SPD Gute Arbeit
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands feiert in diesem Jahr ein peinliches Jubiläum: Sie wird seit dreißig Jahren mit dem Genossen Filz nicht fertig.
Auf ihrem kleinen Parteitag in Herne hatte sich die SPD im Jahre 1949 zum erstenmal vorgenommen, die »Mandats- und Funktions-Häufungen im Interesse der Beteiligten durch Ermahnung, Aufklärung und notfalls durch Beschluß zu ändern«. Jetzt, ein dreiviertel Jahr vor ihrem Parteitag in Berlin, haben die Sozis zu dem Thema wieder unzählige Seiten Papier beschriftet, können sich aber nicht einigen, wie Multifunktionäre per Parteitagsbeschluß von Ämtern und Pfründen zu trennen sind.
Immer deutlicher zeigt sich, daß die Vorgabe des Vorsitzenden Willy Brandt nicht ausreicht, der 1977 zum Hamburger Parteitag verlangt hatte: »Ziel muß es sein, daß Ämterhäufung, Interessenkollision sowie Überlastungen verhindert und möglichst viele Mitglieder zur aktiven Mitarbeit in der Partei und für die Partei herangezogen werden.«
Es fällt vielen Sozialdemokraten schwer, dem guten Ruf zu folgen und die viele Macht auf viele Mitglieder zu verteilen. Denn Brandt selbst geht mit schlechtem Beispiel voran. Der Ex-Kanzler führt nicht nur die Partei, er hat sich außerdem zum Chef der Sozialistischen Internationale wählen lassen, leitet eine internationale Expertenkommission, die ein Gutachten zum Nord-Süd-Dialog erarbeitet, und der Bundestagsabgeordnete hat sich auch noch zum Spitzenkandidaten seiner Partei für die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament küren lassen. Es gebe eben »keine Regel ohne Ausnahme«, pflegt Brandt auf die Frage nach Anspruch und Wirklichkeit seiner Botschaft zu antworten.
Dabei war alles ganz vielversprechend angelaufen. Im Oktober vergangenen Jahres hatte eine Kommission des SPD-Parteivorstandes unter Leitung des hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner und unter Beteiligung der linken Genossen Rudi Arndt (Frankfurt) und Henning Scherf (Bremen) eine umfängliche Vorlage erarbeitet.
In diesen »Verhaltensregeln« hatten die Autoren verlangt, daß ein SPD-Mitglied »grundsätzlich nicht mehr als ein parlamentarisches Mandat« und »maximal zwei Funktionen« in der Partei, also höchstens drei Ämter, innehaben soll. In seinem Übergabebrief an den Parteivorstand lobte Kommissionschef Börner sich selbst: »ich glaube, wir haben gute Arbeit geleistet.«
Davon waren andere Genossen wenig später schon nicht mehr überzeugt. Den einen gingen die Vorschläge nicht weit genug, den anderen zu weit.
Zunächst forderte Ko-Autor Scherf, gemeinsam mit einigen Bundestagsabgeordneten, statt drei nur noch zwei Ämter zuzulassen. Dann variierte er diesen Vorschlag noch einmal.
Die im sogenannten »Frankfurter Kreis« versammelten SPD-Bundeslinken wollen nun im Dezember auf dem Berliner Parteitag dafür streiten, daß auch Regierungsfunktionen oder exponierte berufliche Positionen, etwa lukrative Jobs in kommunalen Versorgungsbetrieben oder Sparkassen, auf das Ämterlimit angerechnet werden. Scherf: »Das ist ja überhaupt der Knüller, gerade der kommunale Filz muß weg.«
Folglich kam der heftigste Widerstand aus der Provinz, wo die Lokalgrößen um Macht, Prestige und Pfründe fürchteten. Angemahnt durch Beschwerden einflußreicher Sozis aus den Kommunen sorgte Börner, der inzwischen nichts mehr von seiner »guten Arbeit« wissen will, zusammen mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau für eine Entschärfung des Kommissions-Knigge.
Es genüge, so formulierte im vergangenen Monat eine Vorlage des SPD-Präsidiums, wenn nur die Zahl der parlamentarischen Mandate »auf Bundes- und Landesebene« beschränkt werde. Wer sich zusätzlich noch ins Stadt- oder Europaparlament wählen läßt, soll daran nicht gehindert werden. Zusätzlich darf ein solcher doppelter Volksvertreter dann noch zwei Parteifunktionen wahrnehmen, insgesamt also vier oder gar fünf Ämter gleichzeitig besetzen.
Wie verworren die Debattenlage inzwischen ist, demonstriert der Genosse Rudi Arndt. Zwar erregt sich der frühere Frankfurter Oberbürgermeister und Mitarbeiter in der Filz-Kommission, selbst ein Paradebeispiel für einen ämterüberhäuften Multifunktionär,
* 1978 in Obervolta.
über die verwässerte Reformvorlage: »So geht das nicht.«
Doch Taten mag auch der Chef des Parteibezirks Hessen-Süd, stellvertretende hessische Landesvorsitzende, Oppositionsführer im Frankfurter Stadtparlament und SPD-Bundesvorständler seiner Kritik vorerst nicht folgen lassen. Im Gegenteil: Arndt kandidiert im Juni auch noch für einen Sitz im Europa-Parlament.
Seinen Sessel in Hessen-Süd, kündigte er an, werde er räumen -- später. Zunächst will er sich am 28. April wieder für zwei Jahre zum Bezirksvorsitzenden wählen lassen.