HAARE VOR DEN ZÄHNEN
(Nr. 43/1967, Bücher)
Gerhard Zwerenz fragte in seiner co. legalen Kritik der »Homburgischen Hochzeit«, »weshalb der so tüchtige und eigenständige »homburgische Schelm Ernst Herhaus sich vermittels Bart durchaus das Layout des »kaschubischen« Günter Graß geben will«? Das kam so: In Paris holte ich mir in meinen damaligen Zehen Jahren beim vorlauten fleischlichen Umgang mit Metaphern und vor lauter fleischlosem Umgang mit Gaffern eine Kiefernangelegenheit, wobei mir einige Zähne ausfielen. Die Zahnlücken wollte ich mit einem Bart bedecken. Leider wurden alle auf meine »Lücken« so besonders aufmerksam. In meiner Naivität hatte ich zwar geahnt, daß Naturzähne durch Haare auf den Lücken nicht zu ersetzen wären. Schließlich habe ich mir ein paar Kunstzähne einsetzen und die Haare gleich drauf gelassen. Die Naturzähne sind mir vergangen, und die Kunstzähne lassen sich nur durch perhorrentes Reinigen erhalten, aber Humor ist, wenn man trotzdem beißt. »Manchmal übertreibt er die Parodie ein wenig«, schrieb Gerhard Zwerenz im Blick auf Günter Graß. Wenn ich Günter Graß parodieren wollte, würde ich mir meinen Bart erst mal abmachen, den aber brauche ich, bei allem Hombug, zur steten Mahnung an meine Lücken. Einem Nun-Dit zufolge wollte Graß mit seinem Bart einst Gras über eine Narbe wachsen lassen. So verdanken wir die »Blechtrommel« vielleicht einer vergangenen Zahnlücke. Gerhard Zwerenz danke ich für seine noble Kritik und breche statt in hergrausiges Gelächter in den Ruf aus: Vive Quevedo, qui vive progredo!
Frankfurt ERNST HERHAUS*
* Romancier, der mit der »Homburgischen Hochzeit« debütierte.