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HINTER DEM REVERS DAS HAKENKREUZ

aus DER SPIEGEL 27/1966

Wo deutsche Menschen sich versammeln, da soll das Tischtuch sauber sein. Das Pult für den Redner darf nicht zu nah bei der Theke stehen, weil sonst die Konzentration und die Kellner beeinträchtigt werden. Der Versammlungsleiter soll die zweifellos anwesenden Lauscher vom Verfassungsschutz nur dann erwähnen, wenn er sie namentlich kennt. Die Juden und die Nazis sollen überhaupt nicht erwähnt werden.

Solcher Art war die Ermahnung, die der weiland SA-Obersturmbannführer und Gauredner Otto Heß, NSDAP-Mitglied von 1930 und heute Präsidiale der NPD, hinter den verschlossenen Türen der Karlsruher Stadthalle den dort am Vorabend des Parteitags der Nationaldemokraten zusammengerufenen Parteifunktionären aus Notizzetteln und aus seiner reichen Erfahrung vortrug: Bedenkt, was ihr sagt, aber sagt nicht, was ihr denkt. Bleibt sauber, Kameraden!

Das ist derzeit die Losung der NPD. Denn was Deutschlands Demokraten von dieser Partei befürchten, das droht ihr in Wahrheit selber: die Gefahr von rechts; die Gefahr, ins Unkraut des Extremismus zu schießen.

Das wuchernde Wachstum der Nationaldemokraten - 19 100 Mitglieder in nur 18 Monaten - hat den auf neudeutschen Nationalismus spekulierenden NPD-Strategen eine Gefolgschaft eingebracht, in der es von braunen Narren nur so wimmelt. Wenn es nun jenen Parteigenossen, die zwar braun sind, aber keine Narren, nicht gelingt, diesen »unkontrollierbaren Heftigen«, wie sie im offiziellen Parteideutsch heißen, wenigstens demokratische Umgangsformen beizubringen, dann kann die NPD alle Hoffnung fahren lassen, jemals als »nationale Opposition« zu Sitz und Stimme in der Bundespolitik zu kommen. Wohlverhalten ist darum das oberste Gebot. Der deutsche Mann rauft nicht!

Nicht die Polizei schritt ein, wenn sich überzeugungstreue Nationaldemokraten auf dem Festplatz in Karlsruhe angesichts eines gezückten Reportermikrophons in verbales Schlammringen mit Andersgläubigen einließen, sondern Otto Heß persönlich: »Interviews und öffentliche Erklärungen sind Sache des Bundesvorstandes!«

Diese nationale Rechte hat es schwer mit sich. Zwar eint sie das gesunde Volksempfinden. Und doch befällt sie immer wieder der alte Spaltpilz aller rechtsradikalen Zusammenschlüsse: der Umstand nämlich, daß diese guten Deutschen keine besseren Deutschen neben sich vertragen können, ohne alsbald eine Fehde mit ihnen anzufangen. Für Politik bleibt da, gottlob, wenig Zeit. Was die NPD anbetrifft, so käme für Politik ohnehin nur ein einziger Mann in Frage: Adolf (Bubi) von Thadden, Star-Equilibrist der Neuen Rechten von DRP und NPD und trotz seiner permanenten Steuerbord-Schlagseite ein fast unbegrenzt manövrierfähiger Mann. Er kann die verquaste Deutschtümelei der Kameraden selbst dann noch politisch artikulieren, wenn er, nach dem vierten Whisky auf nüchternen Magen, schon ziemlich legato spricht. Aber er kommt kaum dazu.

Denn in der NPD ist auch er vornehmlich mit der Reinerhaltung der Art beschäftigt, mehr mit Persil als mit Politik, mehr mit Kosmetik als mit der Kunst des Möglichen. Und ein wesentlicher Teil dieses schönenden Bemühens gilt seinem Vorsitzenden Friedrich Thielen, obwohl er diesen insgeheim für einen argen Deutschnationalen hält.

Jedesmal wenn der »in der Wortschöpfung behinderte« Bremer Zement -Mixer Thielen (Herstellung von Betonformteilen und sogenannten Panzersteinen) schweren Schritts das Rednerpult betritt, überfällt Bubi von Thadden eine »rasende Angst«.

Satz für Satz mit grimmiger Langsamkeit zu rhetorischem Geröll zerkleinernd, vermag der Parteichef nämlich Sachen zu sagen, die zwar dem geschlossen applaudierenden Parteivolk ein Röhren der Zustimmung entreißen, die aber gar nicht recht zum erstrebten Image der vollzogenen Läuterung passen wollen. So etwa: »In der Politik gibt es keine Schuld, die gibt es nur im Privatrecht.«

Wenn Friedrich Thielen dergleichen gesagt hat, dann hält er inne und zieht ein Gesicht, als habe er soeben mit trutzigem Mut ein Pfefferkorn zerbissen. Bitternis befällt ihn: »Wenn in einem Volk nicht mehr die Frau und Mutter das weibliche Ideal ist, sondern die Dirne, dann frage ich mich, woher die Regierung den Mut nimmt zu behaupten, daß dieser Staat nach christlichen Grundsätzen geführt wird.«

Freilich ist er damit dem Geist der NPD-Truppe, der sich im Souterrain der nationalen Gefühle gegen welsche Überfremdung, Gammler und Sexwelle zusammenbraut, immer noch näher als Bubi von Thadden mit seinen taktisch gemeinten und stets ein wenig zu arrogant vorgetragenen Appellen an den politischen Verstand.

Zwar gab der Karlsruher Parteitag dem »Player's« rauchenden Bubi bei der Wahl zu Thielens Stellvertreter mehr Stimmen als diesem. Doch das lag bloß am Durst der 150 Kameraden, die zur Zeit von Thielens Wahl im »Biertunnel« statt auf ihren Plätzen saßen.

Hundertprozentig zufrieden war Adolf von Thadden in Karlsruhe deshalb auch nur mit den Demonstranten gegen seine Partei. Nahmen diese die NPD doch so von Herzen ernst, daß sie schon durch das bloße Erscheinen der - durchaus legalen - Partei dazu provoziert wurden, sich selber ins Unrecht zu setzen.

Die von Gewerkschaftsfäusten betrommelten NPDAutos, die im Karlsruher »Park-Hotel« geheimnisvoll verlorengegangenen Zimmerbestellungen der NPD - dergleichen Hiobsbotschaften ließen die Herren des Parteivorstandes mit weher Genugtuung auf der Zunge zergehen. Genau so hätten sie's gern.

Voraussetzung dafür, daß dieses von den wohlimeinenden Verteidigern der Demokratie gratis beigesteuerte Martyrium schließlich eine verschworene Gemeinschaft aus der ansonsten gar nicht so einigen NPD werden läßt, ist freilich das gute Betragen der Parteigenossen.

Deshalb wäre der Gauredner Otto Heß gut beraten, wenn er in die nächste Ausgabe seiner Benimm-Fibel für Rechtsradikale die Vorschrift aufnehmen würde, daß es für alte Kameraden unziemlich sei, in der Öffentlichkeit den Rock auszuziehen.

Denn als ein solcher Kamerad in der schwülen Schwarzwaldhalle sein Jackett über einen freien Stuhl hängte, klappte das frontal mit dem rechteckigen NPDAbzeichen verzierte Revers um und ließ auf seiner Rückseite ein zweites Parteiabzeichen sehen.

Es war das Abzeichen der NSDAP.

NPD-Delegierter, NSDAP-Abzeichen: Bleibt sauber, Kameraden

Hermann Schreiber

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