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Hausmitteilung HAUSMITTEILUNG Reeperbahn

Von Hans Joachim Schöps
aus DER SPIEGEL 50/1997

Zum erstenmal erlebte SPIEGEL-Redakteurin Ariane Barth die Hamburger Reeperbahn, als sie 17 war. Damals, Ende der fünfziger Jahre, hatte der fürsorgliche Vater sie eskortiert - »bevor du mit Jungs dahin gehst«. Doch mit der Sünde hielt es sich dann in Grenzen: Vater und Tochter betrachteten Schlammringkämpfe mit Damen, die sich ganz wild gebärdeten, und es gab viel zu lachen.

Die Reeperbahn, die Barth bei den Recherchen für den Titel dieser Ausgabe (Seite 86) antraf, bietet neben der Heiterkeit nun eine todernste Kehrseite. Noch immer gibt es in diesem weltberühmten Amüsierviertel zwar die Bordelle und Tanzschuppen und die Herbertstraße, wo die Mädchen in Schaufenstern sitzen - und sich die Kollegin, weil Frauen dort keinen Zutritt haben, von einem Zivilfahnder mit dem Beinamen »Tarzan« begleiten ließ. Natürlich sind da noch Blondinen wie Ellen, die mit Leder und Peitsche seltsame Bedürfnisse befriedigt - und die Barth dann später als »vollendete, intelligent plaudernde Dame« erlebte. Willi Bartels, dem große Teile der St.-Pauli-Immobilien gehören, residiert auf seine alten Tage im Hotel »Hafen Hamburg« noch immer wie ein ungekrönter König, und überlebt hat auch die »Ritze«, das alte Milieulokal, in dem sich die SPIEGEL-Frau umsah. Doch seit Anfang der neunziger Jahre gerät dieses Viertel zusehends in die Herrschaft einer rabiaten, von Drogen und Waffengewalt bestimmten Kriminalität.

Zugereiste Banditen, die keinen Spaß verstehen, prägen das Bild dieser Reeperbahn, und der Polizei fehlen die Mittel, die Entwicklung zu bremsen. Eine »Parallel-Gesellschaft« sehen Beamte nun dort heranwachsen, die ein mächtiges und mafioses Eigenleben führt - und die keineswegs auf St. Pauli begrenzt bleiben muß: »Was der Reeperbahn angetan wird«, so die Titelautorin, »was die Königin der Nacht häßlich macht, zeigt sich nur deutlicher, nur schriller als in anderen Regionen.«

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