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PERSONALIEN Herbert Wehner, Richard Jaeger, Gerhard Danelius, Rainer Barzel, Aletta Lohmeyer, Gerald Harper, Alfred Kubel, Kai-Uwe von Hassel, Walter Scheel, Peter Frankenfeld

aus DER SPIEGEL 14/1971

Herbert Wehner, 64, SPD-Altmeister, nannte das Ding beim Namen. Der Taufpate Bonner Politiker -- für Norddeutschlands CDU-MdB Gerhard Stoltenberg erfand er »Schnullermund«, für den Berliner CDU-Abgeordneten Jürgen Wohlrabe die Umkehrformel »Übelkrähe« -- bedachte jetzt auch einen CSU-Kollegen mit einer modifizierten Namens-Bereicherung: Als der für ein rigoroses Porno-Verbot plädierende Bayer Richard ("Kopf ab") Jaeger in der Bundestagsdebatte über die Sexualstrafrechtsreform »die Deutschen, die vor 25 Jahren gerade eine Barbarei hinter sich gebracht haben«, In eine neue Barbarei »versinken« sah, unterbrach ihn Wehner mit dem Zwischenruf: »Glied ab!«

Richard ("Glied ab") Jaeger, 58, Christsozialer, mag sich nicht verstellen. Der bayrische Rechts-Experte wurde vorletzten Donnerstag vom Südwestfunk gebeten, in der Live-Sendung »Meinung gegen Meinung« zusammen mit MdB-Kollegen die Frage: »Soll der Staat des Bürgers Tugendwächter sein?« zu erörtern. Als Jaeger erfuhr, daß es sich nicht um eine TV-, sondern um eine Radio-Diskussion handele, gestand er erleichtert: »Ich bin froh, daß es nicht im Fernsehen Ist. Da muß man immer so ein g'scheites Gesicht machen.«

Gerhard Danelius, 57, SEW-Chef, verweigerte Freunden das Recht auf Kritik. Nach der SEW-Pleite bei den Wahlen in West-Berlin (Stimmenanteil: 2,3 Prozent) bescheinigte der »Berliner Extra-Dienst«, wegen Wahlunterstützung von der »Welt« zum »offiziösen SEW-Organ« deklariert, einigen Genossen »Einfallslosigkeit und Selbstgefälligkeit, dazu noch Bequemlichkeit und Faulheit« im Wahlkampf. Das Blatt kritisierte auch »einen Hauch von Exotik« in der SEW: »Manche Redner treten auf wie Staatsmänner aus einem anderen Land und wollen am liebsten auch so behandelt werden.« Danelius reagierte prompt: mit Abbestellung.

Rainer Barzel, 46, Apparatschik, zeigte sich -- so sein Referent Eduard Ackermann -- »auch mal ganz clever«. Um an der Popularität der Film-Darstellerin Uschi Glas ("Zur Sache, Schätzchen") zu partizipieren, schaltete sich der CDU/CSU-Fraktionschef vorletzten Freitag In die »Bild« -Telephon-Aktion »Ihr Star an der Strippe« ein. Barzel, von »Bild« als erste! Anrufer zitiert, sprach Banales: »Ich wollte doch die Gelegenheit nehmen, auf diesem Wege Ihnen guten Tag zu sagen.« Und: »Mir geht es gut, bißchen erkältet.« Erklärte Barzel-Intimus Ackermann: »Der kann ja da auch keine Liebeserklärungen abgeben.« Aletta Lohmeyer, 24 (2. v. l.), deutsche Diplomaten-Tochter, spielt »für erlauchte Zecher und vielgeliebte Lustseuchlinge« (Bühnen-Text). Zusammen mit dem englischen TV-Mimen Gerald Harper, 40, gastiert die Jung-Darstellerin, die In der »London Diplomatic List« geführt wird, weil Mutter Dr. Brigitte Lohmeyer seit über 15 Jahren die Bundesrepublik als Kulturreferentin in Großbritannien vertritt, im Londoner Theater »Round House« mit dem Satir-Spiel »Rabelais«. Die Inszenierung, vom französischen Regisseur Jean-Louis Barrault nach dem Mammut-Roman »Gargantua und Pantagruel« des Mönchs François Rabelais (1494 bis 1553) eingerichtet, fand bei der Kritik nur mäßiges Echo. Alfred Kubel, 61, Niedersachsens Regierungschef, wurde von Vertriebenen vertrieben: Bei einer Schlesier-Kundgebung vorletzten Sonnabend in Braunschweigs Stadthalle brach der Sozialdemokrat nach tumultartigen Szenen seine Rede ab und verließ wortlos den Saal. Die Folge: anonyme Droh-Anrufe in seinem Haus in Braunlage (Harz). Als Kubel vergangenen Montag gegen ein Uhr morgens per Telephon von einem Mann mit heiserer Stimme als »Schweinehund, Lump, Landesverräter« tituliert wurde, antwortete er höflich: »Sie müssen sich verwählt haben« und hängte ein. Kai-Uwe von Hassel, 57, CDU-MdB und Bundestagspräsident, warb für einen SPD-Werber. Einem Diskussionspartner bei einer christdemokratischen Wahlkampf-Veranstaltung im schleswig-holsteinischen Brammer (bei Rendsburg), der sich ihm vorstellte: »Mein Name ist Wennemar Grezella, ich bin ADAC-Kontrollfahrer und stamme aus Masuren«, sandte der ehemalige Vertriebenenminister anschließend als heimatliche Lektüre die masurischen Geschichten »So zärtlich war Suleyken«. Autor: Siegfried Lenz, der in Schleswig-Holstein SPD-Wählergruppen gegen die CDU mobilisiert. Walter Scheel, 51 (l.), Rheinländer, ist »kein sturer Bock« (AA-Sprecher Guido Brunner). Der Außenminister, Vater zweier Töchter Im Alter von sieben und knapp einem Jahr, beteiligte sich an der Aufzeichnung einer neuen Folge der WDR-Kinder-Hörfunksendung »Geschichten auf Bestellung« im Großen Saal des Bonner AA. Zusammen mit Quizzer Peter Frankenfeld, 57 ("Hier war selten soviel Platz zum Spinnen"), der Schauspielerin Sabine Sinjen und WDR-Mittagsmagazin-Moderator Dieter Thoma mußte er zu Motiven, die von 60 Kindrnm des Bad Godesberger Nicolaus-Cusanus-Gymnasiums ausgesucht worden waren, eine Handlung erfinden: »Das Schwein, das ein Mannequin werden wollte«, »Die Banane, die ein U-Boot wurde«, »Der Schmetterling, der gefährlich aussah« und »Der Mann, der seine Leiche suchte«. Scheel hatte »noch nie soviel Lampenfieber« und phantasierte: Jemand hört im Radio, er sei getötet worden, und forscht nun nach, ob er noch lebe. Lobte Frankenfeld: »Er kann fabelhaft Märchen erzählen.« Sendetermin: Ostersonntag, WDR I, 14 bis 14.45 Uhr.

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