Bundeswehr »HINTER MIR WURDE BOMBARDIERT«
SPIEGEL: Herr Steiner, Sie haben bei 198 Einsätzen mit der »Transall« 2270 Tonnen Versorgungsgüter nach Biafra geflogen. Das ist bei weitem die größte Menge, die von einer der beteiligten Frachtmaschinen geschafft wurde. Waren Sie mit dem Flugzeug zufrieden?
STEINER: Mit der »Transall« waren wir sehr zufrieden. Sie hat ihre Arbeit geleistet und war den Anforderungen absolut gewachsen. Wir haben eine Statistik geführt, und danach gab es sehr wenig Ausfälle.
SPIEGEL: Wie beurteilen Sie als Pilot die »Transall«?
STEINER: Sie ist gut zu fliegen, sie reagiert sehr gut, die Instrumentierung ist absolut modern, wie in einem modernen Jet.
SPIEGEL: Sie sind mit Ihrer Besatzung nachts nach Biafra geflogen, während nigerianische Flugzeuge in der Nähe Ihres Landegebietes in der Luft waren?
STEINER: Wir sind nur nachts geflogen, nie am Tag. Wir sind am späten Nachmittag gestartet, aber wir haben die nigerianische Grenze immer bei Nacht passiert. Und gelandet sind wir nur bei Dunkelheit, Leider haben wir zuweilen die Erfahrung gemacht, daß nigerianische Bomber und neuerdings auch Migs in der Nähe des Flugplatzes darauf lauern, ob ein Flugzeug kommt. Sobald sie hören, daß ein Flugzeug Im Landeanflug ist, setzen sie sich hinter die Maschine und warten, bis sie auf der Piste aufgesetzt hat. Dann bombardieren sie die Piste und wenn möglich auch das Flugzeug. Bei einigen unserer Anflüge beobachtete der Kontrollturm des biafranischen Flughafens Uli, daß ein zweites Flugzeug im Abstand von ungefähr zwei Kilometern hinter uns war. Dann bekamen wir Befehl, sofort durchzustarten und in die Wartezone zurückzugehen.
SPIEGEL: Aber später, im Licht der Landebahnbefeuerung, gaben Sie dann ein gutes Ziel ab?
STEINER: Natürlich brauchen wir, um auf dieser nur 21 Meter breiten Bahn zu landen, eine Landebahnbefeuerung. Aber die Piste wird nur 30 Sekunden vor der Landung beleuchtet, für die letzte Aktion, die letzte Korrektur. Sofort nach dem Aufsetzen wird das Licht wieder ausgelöscht. Auch unsere Scheinwerfer löschen wir so schnell wie möglich und rollen mit Taschenlampen aus. Der Kopilot öffnet das Fenster und leuchtet. Wenn jemand im Anflug ist, kann er eine Taschenlampe nicht sehen.
SPIEGEL: Die Landescheinwerfer haben aber doch obendrein einen Konstruktionsfehler: Sie sind so eingebaut, daß man sie von oben sehen kann.
STEINER: Das ist wahr, man kann sie nach oben höchst selten abschirmen. Wir schalten natürlich unsere Landescheinwerfer sehr spät ein, denn das verrät unsere Flugrichtung den feindlichen Piloten, die uns dann mit genauem Vorhalt entweder beschießen oder bombardieren könnten. Die Gelegenheit wollen wir ihnen nicht geben und schalten deshalb die Scheinwerfer erst 20, vielleicht sogar nur 15 Sekunden vor der Landung an. Sobald wir aufgesetzt haben, stellen wir eine Lampe sofort flach, so daß sie nicht mehr die Richtung, wohl aber eine Fläche beleuchtet. Als Militärpilot weiß ich ganz genau, daß man auf eine Fläche, die sich bewegt, nicht zielen kann. Man hat absolut keine Vorhaltemöglichkeit. Diese Taktik beim Rollen hat sich sehr gut bewährt. Wenn ein fremdes Flugzeug da war, hat das natürlich irgend etwas bombardiert. Aber das ging in den Busch, 300 Meter neben uns.
SPIEGEL: Sind Sie eigentlich nie mit zielsuchenden Raketen beschossen worden?
STEINER: Ich habe alles erlebt, Raketen, Bomben, Leuchtbomben, Bordwaffen. Aus einer Höhe von rund 300, 400 Meter haben sie uns mit Maschinengewehren beschossen.
SPIEGEL: Während Sie auf dem Flugplatz von Uli standen?
STEINER: Ja. In der Luft wurden wir nie von Raketen beschossen. Nie. Einmal bin ich in der Luft von hinten attackiert worden. Da konnte ich gerade noch wegfliegen, das Flugzeug hat hinter mir seine Bomben auf den Flugplatz geworfen. Ein anderes Mal war beim Landeflug auch ein Bomber hinter mir in Position, der plötzlich einen Leuchtfallschirm abwarf. Ich war fast unten und hätte höchstens noch durchstarten können. Ich habe gedacht, jetzt lieber landen und meine Scheinwerfer und alles löschen, er kann mich nicht erreichen. Das Flugzeug war hell beleuchtet, so bin ich gelandet, und hinter mir wurde bombardiert.
SPIEGEL: Sie sind immer mit einer voll belasteten Maschine nach Biafra geflogen. Hatten Sie auch auf dem Rückflug Ladung an Bord?
STEINER: Auf dem Rückflug hatten wir hier und da eine Ladung. Entweder mußten wir defekte Autos zurückbringen oder leere Kisten, damit wir sie wieder füllen konnten.
SPIEGEL: Haben Sie auch einmal kranke oder unterernährte biafranische Kinder ausgeflogen?
STEINER: Wir haben sehr selten Passagiere geflogen. Zweimal haben wir Emigranten transportiert.
SPIEGEL: In diesen Tagen ist nun auch die letzte provisorische Hauptstadt Umuahia gefallen. Wie lange glauben Sie, daß diese Hilfsflüge überhaupt noch aufrechterhalten werden können?
STEINER: Solange der Flugplatz von Uli brauchbar ist, werden diese Flüge jedenfalls durchgeführt. Wenn der Flugplatz fallen sollte, dann ist das Landen unmöglich, bis eine Abmachung mit den Besatzungstruppen getroffen ist; die Ernährungsfrage ist dann ja auch nicht gelöst. Wenn der Krieg aus ist, wird weiter Nahrungsmittelhilfe notwendig sein. Auch die Krankenhäuser müssen irgendwie versorgt werden. Ob das weiter auf dem Luftweg geschieht oder über Land, kann ich nicht sagen.
SPIEGEL: Herr Steiner, wissen Sie, ob es Pläne für die Errichtung eines anderen biafranischen Flugplatzes gibt, falls Uli erobert wird?
STEINER: Ja, es ist etwa 30 Kilometer von Uli ein zweiter Flugplatz ausgebaut worden. Er war zuletzt fast fertig, aber noch nicht in Gebrauch.
SPIEGEL: Gibt es Überlegungen, die Biafraner auch per Fallschirm zu versorgen, wenn kein Flugplatz mehr brauchbar ist?
STEINER: Ja, wir haben das alles vorbereitet. Mit dem Roten Kreuz haben wir in Santa Isabell das Abwerfen von Palettensystemen geübt. Natürlich geht das nur mit der »Transall«. Wir könnten -- je Palette eine Tonne -- insgesamt neun bis zehn Paletten an bestimmten Orten abwerfen, wenn das notwendig wird. Das ist aber bisher nur ausprobiert worden. Wir haben den Abwurf auf dem Flugplatz geübt, und es gab sehr gute Resultate.