DETEKTIVE Hart am Fall
Donner, Blitz und Wolkenbruch verdarben dem Detektiv Helmut Bell, 45, an einem Sommertag das Arbeitsklima. Siebzehn Stunden spähte er im Schwarzwaldbad Höchenschwand durch Schauerschleier in das Privatleben der Maria Pelkmann, 41. Dann stand für ihn fest: Das Fräulein war ihrem Verehrer Herbert Junghanns, 79, treu.
Bald darauf geriet der Detektiv vom Regen in die Traufe: Im westfälischen Altena erklärte Amtsgerichtsrat Dr. Wolfgang Häfner, 47, Bells Pirsch für verfassungswidrig. Denn, so deutete Häfner das Grundgesetz, »niemand hat das Recht, in das Privatleben oder die Intimsphäre eines Menschen einzudringen«.
Siegessicher waren Bells Arbeitgeber vom »Internationalen Detektivbüro Gentner & Co.« in Stuttgart vor das Amtsgericht gezogen, nachdem ihr Auftraggeber Junghanns, der Ergebenheit seiner Maria nun wieder gewiß, sich als säumiger Zahler erwiesen hatte: 113 von 539.60 Mark Überwachungshonorar waren noch einzutreiben.
Bedrückt verließen sie den Gerichtssaal. Denn Richter Häfners Urteil rührte an die Existenzgrundlage der 425 deutschen Detekteien, deren Auftragsaufkommen zu einem beträchtlichen Teil von den Partnern zu sehr oder nicht mehr geliebter Bundesbürger stammt.
Rechtsmittel gegen den Rechtsspruch, der den Überwachungsvertrag unter Hinweis auf die Verfassungsartikel 1 und 2* für nichtig erklärte, können die Detektive nicht einlegen, weil der Streitwert,unter dem von der Zivilprozeßordnung geforderten Minimum (200 Mark und ein Pfennig) lag.
Die zunächst verstörten Ausspäher geben sich inzwischen gelassen. Manfred Dessau, Vorsitzender des »Zentralverbandes der Auskunftei-, Detektei- und Inkassounternehmen": »Das ist bloß so eine Eulenspiegelei aus Altena.« Das nächste Mal werde man einfach für einen höheren Streitwert sorgen.
Beistand bekamen die Detektive derweil von dem Heidelberger Rechtsgelehrten Professor Hermann Weitnauer, der in der »Neuen Juristischen Wochenschrift« dem sauerländischen Kollegen vorhielt: »Wie immer und wie weitgehend man sich auch die Drittwirkung der Grundrechte vorstellen mag, zu Verbotsgesetzen im Sinne des Paragraphen 134* kann man sie... nicht ummünzen - man ist fast versucht zu sagen: herabwürdigen.«
Richter Häfner will jetzt seine Grundsatzerklärung möglichst vorsichtig ausgelegt wissen: »Ich bin nur ein kleiner Amtsrichter. Ich habe hart am Fall entschieden.«
* Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt; Artikel 2: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Detektiv Beil
Pirsch im Wolkenbruch