokratin: »Was würden Sie sagen, wenn Sie als Erwiderung auf etwas Gutgemeintes einen Brief folgenden Inhalts bekämen: 'Zu dem uns übersandten Glückwunsch zu unserer Vermählung möchten wir bemerken: Obwohl Sie uns völlig unbekannt sind, hätten wir uns sehr darüber gefreut. Da hingegen rein parteipolitische Beweggründe Sie zu diesem Schritt veranlaßt haben, können wir ihn nur zurückweisen'.«

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