SOWJET-UNION Höchste Ehre
Lejda Awgustowna Pejps, Melkerin auf dem Sowchos »Wiljandi« in Estland, zapfte aus den Eutern von 100 Kühen jährlich 5200 Liter Milch pro Kuh. Sie wurde »Heldin der Sozialistischen Arbeit«.
Nikolai Wassiljewitsch Botschkarjow aus dem Rostower Gebiet fuhr seinen Mähdrescher ununterbrochen 23 Stunden lang. Auch er wurde »Held der Sozialistischen Arbeit«.
Star-Pianist Swjatoslaw Richter und Literat Konstantin Simonow stiegen für ihre künstlerischen Erfolge zu gleicher Würde auf -- in die oberste Elite Rußlands. Über ihnen stehen nur noch die »Helden der Sowjet-Union«.
Etliche Sowjet-Erfolgsmenschen sind mehrfach dekoriert oder tragen -- wie Parteichef Breschnew -- beide Orden. Weltkrieg-II-Marschall Schukow war der bislang einzige vierfache »Held der Sowjet-Union«. Schon den zweifachen »Helden« wird zu Lebzeiten Denkmalsruhm zuteil, In ihrem Geburtsort steht auf bevorzugtem Platz ihre Büste.
Alexej Fjodorow, 74, ehemaliger Partisanengeneral in der Ukraine, heute Minister und Abgeordneter des Obersten Sowjet, ist sogar bereits in einem Kiewer Museum verewigt. Neben einer Büste werden Photographien, Briefe und Kleidung von ihm gezeigt.
Der verunglückte »Held der Sowjet-Union«, Kosmonaut Jurij Gagarin, ist Nationalheiliger geworden. Nach ihm wurden Städte, Straßen und Schulen benannt. Meterhohe Denkmäler schmücken Plätze und Parks in allen Teilen der Sowjet-Union.
»Helden der Sowjet-Union« hat die UdSSR seit 1934, »Helden der Sozialistischen Arbeit« seit 1938. Insgesamt wurden 12 477 Sowjet-Bürger und 24 Ausländer, darunter Fidel Castro und Walter Ulbricht' »Helden der Sowjet-Union«, 17 640 »Helden der Sozialistischen Arbeit«.
Wer die höchsten Orden bekommt, war in der Regel schon vorher mehrmals ausgezeichnet, mit dem »Lenin-Orden« oder dem »Orden des Roten Arbeitsbanners«, hat also schon sein Soll an Gesinnung erfüllt.
Den »Helden« sind dann Tor und Tür im Sowjetstaat geöffnet. Im Obersten Sowjet sitzen 31 »Helden der Sowjet-Union«, 291 »Helden der Sozialistischen Arbeit«.
Mit der Ehre wächst auch der Lebensstandard der Dekorierten -- obschon bares Geld nicht gezahlt wird. Die »Helden« bekommen, ohne warten zu müssen' eine Wohnung im wohnungsarmen Land Sowjet-Union. Sie ist größer und billiger (50 Prozent Ermäßigung) als die normaler Sowjetbürger, denen nur neun Quadratmeter gesetzlich zustehen. Generalleutnant a. D. Matwej Wejnrub etwa, Held der Sowjet-Union, zuletzt Vize-Kommandeur des Wehrbezirks Kiew, bewohnt eine Fünf-Zimmer-Wohnung -- 150 Quadratmeter.·
* Schiffs-Kapitän mit dem Orden »Held der Sowjet-Union« Kolchos-Melkerin mit dem Orden Held der Sozialistischen Arbeit.
Einmal im Jahr können die Ausgezeichneten kostenlos, ob mit Flugzeug, Schiff oder Eisenbahn, an einen beliebigen Ort der Sowjet-Union reisen. Ein Monat Aufenthalt in einem Sanatorium kostet sie keine Kopeke.
In besonderen Ateliers lassen die »Helden« ihre Kleider schneidern, billiger als in jedem anderen Einzelhandelsladen. Alle kommunalen Verkehrsmittel dürfen sie umsonst benutzen. In Geschäften, Kinos und Theatern werden sie bevorzugt bedient. Auf Flughäfen dürfen sie in der normalerweise nur für Abgeordnete des Obersten Sowjet reservierten Lounge sitzen.
Ein nicht dekorierter Sowjet-Pensionär kann eine Rente bis zu maximal 120 Rubel erhalten, ein »Held« bekommt bis zu 200 Rubel. Doch manche »Helden« sind gleicher als andere. Viele von ihnen -- besonders die international renommierten Wissenschaftler, Techniker und Künstler -- haben gar offene Konten: Sie können beliebig viel Geld abheben, verfügen über Westvaluta' haben eigene Stadtwohnungen' Sekretäre und Bedienstete.
Schon bedeutend geringere Einkommen haben die »Helden« Generale oder Kosmonauten. Sie müssen sich durchschnittlich mit 600 Rubel (2100 Mark) im Monat zufriedengeben (Durchschnittslohn in der Sowjet-Union 140 Rubel). Am wenigsten erhalten die »Helden« der Arbeiter- und Bauernklasse: Sie kommen auf ungefähr die Hälfte der Kosmonauten.
»Held« sein ist nicht nur bequem. Es bringt die Pflicht mit sich, fast täglich für mehr Arbeit und bessere Produktion, Planerfüllung und sozialistisches Leben auf Veranstaltungen aller Art zu werben: Während der Feiern zum 30. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland im Mai 1975 waren die Helden monatelang ausgebucht.