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WERBUNG / PARTEIEN Harfe gegen Margarine

aus DER SPIEGEL 43/1969

Audi, Puschkin, König-Pilsner und Oetker-Pudding verhalf sie mit ihren Ideen zu höheren Marktanteilen« und steigenden Umsätzen. Doch bei dem Kunden FDP versagten die Tricks der Düsseldorfer Team-Agentur. Statt erwarteter neun Prozent der Wählerstimmen erreichte ihr Auftraggeber bei den Bundestagswahlen nur kümmerliche 5,8 Prozent.

Für die erfolgsgewohnte Werbefirma ist die Malaise der FDP ein schwerer Schock. Team-Gesellschafter Georg Baums: »Der Mißerfolg hat uns alle überrascht.«

Die Team-Mannschaft war vor dem 28. September ihres Erfolges sicher. Denn die FDP-Werbung galt in der Branche als »intelligent« und »raffiniert«. Freilich mangelte es schon damals nicht an Kritik. Im Juni dieses Jahres warnte der Esslinger Werbeberater Franz Ulrich Gass: »Die

schwungvolle Werbung der FDP erfreut die Fachwelt, aktiviert jedoch nicht den Kunden.« Drei Tage vor der Wahl konstatierte die Düsseldorfer Agentur Troost bei einer Umfrage des Hamburger Branchen-Informationsdienstes »Der Kontakter": »Die Werbung geht an der Masse der Wähler vorbei.«

Obwohl die Düsseldorfer auch jetzt noch der Meinung sind, für die FDP »die bestmögliche Werbung« geschneidert zu haben, begann die Mannschaft, kritische Bilanz zu ziehen. Die Team-Werber wissen zum Beispiel, daß die Kampagne »Wir schaffen die alten Zöpfe ab« zwar »überaus erfolgreich« war -- die Partei bekam über 30 000 Zuschriften -, aber viel zu früh einsetzte.

Der von Team-Mitinhaber Vilim Vasata ersonnene Zopf-Slogan setzte sich viel schneller durch, als die Experten erwartet hatten. Schon Ende Januar, wenige Wochen nach dem Start, war der FDP-Werbespruch ein beliebtes Thema westdeutscher Karikaturisten. Die volkstümlichen Späße über die FDP-Werbung verleideten den Liberalen aber die Lust an der Kampagne. Im Mai stoppten sie die Zopf-Inserate und legten eine »allzu lange Sendepause« (Baums) ein.

Als die beiden großen Parteien im Frühsommer lautstark um die Mark-Aufwertung stritten, hatten die FDP-Werber keine Munition mehr zu verschießen. Baums: »Da konnten wir mit den anderen nicht mehr mithalten.«

In der letzten Phase des Wahlkampfes vermochte sich die finanzschwache FDP gegenüber SPD und CDU kaum mehr Gehör zu verschaffen. Bestürzt stellten die Wahlstrategen fest, daß auf acht SPD- und zehn CDU-Plakate nur noch eins von der FDP kam.

Die materielle Überlegenheit der beiden Regierungsparteien war in der Tat erdrückend. Während die FDP für ihre gesamte überregionale Werbung nur 6,5 Millionen Mark bereitstellte, durften die Agenturen der CDU und SPD allein für Inserate und Plakatanschläge je 20 Millionen Mark verpulvern.

Daß die FDP-Werbung dennoch im »Ansatz richtig« war, glauben die Team-Chefs anhand eines sogenannten Parteienskalometers beweisen zu können: Durch Umfragen wurde monatlich eine Sympathiekurve jeder Partei ermittelt. Ende 1966 -- nach Beginn der Großen Koalition -- rangierte die FDP bei minus 68, im Sommer dieses Jahres erreichte sie die Marke plus 62.

Team-Kritiker Gass hingegen will in einer Analyse herausgefunden haben, daß die FDP ohne Werbung »ein Prozent mehr Stimmen hätte gewinnen können«. Begründung: »Man kann in der Werbung in ultrakurzer Zeit kein Profil neu aufbauen ... die Hinnahme eines verwaschenen Profils hätte die Adressaten in den Zielgruppen weniger verwirrt.«

Die Werbeagenturen der CDU (Dr. Hegemann, R. W. Eggert, Bonner Werbe) verzichteten von vornherein auf komplizierte Image-Korrekturen, obwohl »die antiquierte Marke CDU« (Eggert-Geschäftsführer Dr. Walter Scheele) eine Schönheitsoperation dringend notwendig gehabt hätte. Die CDU-Wahlstrategen kümmerten sich nicht um das lädierte Ansehen der Partei, sondern versuchten die Deutschen nach altbewährten Rezepten zu manipulieren. Wie In den letzten Bundestagswahlkämpfen appellierten sie an Vatergefühle und das Sicherheitsbedürfnis der Nation.

Nach den Wahl-Lokomotiven Adenauer und Erhard hatte die CDU wiederum mit Kiesinger eine Ideale Kanzlerfigur parat. Denn In zahlreichen Umfragen erwies sich der württembergische Charmeur allen Konkurrenten weit überlegen. In einem Assoziationstest wurde Kiesinger beispielsweise als Museumsdirektor eingestuft, überdies wurde ihm eine Harfe zugeordnet. Kanzler-Bewerber Brandt hingegen wurde In der gleichen Untersuchung mit einem Handlungsreisenden und mit Margarine assoziiert.

Wie Kiesinger am besten zu verkaufen sei, fand die von der CDU schon in drei Bundestagswahlkämpfen erprobte Düsseldorfer Agentur Dr. Hegemann heraus. Texter H. G. Dieckberdel kam auf den Slogan: »Auf den Kanzler kommt es an«, Graphiker-Kollegen stellten Kiesinger auf Plakaten in gütiger Landesvaterpose vor.

Auf das Kanzler-Plakat sind die CDU-Strategen in der Bonner Nassestraße noch heute stolz. Schwärmt Pressesprecher Dr. Arthur Rathke: »Eine fabelhafte Idee, Kiesinger In voller Lebensgröße zu zeigen. Der Kanzler wirkt nicht als Kopf, sondern nur als Figur.«

Der Kanzler-Slogan erreichte in allen Umfragen Bestnoten. Dagegen verfing die CDU-Parole: »Sicher in die 70er Jahre« bei den Deutschen kaum noch. Sie wurde von den meisten Befragten als leeres Versprechen angesehen.

Wie ein Bumerang wirkten hingegen die Kampf-Inserate der CDU gegen den Wirtschaftsminister Karl Schiller ("Hier irrt Schiller"). Das Allensbacher Institut für Demoskopie fand heraus, daß die Anzeige von einem großen Teil der Bevölkerung »als unangenehm« empfunden wurde, weil sie im Ton zu aggressiv war und sich zudem gegen einen populären Politiker richtete.

Die mißratene Anzeigen-Kampagne geht freilich nicht auf das Konto der CDU-Agenturen. Die aggressiven Texte wurden gegen den Willen der beratenden Agentur im Bonner CDU-Hauptquartier zusammengeschustert.

Vor den meisten Experten der westdeutschen Werbezunft fand die CDU-Reklame keine Gnade. Für Dr. Eduard Grosse, Geschäftsführer der Frankfurter Agentur Foote, Cone & Belding, waren die CDU-Anzeigen »altmodisch« und die Fernsehspots »einfach grauenvoll«. Und sein Düsseldorfer Kollege Dr. Ulbricht von der Agentur von Holzschuher, Bauer & Ulbricht konstatierte: »Die CDU und ihre Agenturen haben wenig gezeigt.«

Gleichwohl fühlen sich die Laien-Werber der CDU durch das gute Wahlergebnis in ihrer Arbeit bestätigt. Dr. Rathke: »Wir haben nicht nach Gags gesucht, weil wir unsere Wähler kennen.« Und: »Wenn wir Werbung gemacht hätten nur für Leute, die etwas von Werbung verstehen, hätten wir genauso einen Mißerfolg gehabt wie die FDP.«

Zufrieden mit ihrem Werbegeklingel ist auch die SPD-eigene Werbefirma Arc in Düsseldorf. Die 17köpfige Werbemannschaft trug dazu bei, daß die Sozialdemokraten zu einem Stimmenzuwachs von 3.4 Prozent kamen. Kaum ein SPD-Funktionär hatte Ende 1968 mit solchem Erfolg gerechnet.

Was die im Herbst 1968 engagierten Arc-Geschäftsführer Harry Walter und Harry Lorenz vorfanden, war nicht ermutigend. Noch immer rumorte es in der SPD-Anhängerschaft wegen der Großen Koalition, und immer noch galt die SPD in bürgerlichen Kreisen weithin als unakzeptabel.

Anders als die CDU, die in ihrer Wahlansprache keine Unterschiede machte, suchte die SPD mit differenzierten Kampagnen Terrain zu gewinnen. Maßgeschneiderte Inserate umgarnten unzufriedene Stammwähler, Frauen, soziale Aufsteiger und Meinungsbildner.

Um bei bürgerlichen Wählern nicht anzuecken, vermied die SPD in ihrer Werbung Angriffe gegen ihren Koalitionspartner. Arc-Geschäftsführer Harry Walter: »Wir haben im Wahlkampf von vornherein auf jegliche Polemik verzichtet.«

Die noble Zurückhaltung verstimmte indes einen Teil der Partei. Als die Anti-Schiller-Anzeigen der CDU erschienen, forderten einige Funktionäre harte Konterschläge. Die daraufhin von der Are entwickelte Kampf-Anzeigen-Kampagne kam bei Brandt und Wehner aber nicht an. Sie wurde als zu persönlich« abgelehnt.

Ein durchgefallenes Inserat trug zum Beispiel die Überschrift: »Kiesinger sagt, die NPD ist keine neonazistische Partei«. Ergänzt wurde die Aussage mit dem Konterfei von 16 prominenten NPD-Mitgliedern und Hinweisen auf ihre NSDAP-Mitgliedschaft und ihren Rang in SA und SS. Die Anzeige gipfelte in der Frage: »Die müßten Sie doch eigentlich kennen. Herr Kiesinger?«

Obwohl sich die SPD aggressive Anzeigen verkniff, wiesen einige Zeitungen SPD-Inserate zurück. So wurde die Schiller-Annonce »Hier nennen wir in aller Offenheit die vier Termine, an denen Professor Schiller wirksame Maßnahmen gegen steigende Preise vorschlug« von der »Rheinischen Post«, der »Aachener Volkszeitung«, der »Westfalenpost«, der »Kölnischen Rundschau«, vom »Fränkischen Volksblatt« und dem »Bamberger Neuen Volksblatt« als zu polemisch abgelehnt. Die Unterausgaben der »Rheinischen Post« in Neuß-Grevenbroich und Moers verhängten sogar für alle SPD-Anzeigen eine strikte Annahmesperre.

Im Vorteil gegenüber den Christdemokraten war die SPD freilich durch einen gut funktionierenden Spionageapparat. SPD-Sympathisanten in den Düsseldorfer CDU-Agenturen sorgten dafür« daß Texte und Entwürfe bei den Are-Chefs früher landeten als im Bonner CDU-Hauptquartier.

Dafür nahmen es die Arc-Manager mit der Geheimhaltung im eigenen Hause sehr genau. Sie schafften sich eigens einen Panzerschrank an und ließen alle nickt verwerteten Text-Entwürfe sofort im Reißwolf vernichten. Was der Reißwolf nicht fraß, kam in einen großen blauen Plastiksack, dessen Inhalt täglich von einem vertrauenswürdigen Angestellten in die Düsseldorfer Müllverbrennungsanlage geschüttet wurde.

Einen Volltreffer erzielte die SPD mit Anzeigen, in denen sich Prominente wie Quizmaster Kulenkampff und Bundeswehrreformer Graf Baudissin zu den Sozialdemokraten bekannten. Die sogenannten Testimonial-Inserate erregten schnell den Neid der Konkurrenz. So forderten CDU-Funktionäre ebenfalls Prominenten-Anzeigen. Pressechef Rathke wies das Ansinnen zurück: »Eine Partei, die 20 Jahre die Führung gehabt hat, kann doch nicht nach Dash-Manier werben, das ist einfach unpolitisch.« Auch die FDP-Anhänger hätten gern ähnliches gehabt, erinnert sich Baums: »Wir hatten so etwas in der Planung, aber dann reichte das Geld nicht mehr.«

In den Agenturen versuchen die Parteien-Werber -- sie kassierten zusammen rund 7,5 Millionen Mark Honorar jetzt zu ergründen, wie groß ihr Anteil am Erfolg oder Mißerfolg ihrer Auftraggeber ist. Da es aber keine wissenschaftlich exakte Methode zur Messung der

Werbewirksamkeit gibt, sind sie auf Vermutungen angewiesen,

Bei der erfolgreichen Are-Agentur geben sich die Manager bescheiden. Geschäftsführer Harry Walter. »Das Wahlergebnis haben wir sicherlich nicht entscheidend beeinflußt.«

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