MODERNES LEBEN Heilige Momente
Jede Sekunde ist kostbar, so lautete das Motto der jungen Poeten der amerikanischen Beat-Generation der fünfziger Jahre. »Was uns verband«, erzählt einer von ihnen, Allen Ginsberg, »war ein quasi religiöses Gefühl für den sakramentalen Charakter jedes einzelnen Augenblicks.« Eines Tages kaufte sich Ginsberg für 13 Dollar eine gebrauchte Kodak-Kamera und begann, die heiligen Momente festzuhalten. Die Photos wurden zu Reliquien, die die verschworene Aussteigertruppe (Ginsberg: »Eine Art literarischer Marx Brothers") an ihren Lebensrausch aus Tempo, Jazz, Drogen, Sex und visionärer Ekstase erinnert. Beat-Opa Ginsberg, 63, mittlerweile ein arrivierter Literaturprofessor, hat die Schnappschüsse aus bewegten dreieinhalb Jahrzehnten nun zu einem Photoband gesammelt ("Reality Sandwiches«, Nishen Verlag, 36 Mark), der die Helden von einst und heute in intimer Privatheit zeigt: Beat-Pate William Burroughs beim Undergroundfilm-Interview, Rock-Romancier Jack Kerouac zurückgekehrt von weiter Abenteuerreise oder das Enfant terrible der Clique, Gregory Corso, auf Wallfahrt. Ginsbergs Bilder sind wie seine Gedichte: karg, klar und spontan. »Photographische Poetik« nannte er beides und lehrt seine Studenten: »Erster Gedanke, bester Gedanke.«