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»Halten Sie sich da raus«

aus DER SPIEGEL 6/1991

Das ist ein starker Mann, für den es sich zu kämpfen lohnt«, urteilt der Unternehmer Anton Eyerle, 67, über das irakische Staatsoberhaupt Saddam Hussein. Mit den irakischen Militärs ("Das sind Leute, die noch Charakter haben") hat der ehemalige NPD-Politiker Eyerle jahrelang umfangreiche Geschäfte abgeschlossen.

Im Arbeitszimmer des Firmenchefs der Rhein-Bayern Fahrzeugbau im bayerischen Kaufbeuren steht ein umgebauter Volksempfänger. Daraus spielt Eyerle über einen versteckten Kasettenrecorder gern dröhnende Ansprachen von Adolf Hitler vor. Der hagere Eyerle, der in Hermann Görings Luftwaffe diente, begeistert sich für den Kriegsherrn Saddam: »Das ist wie in meiner Jugend.«

Soviel Einfühlungsvermögen hat der Rhein-Bayern Fahrzeugbau, Gewerbestraße 61, in den vergangenen zehn Jahren satte Aufträge eingebracht. Aus dem Allgäu lieferte das mittelständische Unternehmen in alle Welt Fahrzeuge mit »Spezialaufbauten«.

Auf herkömmlichen Lastwagen von Daimler-Benz ließen die Irakis 1982 bei Rhein-Bayern einen kastenförmigen Aufbau montieren. Darin verbarg sich eine Batterie von Druckluftflaschen, die über ein eigenes Befüllsystem gesteuert werden. Die Münchner Firma Bauer-Kompressoren lieferte als Hauptauftraggeber mit behördlicher Genehmigung die technische Ausrüstung der »Spezial-Flaschentransporter« aus Kaufbeuren.

Gegenüber Eyerle behaupteten die Geschäftspartner, die Druckluft bis zu 350 Bar sei zum »Start von Flugzeugen« notwendig. Tatsächlich wird die Druckluft zum Schnellstart von Kampfflugzeugen eingesetzt. Erst durch einen Anruf der Staatsanwaltschaft München will Lieferant Eyerle vom militärischen Verwendungszweck seiner Fahrzeuge erfahren haben. Insgesamt wurden 175 Daimler-Benz-Wagen mit Preßluftflaschen für den Luftkrieg am Golf geliefert.

Ein Jahr später konnte Eyerle einen weiteren Großauftrag aus Bagdad verbuchen. Gegen harte italienische Konkurrenz vermittelte der ehemalige Repräsentant des Lastwagenbauers Magirus-Deutz die Lieferung von 700 Ambulanzwagen. Auf den Fahrgestellen von geländegängigen Magirus-Deutz-Lastern für den »extremen Einsatz« wurde eine komplette Sanitätsstation für vier Patienten aufgebaut.

Drei Prototypen des Allrad-Transporters wurden zuvor von dem Ulmer Fahrzeugkonzern Magirus-Deutz, heute Iveco Magirus AG, im nördlichen Afrika getestet. Die für den Export mit einem roten Halbmond als Sanitätsfahrzeuge gekennzeichneten Wagen dienen nach Expertenmeinung jedoch ganz anderen Zwecken: Im Wüstensand wird das robuste Gerät als Truppentransporter eingesetzt. Im Jahre 1988 bestellte Bagdad weitere 263 Ambulanzwagen. »Die Ausrüstung«, wirbt Rhein-Bayern, »wird individuell mit dem Kunden abgestimmt.«

Und auch der heikelste Auftrag an Rhein-Bayern dient nach Behauptung von Firmenchef Eyerle rein zivilen Zwecken. Doch er mauert: »Halten Sie sich da raus.« Bei einem Besuch im Irak, den der Saddam-Freund ohne das sonst notwendige Visum bereisen kann, lernte er im Hotel »Bagdad International« den örtlichen Repräsentanten des hessischen Unternehmens Karl Kolb kennen. Die Dreieicher Firma für »wissenschaftlichen Laborbedarf« wird von amerikanischen und deutschen Behörden beschuldigt, am Aufbau von Giftgasanlagen im Irak beteiligt zu sein.

Im Auftrag von Eyerle reiste im März 1982 ein führender Mitarbeiter von Rhein-Bayern zu Kolb nach Dreieich. Dort besprach er mit dem Irak-Experten Klaus Fraenzel die Ausrüstung von acht fahrbaren »toxikologischen Labors«. Über den Einsatz und Verwendungszweck der mobilen Chemielabors wollte der Kolb-Gesellschafter, so erinnert sich ein Beteiligter, »keine weiteren Details« mitteilen.

Noch im selben Jahr lieferte Iveco Magirus als Generalvertragspartner für den Irak-Deal acht »militärisch lackierte« Fahrzeuge mit Sahara-Bereifung nach Kaufbeuren. Das Eschborner Bundesamt für Wirtschaft hatte dem Export in den Irak zuvor zugestimmt.

Unter Assistenz eines eigens angereisten englischen Kolb-Technikers wurden die sandfarbenen 16-Tonnen Magirus-Laster mit einem vollständigen Labor ausgerüstet. Nach einer Begutachtung der Baupläne, die dem SPIEGEL vorliegen, durch die Deutsche Gesellschaft für Chemisches Apparatewesen in Frankfurt handelt es sich um ein »Laboratorium für Standard-Analysen«.

Damit können jedoch auch chemische und biologische Kampfstoffe von ABC-Truppen aufgespürt und untersucht werden. Spezialisten der Bundeswehr besichtigten auf dem Gelände von Rhein-Bayern die acht jeweils 280 000 Mark teuren Gift-Labors, die 1984 über den Hafen Bremen in den Irak verschifft wurden. Eyerle: »Mein Auftraggeber saß in Ulm, das war ein reines Inlandsgeschäft.«

Gleichwohl reparierte ein Rhein-Bayern-Monteur wenig später im Irak die Wasseranlage der Chemielabors, die in einem abgeschlossenen Militärcamp standen. Ernst-Ulrich Kuhlenschmidt von Iveco Magirus: »Damit können Luft-, Wasser-, Boden- oder Nahrungsmittelproben analysiert werden.«

Die Göttinger Menschenrechtsorganisation »Gesellschaft für bedrohte Völker« gab bereits Ende 1987 erste Hinweise auf die möglichen Kampfstoff-Labors aus dem Allgäu an die Staatsanwaltschaft Darmstadt, die das Material erst mal zu den Akten legte. Erst drei Jahre später meldeten sich die Ermittler bei Rhein-Bayern.

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