Zur Ausgabe
Artikel 11 / 52

MINISTER / DIENSTWAGEN Halbes Liter Prestige

aus DER SPIEGEL 25/1967

Bonns Minister kämpfen für ein Statussymbol, das schon Winston Churchill einst als das Beste an einem hohen Staatsamt pries: »Transportation« -- den Dienstwagen mit Fahrer.

Um die Bundeskasse zu schonen, will Finanzminister Franz-Josef Strauß seinen Kabinettskollegen den Hubraum beschneiden. Der Bayer befand, auch mit nur zwei Litern unter der Motorhaube könne die Bonner Staatsmacht hinlänglich repräsentiert werden. Er argumentierte einleuchtend: »Über lange Strecken hinweg ist es besser zu fliegen. Dabei wird Arbeitszeit gespart. Außerdem empfiehlt sich die Reise mit der Bundesbahn -- die kostet gar nichts*.«

Allein die 411 in der rheinischen Residenz stationierten Dienstwagen der Bundesregierung -- vom Kanzler-Mercedes bis zum Boten-VW -- kosten die Steuerzahler jährlich rund 1,6 Millionen Mark.

Schon im Juni 1966 hatte der Haushaltsausschuß des Parlaments ein preistreibendes Gerangel um Pferdestärken beilegen müssen. Die Abgeordneten maßen damals politische Bedeutung am Typenprogramm des Lieferanten Daimler-Benz und teilten den Hubraum zu:

> drei Liter für Bundespräsident,

Kanzler und Außenminister;

> 2,5 Liter für die übrigen Minister;

> 2,3 Liter für Staatssekretäre.

Bis dahin waren die Bonner Amtschefs allein ihrem persönlichen Geschmack gefolgt. Verkehrsminister Seebohm bestellte einen Opel Kapitän, nachdem ihn der damalige Mercedes-Chef konstrukteur Nallinger mit dem

* Als Bundestagsabgeordnete haben die Minister bei der Bahn Freifahrscheine.

Spruch brüskiert hatte: »Das Auto von morgen für die Straßen von gestern.

Ludwig Erhard pflegte als Wirtschaftsminister sein Image mit einem Drei-Liter-Mercedes. Nach der Kanzlerwahl wäre er gern in das neue Modell 600 umgestiegen, doch mußte er Rücksicht auf den bescheiden motorisierten Bundespräsidenten nehmen.

Heinrich Lübke, der Anfang der dreißiger Jahre einen britischen Sunbeam-Sportwagen fuhr, behilft sich heute mit einem betagten Mercedes 300, Baujahr 1959. Im Präsidenten-Auto läuft bereits der dritte Motor.

Auch Kanzler Kurt Georg Kiesinger fährt ein altgedientes Gefährt aus dem Mercedes-Stall. Als der alte Kanzler-Mercedes 300, in dem schon Adenauer und Erhard chauffiert worden waren, Anfang April mit über 180 000 Fahrkilometern auf der Autobahn liegenblieb, kaufte er einen Mercedes 300 d »Landaulet«, Baujahr 1960.

Die Hubraum-Rationierung im Jahre 1966 traf zuerst den ehemaligen Innenminister Hermann Höcherl. Er wollte auch als Landwirtschaftsminister wieder einen Mercedes 300 SE fahren, mußte sich jedoch mit dem 150-PS-Modell 250 SE begnügen.

Sonderwünsche hatten sich fortan auf Lack und Zubehör zu beschränken. Die Minister Stoltenberg und Bucher verschmähten das uniforme Schwarz und wählten einen silbergrauen Anstrich. Andere Kabinettsmitglieder, darunter Vizekanzler Mende, leisteten sich ein Auto-Telephon.

Als die FDP die Koalition verließ und ihren Vorsitzenden aus dem Kabinett holte, entfuhr es Mende: »0 je, dann bin ich ja schon morgen Auto und Telephon los.« Ähnlichen Schmerz litt der ehemalige Außenminister Schröder, der seinen Dienst-Mercedes 300 an Willy Brandt abtreten mußte: »Da fährt er nun mit meinem schönen Auto.«

Was bisher Einzelschicksal blieb, droht nun dem ganzen Kabinett. Die Staatssekretäre, traditionell ein paar hundert Kubikzentimeter schwächer motorisiert als ihre Chefs, fürchten sogar, sie müßten Strauß zuliebe auf Jedermann-Autos wie Opel Rekord und Ford Taunus überwechseln.

Da aber in Deutschland der Mensch erst beim Mercedes beginnt, versuchen die Beamten, ihren Ministern das halbe Liter Prestige durch hinhaltenden Widerstand zu retten. Straußens Sparerlaß wurde im Finanzministerium bis heute nicht formuliert.

Im Untergrund der Bonner Bürokratie rumort es: Der Bayer Strauß wolle die Obergrenze exakt bei zwei Litern ziehen, weil er sich den Bayerischen Motoren Werken verpflichtet fühlt. Bei BMW aber endet das Programm mit zwei Liter Hubraum.

Der Finanzminister läßt sich in einem BMW 2000 chauffieren. Als noch in München größere Autos vom Band liefen, hielt sich Strauß, damals Verteidigungsminister, einen BMW V 8. Hubraum: 2,6 Liter.

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 11 / 52
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren