Habe zurückgelassen
In der Sendung »Report« des Südwestfunks am vorletzten Freitag sprach Günter Gaus mit dem Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Karl Gumbel. Interviewer Gaus bemühte sich dabei, den Fernseh-Zuschauern »Herrn Gumbel etwas näherzubringen«.
GAUS: Ihr Vater war Stadtamtmann in Mainz, wo Sie im Dezember 1909 geboren wurden. Ihr Elternhaus, Herr Gumbel, war bewußt und ausgeprägt katholisch. Die Gesellschaftsordnung jener Zeit stand scheinbar außer Frage. Inzwischen hat sich viel geändert. Ich würde von Ihnen gerne hören, bedauern Sie, daß sich so viel geändert hat seither?
GUMBEL: Ob man es bedauert oder ob man es nicht bedauert, ich glaube, wenn ich zurückblicke, dann kann ich nicht sagen, daß etwas für mich Anlaß wäre zu einem Bedauern. Ich habe ein Erlebnis im Kriege gehabt, das mir eine ganz neue Einstellung gegeben hat zu den gesamten Umständen und Verhältnissen des Lebens. Sie haben erwähnt das gesicherte Elternhaus, die gesicherten Grundlagen der damaligen Zeit. Es war im ersten Rußlandwinter gewesen, als ich in einem Kessel steckte am Wolchow. Wir wurden angegriffen von den Russen, und wir mußten uns unter Hinterlassung aller Habe zurückziehen und konnten uns nur kämpfend von diesen Russen wieder absetzen. Ich habe zunächst nicht den Verlust all des Hab und Gut, was ich damals noch mit mir herumschleppte, verwinden können. Ich habe immer sehr an meinem persönlichen Eigentum gehangen. Aber damals habe ich voll und ganz und klar erkannt, daß es wichtigere Dinge gibt als solch materielle Besitztümer. Und daß es wertvoller Ist, wenn man sein geistiges Besitztum rettet und wenn man seine Existenz und Freiheit rettet.
GAUS: Herr Staatssekretär, Sie gehören zu jener auserwählten kleinen Schar höchster Beamter, die eine ganz große Portion Macht verwalten. Sagen Sie mir bitte, genügt es Ihnen, Staatssekretär zu sein, oder haben Sie manchmal den Wunsch, Minister zu sein?
GUMBEL: Es genügt mir, Staatssekretär zu sein. Ich glaube, daß ich In dieser beamteten Tätigkeit am rechten Platz bin. Ich habe keinen Wunsch und keine Absicht, Politiker zu werden.