VATIKAN Heißer Empfang
Mit versteinertem Gesicht lauschte Johannes Paul II. am Dienstag voriger Woche in seiner Sommerresidenz Castelgandolfo den Vorhaltungen, die ihm seine jüdischen Besucher machten, weil er im Juni Österreichs Bundespräsidenten Kurt Waldheim empfangen hatte. »Es gibt Böses in der Welt«, antwortete der Heilige Vater, »wir hoffen und beten, daß der Herr uns hilft.« Konkreter mochte er nicht werden.
Trotzdem freuten sich seine Gesprächspartner über das »historische Ereignis«. Erstmals hatten Juden in einem Dialog mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche nicht nur vorbereitete Texte verlesen, sondern offen diskutieren dürfen.
Noch in diesem Jahr will der Vatikan zudem ein offizielles Dokument über den Holocaust und die Geschichte des Antisemitismus erarbeiten - vielleicht sogar als päpstliche Enzyklika.
Das Versöhnungstreffen war notwendig geworden, weil nach der umstrittenen Waldheim-Visite die jüdisch-katholischen Beziehungen wieder auf das frostige Verhältnis aus der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil abzusinken schienen - bis dahin hatte die Kirche das jüdische Volk noch als »Gottesmörder gebrandmarkt.
Fast alle wichtigen jüdischen Organisationen in den USA hatten daraufhin gedroht, den Heiligen Vater während seiner zweiten USA-Reise, die er Ende dieser Woche antritt, zu boykottieren. Die »New York Times« warnte den Papst vor einem »Public-Relations-Desaster«. Organisatoren der Papst-Reise, die sich ein Drittel des Spendenaufkommens aus jüdischen Kreisen erhofft hatten, stießen überall auf Absagen. In San Francisco fehlt auch jetzt noch die Hälfte der für die 20 Papst-Besuchsstunden benötigten 3,3 Millionen Dollar.
Selbst nach dem »theologischen High Noon« ("New York Post") in Castelgandolfo, auf das sich Johannes Paul II. nach massivem Druck von US-Bischöfen eingelassen hatte, will der Jüdische Weltkongreß einem Treffen mit dem Papst in Miami demonstrativ fernbleiben. Auch das Simon Wiesenthal Center, nach Mitgliedern weltweit die zweitgrößte jüdische Organisation, will auf eine Begegnung mit dem Pontifex verzichten.
Das schwierige Verhältnis zu den Juden hat bislang verdeckt, daß der bevorstehende Papst-Besuch in den USA auch sonst viel Konfliktstoff in sich birgt. Anders als 1979 - da reiste Johannes Paul II. vor allem in katholische Hochburgen, und seine überaus konservativen Ansichten waren noch wenig bekannt - dürfte er diesmal allenorts auf Widerspruch und Demonstrationen stoßen.
»Dieser Mann hat ein Frauenproblem«, sagte etwa bei einer Protestversammlung vor der Vatikan-Botschaft in Washington die ehemalige Präsidentin der Frauenrechtsorganisation Now, Eleanor Smeal. Dann wurde sie abgeführt - sie hatte die Bannmeile überschritten.
Nur 14 Prozent aller US-Katholiken denken über die Abtreibung so wie der Papst, die Mehrheit befürwortet die Zulassung weiblicher Priester, die Aufhebung des Zölibats und kirchliche Eheschließungen für Geschiedene.
In New Orleans will man dem Papst vorhalten, daß Schwarze in der Kirchenhierarchie kaum nach oben kämen; in Phoenix bekämpfen Indianer die geplante Seligsprechung des Missionars Junipero Serra, der viele ihrer Vorfahren mißhandelt haben soll.
In San Francisco schließlich wollen Zehntausende von Homosexuellen, Lesben und anderen Papstgegnern demonstrieren; die Polizei befürchtet Straßenschlachten mit papsttreuen Immigranten aus Mexiko und Lateinamerika.
Die Schwulen sind besonders aufgebracht, seit Joseph Kardinal Ratzinger im vergangenen Herbst in einem amtlichen Schreiben Homosexualität als »moralische Unordnung« verdammt hat.
Was Wunder, daß ein geplanter Besuch des Papstes in einem Aids-Hospiz die Patienten bewog, wütende Briefe zu schreiben; »aus Sicherheitsgründen« wurde die seelsorgerische Visite darauf wieder verworfen. Jetzt wird der Heilige Vater nur einige ausgesuchte Aids-Kranke bei einer Audienz zu Gesicht bekommen.
»Es wird ein heißer Empfang«, prophezeit der Cheforganisator der Protestaktionen, Anwalt John Wahl: »Der Stellvertreter Christi auf Erden wird ihn nie vergessen.«