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HUMPHREY-DRUGSTORE Guter Rat

aus DER SPIEGEL 32/1968

Jeden Sonntag wählt Amerikas Vizepräsident Hubert Horatio Humphrey die Telefonnummer 605-3524064.

Am Apparat in Huron (US-Bundesstaat Süd-Dakota) meldet sich stets: »Humphrey's Drugstore.«

Der zweite Mann der USA vergißt auch in Washington seine Verwandtschaft nicht. »Er gibt mir Immer guten Rat«, so Schwägerin Harriet Humphrey, 58, »wie man im Leben glücklich wird.«

Glücklich sind die Humphreys in Huron, seit ihr Hubert im April verkündete, er wolle nun auch Präsident werden und sich um die Nominierung als Präsidentschafts-Kandidat der Demokratischen Partei bewerben.

Denn seither stellte Schwägerin Harriett, die Managerin des Familien-Unternehmens, »einen unwahrscheinlichen Umsatzanstieg« fest. »Bevor Hubert kandidierte«, so Tracy Gitchell vom benachbarten »Hickory Hause Motor Inn«, »haben wir Besuchern den Laden gezeigt, und die haben nur gefragt: 'Wer ist das denn?' Jetzt heißt es nur noch: 'Wo ist es?'«

Humphrey's Drugstore in der Dakota Avenue wurde zur Attraktion der 15 000-Einwohner-Stadt. Mit Bussen und Pkws rollen Touristen in den Ort und besuchen den unscheinbaren Laden, dessen Spezialität »hausgemachte Schnupfentropfen« sind.

Als Demokrat Robert Kennedy auf einer Wahlkampfreise in den Ort kam, durchwanderte der Präsidentschafts-Kandidat Arm in Arm mit Harriett Humphrey das Geschäft und suchte

* Anfang der dreißiger Jahre.

ein Geschenk zum Muttertag: »Was schlagen Sie vor?« Die Drugstore-Dame empfahl einen Kasten Pralinen und verzichtete auf die Bezahlung. Auf die Packung aber klebte sie eine Plakette: »Humphrey for President«.

Republikaner-Kandidat Neben Rockefeller erwarb bei einem Besuch im letzten Monat »wunderschöne Ohrringe für seine Frau und Spielsachen für die Kinder«. Zahlen konnte der Multimillionär seine Rechnung in Höhe von 21,08 Dollar nicht vollständig. Ein Berater lieh ihm einen Dollar, ein »Life«-Reporter gab acht Cent.

In Humphreys Laden verkaufen neun Angestellte Pillen und Postkarten, Bonbons und Badeöl. An der Wand hängt Huberts Diplom vom »Denver College of Pharmacy«, das ihn als »Pharmacist« ausweist.

Auch Vater Hubert war »Pharmacist«. Hubert jun., 1911 über dem väterlichen Drugstore in Wallace geboren, sollte Besseres werden: »Good bye, good luck, grow up«, befahl der Vater dem Sohn und schlickte ihn auf die Universität von Minnesota.

Nach zwei Jahren mußte Hubert sein Apotheker-Studium unterbrechen, die Wirtschaftskrise hatte auch seine Familie erfaßt. Vater Humphrey verkaufte sein Haus und zog nach Huron. 1930 eröffnete er den Drugstore in der Dakota Avenue. Sohn Hubert studierte sechs Monate lang das Pillen-Fach, dann kehrte er in den Laden seines Vaters zurück. Fortan galt er als Apotheker.

Mit seinem älteren Bruder Ralph zog er mit einem Impfstoff gegen Schweinepest von Bauernhof zu Bauernhof und bot die Humphrey-Produkte zum Verkauf an. Die Farmer nannten Buben »Pinkie«, weil er so rosa aussah.

1936 heiratete »Pinkie« Humphrey die Tochter des örtlichen Butter- und Eierhändlers, Muriel Fay Buck. »Als ich ihn kennenlernte«, so Frau Muriel, schien er hauptsächlich Sodas zu mixen.« Doch der Soda-Mixer wurde Vizepräsident.

Im Gegensatz zu den reichen Kennedys fühlte er sich auch später »wie ein Gemischtwarenhändler gegenüber einer Warenhauskette«. »Er ist noch Immer der Ich-weiß-alles-Bursche von einst, der die Bauerntölpel im Drugstore seines Vaters unterhielt«, urteilt auch Schriftsteller Robert Sherrill in seinem Humphrey-Buch »The Drugstore Liberal«.

Bei seinen Besuchen in Huren grüßt der Vizepräsident seine Kunden von einst noch immer mit Vornamen. Für Photographen posiert er hinter dem Ladentisch und erklärt voller Stolz: »Ich bin Apotheker, und ich kann auch Medikamente herstellen,«

Der Apotheker wird möglicherweise nächster Präsident der USA, »Falls Humphrey im kommenden Jahr aber ohne Arbeit sein sollte«, spöttelte das »Wall Street Journal«, »kann er zurück nach Huron in seinen Drugstore gehen. H. H. Humphrey könnte noch einige Hilfe gebrauchen.« Managerin Harriett Humphrey zum SPIEGEL: »Manchmal haben wir einfach zuviel zu tun.«

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