BÖRSE / BMW Heimlich ins Ziel
An der Börse kletterte die Aktie der Bayerischen Motoren Werke AG in zehn Wochen um mehr als hundert Punkte. Am Montag letzter Woche prophezeite BMW-Finanzchef Friedrich W. Pollmann: »Ich bin sicher, der Kurs geht runter.«
Pollmann behielt recht. 24 Stunden später sackte BMW an der Maklertafel von 655 auf 641 Punkte.
Die Verkündung des Managers Pollmann unterbrach eine scheinbar unaufhaltsame Hausse. Zum bestaunten Börsenrenner war das Wertpapier schon im Dezember letzten Jahres geworden, als die Aktien der Konkurrenten Daimler-Benz und Volkswagen noch weit unter ihren Jahres-Höchstkursen notiert wurden. Börsenprofis glaubten, das Unternehmen werde die Dividende (1967: zwölf Prozent) heraufsetzen und das Grundkapital durch Ausgabe junger Aktien zu einem besonders günstigen Bezugskurs erhöhen.
Als das weiß-blaue Edelpapier immer schneller stieg, versuchte BMW-Generaldirektor Gerhard Wilcke die Hausse herunterzuspielen. An alle Zeitungen verschickte er Anfang des Jahres eine merkwürdige Meldung: BMW gehe es zwar »recht befriedigend«, das Wachstum »rechtfertigt indessen nach Ansicht der Verwaltung nicht die erheblichen Kurssteigerungen der BMW-Aktie«.
Vom Boß persönlich verwarnt, ließen Experten und Kleinaktionäre die Finger von den BMW-Anteilen. Irritiert mußten sie jedoch zusehen, daß die Aktie an der Börse weiter spurtete und binnen drei Januar-Wochen nochmals über 50 Kurspunkte gewann.
Der Preistreiber blieb bislang unerkannt. Sein Name: Herbert Quandt. Der 58jährige Multimillionär aus Bad Homburg am Taunus, Herr über vier Dutzend Elektro-, Maschinen- und Textilfirmen, hält -- so steht es im offiziösen Aktienführer 1969 von Hoppenstedt -- zirka 40 Prozent vom 100-Millionen-Kapital der BMW. Sein Paket erschien ihm immer als zu klein.
Quandt hatte sich in München eingekauft, als das Unternehmen 1960 der Pleite nahe war. Mit seinen Millionen legten neue Manager die Erfolgsmodelle der »Neuen Klasse« auf. Im letzten Jahr stießen sie mit 110 000 verkauften Automobilen im Wert von 1,1 Milliarden Mark ganz nach vorn. In der Saison 1969 sollen allein 35 000 Fahrzeuge der neuen Spitzenmodelle mit 2,5 und 2,8 Liter Hubraum vom Band rollen, und bereits 1972 wollen die vor Selbstbewußtsein strotzenden BMW-Verkäufer zwei Milliarden Mark Umsatz machen. Verkaufschef Paul G. Hahnemann rechnet vor, wieviel Fahrzeuge er 1972 absetzen will: »200 000 Prestige-Autos von BMW; das ist ebensoviel wie eine Million Fiat.«
Scheel blicken die erfolgreichen BMW-Bosse unterdes auf ihr Tochter-Unternehmen Hans Glas GmbH in Dingolfing herab, das sie 1966 von dem niederbayrischen Fahrzeug-Bastler Hans Glas (Goggomobil) übernommen haben. Diskret bemühen sie sich um einen Käufer für die Fertigungsanlagen ihrer Dingolfinger Dependance. Denn selbst die sportlichen Nachfolger des Goggomoblis werden nunmehr von den arrivierten Münchnern als image-störend empfunden.
Mit den eigenen Modellen verdient Bayerns Traditionsunternehmen derzeit so gut, daß die Manager ihre ehrgeizigen Projekte aus der Firmenkasse finanzieren können. Generaldirektor Wilcke: »Neues Kapital von unseren Aktionären brauchen wir jetzt nicht.«
Nachdem BMW wieder zu Kräften gekommen war, setzte Großaktionär Herbert Quandt alles daran, seinen Kapitalanteil zu vergrößern. In München versuchte er, was ihm zuvor bei Daimler-Benz in Stuttgart nicht gelang. Dort sicherten sich die Großaktionäre Friedrich Flick (etwa 40 Prozent) und Deutsche Bank (über 25 Prozent) schon vor Jahren beherrschenden Einfluß. Quandt mußte mit seinem Daimler-Paket von rund 14 Prozent zufrieden sein.
Die Mittel für den Erwerb weiterer BMW-Aktien verschaffte sich der Industrielle durch Verkauf seines Anteils an dem Öl- und Kali-Konzern Wintershall, für den ihm die Badische Anilin- & Soda-Fabrik im vergangenen Herbst 125 Millionen Mark zahlte.
Vorsichtig legte der Industrielle sein Geld an der Börse an. Bereits Ende November hatte er sein BMW-Paket auf 48 Prozent vergrößert. An der absoluten Mehrheit fehlten ihm noch drei Prozent, als BMW-Generaldirektor Wilcke die mittlerweile BMW-orientierten Spekulanten vertrieb.
Wilckes Wink an die Aktionäre, der Kurs sei überhöht und ein Verkauf der Papiere mithin angeraten, bringt den Generaldirektor, der zuvor 17 Jahre lang bei Quandt als Hausjurist gedient hatte, in den Verdacht, seinem Arbeitgeber etwas außerhalb der Standessitten beim Einkauf der BMW-Mehrheit geholfen zu haben.
Am Dienstag letzter Woche fiel der Börsenkurs erstmals wieder kräftig zurück. Der heimliche Urheber der vorangegangenen Hausse war zu diesem Zeitpunkt bereits im Ziel: Die Mehrheit der BMW-Aktien gehört Herbert Quandt.