Hausmitteilung Hausmitteilung Enzensberger
»Hitlers Wiedergänger« nennt der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger ("Der Untergang der Titanic") den irakischen Diktator Saddam Hussein; er sei, anders als andere Despoten, in seinem Trieb zur Weltvernichtung und Selbstvernichtung »der Feind des Menschengeschlechts«. Jeder Vergleich zwischen Hitler und Saddam, so folgert Enzensberger, ziehe »notwendigerweise einen zweiten nach sich zwischen den Massen, die sich dem einen und dem andern als Schlächter und Schlachtopfer zur Verfügung stellten«. Autor Enzensberger warnt vor verfrühtem Triumphgeheul: »Woran Hitler und Saddam gescheitert sind, am Endsieg, das heißt an der Endlösung - ihrem nächsten Wiedergänger könnte sie gelingen.«
Enzensbergers scharfsichtige und unbequeme Einsichten sind in einem SPIEGEL-Beitrag (Seite 26) zu lesen, bisher letzter Ausdruck einer gelegentlichen Zusammenarbeit, die 1957 mit einer kräftigen Attacke Enzensbergers auf die »Sprache des SPIEGEL« begann. Der SPIEGEL schluckte die Vorwürfe und lernte - und gewann Enzensberger als ständigen Buchkolumnisten in den Jahren 1963/64. Enzensberger schrieb damals über Günter Graß und John Updike, über Elias Canetti, aber auch über das Liederbuch der Bundeswehr.
Unter den Aufsätzen, die er dem SPIEGEL lieferte, war der über die Großzügigkeit des Flick-Bevollmächtigten Eberhard von Brauchitsch und die Parteispenden-Affäre von 1983 ("Ein Bonner Memorandum") besonders wichtig: eine klärende Analyse über Versumpfung von Parteien und Spendern in der »gekauften Republik« und die Aufgaben der Presse.
Aber nicht nur der SPIEGEL druckte Enzensberger, sondern Enzensberger auch den SPIEGEL: In seine Essay-Sammlung »Mittelmaß und Wahn« (Untertitel »Gesammelte Zerstreuungen") nahm Enzensberger ein SPIEGEL-Gespräch auf, das er 1987 im Wahlkampf mit den SPIEGEL-Redakteuren Hellmuth Karasek und Peter Stolle geführt hatte.