CDU Hand in Hand
Wann immer Hans-Dietrich Genscher auf die Dritte Welt zu sprechen kommt, stets beteuert der Außenminister, Bonns Politik dürfe »auf jeden Fall nicht ein Beitrag zur Stabilisierung überholter Systeme« sein. Ein Testfall für die Aufrichtigkeit dieser Zielsetzung sei, so Genscher, »unsere Politik gegenüber Mittelamerika«.
Das Thema treibt auch Willy Brandt um. Für ihn hat in Mittelamerika »die Stunde der Wahrheit für demokratische Befreiung und soziale Gerechtigkeit unübersehbar geschlagen«. Der SPD-Chef: »Hoffentlich wird man das auch in den Vereinigten Staaten noch besser verstehen.«
Die Hoffnung wird sich kaum erfüllen. Die Position Bonns stößt in Washington, das die Vorgänge in seiner Interessen-Sphäre als »eine reine Hausmannskost« (Regierungssprecher Kurt Becker) betrachtet, auf keine Gegenliebe.
Unbeirrt meinen die Amerikaner in ihrer Furcht vor dem Kommunismus, korrupte Oligarchien im Hinterhof der USA stützen zu müssen, auch wenn sie damit -- wie im Fall Nicaragua -- ganze Völker gegen sich aufbringen.
Gereizt reagiert deshalb Washington, seit europäische Sozialdemokraten auf dem Bürgerkriegsschauplatz El Salvador zu der in dem »Frente Democratico Revolucionario« (FDR) zusammengeschlossenen Opposition halten. Die Amerikaner favorisieren nach wie vor die zunächst gemäßigte, dann aber von demokratischen Politikern verlassene rechte Junta mit ihrem christdemokratischen Präsidenten Napoleon Duarte als Marionette der Militärs.
Noch im Juli vergangenen Jahres hatte sich SPD-Vize Hans-Jürgen Wischnewski in Washington Vorwürfe anhören müssen, weil sich die Europäer erdreistet hätten, gegen die Interessen der USA das Geschäft der Linken zu besorgen. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, giftete damals der im US-Sicherheitsrat für die Region zuständige Bob Pastov, »hilft in Lateinamerika den Marxisten, jene Apparate aufzubauen, die dann gegen Amerikas Freunde antreten«.
Der deutsch-amerikanische Konflikt um El Salvador wird derzeit sorgsam geschürt -- von den Bonner Christdemokraten. Sie lassen keine Gelegenheit aus, die SPD antiamerikanischer Umtriebe zu verdächtigen. Ein Bonner Lateinamerika-Experte: »CDU und State Department arbeiten da Hand in Hand.«
So steht für den CDU-Veteranen Kai-Uwe von Hassel die »demokratische Legitimation der Christdemokraten« in El Salvador »außer Frage«. Von Hassel war es, der im Juni letzten Jahres eine Regierungsdelegation aus El Salvador »sehr herzlich« in Bonn begrüßte. Die Gäste, darunter Innenminister Hernandez Delgado und sechs Offiziere, informierten sich danach in West-Berlin über deutsche Erfahrungen mit dem Terrorismus. Die Reisespesen zahlte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung, die den Christdemokraten El Salvadors bisher mit über 500 000 Mark geholfen hat.
Einen anderen christdemokratischen Parteifreund hingegen, den zur FDR-Opposition übergewechselten Ex-Außenminister Hector Dada, schnitt die CDU-Prominenz. Das ehemalige Junta-Mitglied mußte sich vergangenen September mit einem Termin bei CDU-Jungmann Matthias Wissmann begnügen.
Dafür rührt der CDU-Rechtsaußen Ottfried Hennig unbeirrt die Trommel für die in der Junta verbliebenen Christdemokraten -- trotz der von der Regierung verantworteten blutigen Gemetzel an Oppositionellen, zu denen längst auch Konservative zählen.
So verbohrt ficht Hennig für die Sache seines Freundes Duarte, der sich als »Adenauer Salvadors« fühlt, daß der CDU-Mann gar den »Bayernkurier« von Franz Josef Strauß verdächtigte, »in trauter Gemeinsamkeit« mit der »Frankfurter Rundschau« und dem »Vorwärts« die Regierung El Salvadors »in die rechtsradikale Ecke schieben« zu wollen.
In der Strauß-Gazette hatte der Rechtskonservative Hans-Georg von Studnitz im Dezember befunden, Washington stehe wie in Nicaragua auch in El Salvador vor dem Dilemma, »eine von Rechtsextremisten getragene Diktatur stützen zu müssen«.
Hennig sieht das anders: Die Regierungssoldaten führten einen »opfervollen Krieg« und hätten unter dem »raffinierten Tunnelsystem« der Guerilla im Dschungel zu leiden.
Die mittlerweile gescheiterte Agrarreform, weiß Salvador-Tourist Hennig, sei »fabelhaft« gewesen, die SPD habe dort die »falschen Freunde«.
Egon Klepsch, Vorsitzender der Christen-Fraktion im Europäischen Parlament, klagte jüngst über den Versuch des SPD-nahen Parlamentarisch-Politischen Pressedienstes (PPP), CDU und CSU wegen ihrer Parteinahme für die Herrschenden in El Salvador »in den Geruch von Faschistenfreundlichkeit« zu bringen. Der PPP-Vorwurf an die Bonner Christdemokraten: »Sie schweigen zu den von den Militärs und den faschistischen Banden ermordeten Bauern; sie schweigen zu den Morden an Nonnen und Rechtsanwälten.«
Geschwiegen haben die deutschen Christdemokraten bis jetzt auch zu einem Resolutionsentwurf ihrer Parteifreunde aus dem Europäischen Parlament, den der belgische Ex-Premier Leo Tindemans vorgelegt hat. Darin werden »alle demokratischen Kräfte« El Salvadors aufgefordert, eine gemeinsame Regierung zu bilden.
Was die deutschen Christdemokraten von dieser neuen Linie halten, wußten die europäischen Partner offensichtlich schon vorher. Sie luden sie erst gar nicht zu den Beratungen ein.