SÜDAFRIKA Gutes Material
In Springs, einem Nachbarort von Johannesburg, verschmähte ein Ehemann sein Lieblingsgericht und setzte sich statt dessen lieber vors Fernsehgerät. Deshalb kam es zum großen Krach, bei dem die Frau unterlag -- mit einem Stich in der Herzgegend.
So äußert sich im Extremfall die Fernsehbegeisterung in Südafrika, wo seit dem ersten Montag im Mai täglich zwei Stunden Testprogramm ausgestrahlt werden. Das Deutschen-Blatt »Afrika-Post« weiß: »92 Prozent aller Südafrikaner ... sehnen sich nach dem Fernsehen.«
Ab 1. Januar 1976 will die staatliche Rundfunkgesellschaft SABC (South African Broadcasting Corporation) diese Sehnsüchte erfüllen und täglich auch mehrere Stunden Bebildertes senden zweisprachig, in englisch und afrikaans, ganz wie es Weiß-Südafrika gefällt. Denn die Mehrheit der Bevölkerung kann an dem 300-Millionen-Mark-Spektakel nicht teilhaben: In Soweto etwa, einem schwarzen Vorort Johannesburgs mit über einer Million Einwohner, wird in den meisten Haushalten noch mit Petroleumfunzel und an offener Feuerstelle hantiert. Elektrizität gibt es nur in jedem dritten Haus.
Auch der Preise wegen -- 2500 bis 4000 Mark für ein Farbgerät mit 66-cm-Bildschirm -- wird Fernsehen ein »Spielzeug für die wohlhabenden Südafrikaner sein« (John Poot, Vorstandsvorsitzender von Philips, South Africa). und die Reichen sind fast ausschließlich weiß.
Nur in der TV-Zubehör-Industrie des Landes dominieren die Nichtweißen. Ein Siemens-Zulieferwerk bei Pretoria beschäftigt 90 Prozent Schwarze oder Braune. Deutsches ist überhaupt stark vertreten im südafrikanischen Fernsehgeschäft: AEG-Telefunken erhielt den Zuschlag für sein Pal-System und stach somit den Secam-Konkurrenten aus. Außerdem ist die Firma an der Herstellung von Geräten beteiligt. Die Ausrüstung für Kameraleute und Studios wird größtenteils »made in Western Germany« sein.
Jetzt drücken sich vor allem Schwarze die Nasen an den Schaufenstern platt, wenn mittags und abends für je eine Stunde das Testprogramm läuft. Für die Abendshow riet ein TV-Geschäft in Pretoria den fernsehbegeisterten Massen in der Zeitung: »Bringt euch Decken und Stühle mit, dann wird der Genuß noch größer.«
Die Händler erwarten in der Zukunft mit den knapp 20 Millionen Farbigen ein größeres Geschäft als mit den rund vier Millionen Weißen. »Das Kaufpotential der Schwarzen beweist der letzthin sprunghaft angestiegene Gebrauchtwagenverkauf«, weiß SABC-Direktor Gert de Bruyn. Zwei bis drei Jahre nach Einführung des weißen Programms soll es auch zwei schwarze Kanäle geben.
Noch aber ist in dem burisch-kalvinistisch geprägten Land die Programmgestaltung selbst für die Weißen schwierig. Das ehemalige Kabinettsmitglied Albert Hertzog sieht mit dem Fernsehen »geistigen und moralischen Verfall« heranrücken und möchte »diesen Teufel ausrotten«. »Entsetzliche Angst« hat auch der Pfarrer Jacobus Venter von der einflußreichen Gereformeerde Kerk, denn »wahrscheinlich dürfen sogar Moslems und Juden religiöse Sendungen ausstrahlen«.
Höhepunkt der bisherigen Testsendungen war ein Bericht von der Belagerung des israelischen Generalkonsulats in Johannesburg, bei der ein geistesgestörter israelischer Sicherheitsbeamter 21 Geiseln 17 Stunden festgehalten hatte.
Stolz sahen die Südafrikaner, wie ein Polizeioffizier den schwerbewaffneten Besetzer aufforderte: »Komm raus und kämpfe«, und wie der Leiter des Staatssicherheitsdienstes Boss (Bureau of State Security), General Hendrik van den Bergh, den Irren mit »Sei ein Mann«-Ermahnungen zur Aufgabe überredete. Die »Rand Daily Mau« lobte den Boss-Chef: »Ruhig artikuliert, unempfindlich ..., wie seine dünnen Lippen Befehle ausspien. Der ist wirklich gutes Fernsehmaterial.«