»Heißes Material« in Ellweiler
Der Skandal um die rheinland-pfälzische Urananlage Ellweiler weitet sich aus. Entgegen der Behauptung der Mainzer Landesregierung gab es offenbar schon Anfang der siebziger Jahre dunkle Geschäftsverbindungen zwischen dem belgischen Atomzentrum Mol und der Urananlagen-Betreiberfirma »Gewerkschaft Brunhilde«.
Laut firmeninternen Unterlagen lieferte die belgische Nuklearfirma Eurochemic allein im Jahr 1973 mindestens 645 Fässer mit rund 190 000 Kilogramm uranverseuchter Erde nach Ellweiler. Über eine Genehmigung zur Rückgewinnung von Uran aus kontaminierter Erde verfügte die Urananlage - das einzige bundesdeutsche Unternehmen, das Urankonzentrat produziert - damals nicht. Die wurde nach Angaben des Mainzer Umweltministeriums aber erst 1985 erteilt.
Erste Hinweise auf Verbindungen zwischen Mol und Ellweiler tauchten im Zusammenhang mit der Atommüllaffäre rund um die Hanauer Nuklearfirmen Nukem und Transnuklear auf. Eine Mafia von Atommüllschiebern hatte falsch deklarierte plutoniumhaltige Abfälle aus Mol auf Zwischenlager deutscher Atomkraftwerke verteilt.
Eines der Fässer entdeckten Fahnder Anfang 1988 auch in Ellweiler. Der Mainzer Umweltminister Alfred Beth (CDU) beteuert bislang, außer diesem Faß seien keine anderen aus Mol stammenden radioaktiven Stoffe in der rheinland-pfälzischen Urananlage gelandet (SPIEGEL 22/1989).
Die Nukem spielte in den Atomgeschäften der Gewerkschaft Brunhilde offensichtlich schon früher als bisher angenommen eine fragwürdige Rolle. Firmenunterlagen zufolge hatte die Hanauer Nuklearfirma bereits 1974 wegen »heißen Materials« Kontakte nach Ellweiler aufgenommen. Und noch im Herbst 1987, kurz bevor der Atommüllskandal aufflog, versuchte Nukem, ein dubioses Geschäft mit der rheinlandpfälzischen Atomfirma abzuwickeln.
Wolfgang Hamma, seit März 1983 alleiniger Inhaber der Gewerkschaft Brunhilde, erreichte im Oktober 1987 eine »dringende Anfrage« der Nukem-Dienstleistungsabteilung. Die Nuklearmakler fragten für die Hanauer Atomfabrik Reaktor-Brennelement Union (RBU) an, ob Hamma angereichertes Uranhexafluorid und »anderes Material« in Ellweiler unterbringen könne. Wegen einer »Reparatur« wolle die RBU das strahlende Material »gegen Gebühr« für drei Jahre auslagern.
Hamma rechnete zwar »aus genehmigungstechnischen Gründen« mit Problemen, er verfügt bis heute nicht über die entsprechende Lagererlaubnis, schien dem angeblich gescheiterten Deal aber zunächst nicht abgeneigt. Hoffnungsvoll vermerkte er in einer Aktennotiz: »Ein Geschäft könnte es wohl sein.«