Zur Ausgabe
Artikel 31 / 71

KUBA / LÖSEGELD Handel bei Berta

aus DER SPIEGEL 43/1962

Sieben Stunden lang versuchte der New Yorker Rechtsanwalt James B. Donovan, 46, der insgeheim mit einem Sonderpaß des State Department nach Kuba geflogen war, mit Diktator Fidel Castro, 35, handelseinig zu werden.

Dem ersten Feilschen am 5. Oktober folgte acht. Tage später in Havana eine zweite Zusammenkunft in der Wohnung von Berta Barreto, einer dunkelhaarigen Dame, deren Sohn zu der Ware gehört, um die es bei dem Handel ging:

1113 Gefangene, die der Miliz des bärtigen Inselherrn am 18. April 1961, nach dem mißglückten Invasionsversuch in der Schweinebucht, in die Hände gefallen waren.

Castro, der seine Beute auch einzeln feilbietet - einige Gefangene sind schon für 25 000 Dollar zu haben, andere

kosten eine halbe Million -, verlangt für die gesamte Mannschaft mehr Lösegeld als das mittelalterliche England für die Freilassung seines Königs Richard Löwenherz auftreiben mußte.

Die Freiheit des Britenkönigs kostete seine Untertanen Anno 1194 den Gegenwert von 45 Millionen Dollar (180 Millionen Mark). Der Kubaner hingegen fordert 1962 für seine ehemaligen Landsleute 62 Millionen Dollar und nennt dies »Wiedergutmachung für erlittene Schäden«. Ein Jahr zuvor hatte er sich noch mit 28 Millionen Dollar begnügen wollen.

Unterhändler Donovan erklärte sich bereit, den Preis zu zahlen, allerdings nicht in Bargeld.

Für den prominenten Anwalt ist solcher Menschenhandel nichts -Neues: Im Januar dieses Jahres tauschte er im Auftrage der amerikanischen Regierung für den Sowjetspion Rudolf Abel auf der Glienicker Brücke in Berlin den amerikanischen U-2-Piloten Francis Gary Powers ein.

In Havana bot Donovan diesmal Medikamente, medizinische Geräte und Säuglingsnahrung für die in Castros Gefängnissen darbenden Invasofen, allerdings, wie er mehrfach versicherte. nicht im Auftrage der US-Regierung, sondern als Vertreter eines New Yorker »Komitees für die Befreiung der Kriegsgefangenen«.

Die Kennedy-Administration suchte bisher den Eindruck zu vertuschen, sie habe offiziell mit dem Gefangenen-Handel zu tun. Es wäre für den Präsidenten während des gegenwärtigen Wahlkampfes taktisch unklug, sich für das Tauschgeschäft mit Castro einzusetzen.

Dennoch feilschte Donovan (der in New York für die Demokratische Partei kandidiert) nicht ohne Unterstützung der Regierung: Er wurde vor seinem Kuba-Flug vom Präsidenten-Bruder und Justizminister Robert Kennedy empfangen und erhielt die Zusage, daß aus einem Sonderfonds des Präsidenten 13 Millionen Dollar zum Lösegeld beigesteuert werden sollten.

Denn für John F. Kennedy, der die Schweinebucht-Invasion gutgeheißen hatte, ist »das Schicksal der Gefangenen eine große nationale und persönliche Belastung« - so der Präsident selbst auf einer Pressekonferenz.

Kennedy-Intimus Joseph Alsop lobte: »Der Präsident scheint in diesem Augenblick dem Befehl seines Gewissens zu folgen, und zwar in einer Weise, die für einen Politiker, zumal in einem Wahljahr, ungewöhnlich ist.«

Andere Kolumnisten dagegen fanden, daß die Haltung der Regierung noch immer nicht klar genug sei. James Reston erregte sich in der »New York Times«, daß die Kennedy-Administration »die allgemeine Konfusion über Kuba noch gesteigert hat, indem sie jede Verbindung mit der Donovan-Mission leugnet«.

Die Vorsicht der US-Regierung war verständlich, denn schon einmal waren Verhandlungen mit Castro über einen Loskauf der Gefangenen gescheitert.

Genau einen Monat nach der Invasion, am 17. Mai 1961, hatte der Insel-Diktator eine merkwürdige Offerte unterbreitet: »Wenn Präsident Kennedy erklärt, daß die Gefangenen seine Freunde sind und daß er sie so gern hat, dann soll er 500 Traktoren schicken, und wir werden ihm die Männer geben.«

Drei Tage später kabelte ein mit Unterstützung der US-Regierung gegründetes »Traktoren für die Freiheit«-Komitee, dem die Präsidentenwitwe Eleanor Roosevelt, Ike-Bruder Dr. Milton Eisenhower und Gewerkschaftsboß Walter Reuther angehörten, seine Zusage nach Havana.

Als das Komitee dem Kubaner 500 landwirtschaftliche Traktoren im Werte von drei Millionen Dollar anbot, erhöhte Castro seine Forderungen: Er verlangte nun Bulldozer oder schwere Caterpillar-Traktoren, von denen 500 Stück 28 Millionen Dollar kosten.

Nach einem sechs Wochen dauernden Feilschen gab das Komitee seine Bemühungen auf. Sekretär John Hooker erklärte, daß weitere Gespräche sinnlos wären, »da es unmöglich ist, mit Castro ein Geschäft zu machen«.

Hooker: »Castro versuchte den Eindruck zu erwecken, daß die humanitären Absichten einiger privater Bürger ein Schuldeingeständnis der USA seien. Wir werden ihm weder 28 Millionen noch 28 Dollar zahlen.«

Republikanische Politiker hatten damals heftig gegen die Verhandlungen mit Castro protestiert. Indiana-Senator Homer E. Capehart erinnerte daran, daß solche Gespräche gegen ein Bundesgesetz verstoßen, wonach Privatpersonen keine Verhandlungen mit fremden Regierungen führen dürfen. Und Ex-Vizepräsident Richard Nixon rügtet »Der Handel wird jeden kleinen Diktator ermutigen, seinerseits zu versuchen, die USA zu erpressen.«

Auch diesmal opponierten die Republikaner. Senator John J. Williams begehrte von der Regierung zu wissen, woher das Lösegeld komme, und der Kongreßabgeordnete William C. Cramer aus Florida schimpfte: »Der ganze Handel stinkt.«

Anwalt Donovan, Ende vorletzter Woche aus Havana zurückgekehrt, ließ sich nicht entmutigen: »Es sind zwar noch einige kleine Punkte zu klären, aber wir haben ein konkretes Angebot gemacht und warten jetzt auf Castros definitive Antwort.«

In Florida rüsten sich indes die USEinwanderungsbehörden für den Empfang der Kubaner, die noch immer in Castros Gefängnissen sitzen.

Gefangenen-Aufkäufer Donovan,

Kubaner sind teurer als Richard Löwenherz

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 31 / 71
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren