INDONESIEN / PROZESSE Höhle der Krokodile
Das Gericht zog sich zum Gebet zurück. »Wir baten Gott um ein Zeichen«, versicherte der Vorsitzende, Oberstleutnant Ali Said, und verkündete das Urteil über Indonesiens ehemaligen Außenminister Dr. med. Subandrio, 52: Tod durch Erschießen.
Regungslos hörte der elegante Javaner ohne Vornamen den Spruch des Militärgerichts. Seine Augen suchten Halt an einem goldgerahmten Bildnis über den fünf Richtern: Dort, an der frisch geweihten Stirnwand des Verhandlungssaales in Djakarta, prangte in schmucker Uniform Indonesiens Präsident Sukarno. Er ist Subandrios bester Freund.
Nur Freund Sukarno kann jetzt noch verhindern, daß Subandrios kometenhafter Aufstieg vom praktischen Arzt zum zweitmächtigsten Mann des Dreitausend-Insel-Reichs vor dem Exekutions-Peloton endet.
Subandrios Karriere gedieh in der Gnade seines Herrn. Als des Präsidenten »Heinzelmännchen« (Sukarno) machte er sich unersetzlich. In langen schlaflosen Nächten, so berichtete Sukarno in einer Autobiographie, rief er seinen Subandrio zu erquickendem Gespräch.
Der von seiner ehrgeizigen Frau angespornte Subandrio, Opportunist mit Linksdrall und besitzbürgerlicher Lebensart, nutzte die Gunst: Er hatte zuletzt ein gutes Dutzend Staatsämter inne, unter anderem war er
- Erster Stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister,
- Chef des Zentralen Nachrichtendienstes und
- Marschall der Luftwaffe.
Nach dem kommunistischen Putschversuch im September letzten Jahres trennten die Militärs um General Suharto das Spitzen-Gespann: Sie entmachteten den Präsidenten, der ihnen zu weit links stand, ließen, ihm aber Rang und Würden. Seinen ultralinken Heinzelmann jedoch warfen sie ins Gefängnis.
Genau auf den Tag ein Jahr nach dem Putsch, der mit der Ermordung von sechs Generalen in der »Höhle der Krokodile«, einem Erdloch in der Nähe von Djakarta, begann, eröffnete das Sondergericht den Subandrio-Prozeß. Anklage: Subandrio sei der »Architekt der alten Ordnung« - so nennen die Indonesier heute die auf Peking ausgerichtete Politik des Sukarno-Regimes. Er habe darüber hinaus vor dem roten Umsturzversuch mit Chinas rotem Premier Tschou En-lai über die Lieferung von 100 000 chinesischen Gewehren für eine Volksmiliz verhandelt und den Staatsstreich aktiv mit vorbereitet.
Subandrio bestritt. Er räumte lediglich ein, daß er damals von Putsch-Gerüchten gehört, den Präsidenten jedoch nicht informiert habe. Begründung: »Ich nahm an, daß der große Bung mit seinen tausend Augen und tausend Ohren ohnehin alles wußte.«
Das glauben noch heute viele Indonesier - erst recht nach dem Subandrio-Prozeß. Jetzt wurde erhärtet, daß Sukarno
- vor dem Putsch den intellektuellen Wunderknaben der Indonesien-KP, Njoto, zur Formulierung seiner Reden heranzog und
- nach dem Putsch eine geheime Korrespondenz mit dem flüchtigen KP -Chef Aidit führte und dessen Ratschlag beherzigte, die roten Umstürzler nicht zu verurteilen.
Dem Militärgericht aber präsentierte sich der Präsident in einer schriftlichen Aussage als ahnungsloser Biedermann: »Ich hatte keine Ahnung von einem Staatsstreich, ich wurde völlig überrumpelt.«
Diese Behauptung, so urteilt die Tageszeitung »Operasi«, lasse nur drei Deutungen zu: »Entweder ist Bung Karno ein Lügner, ein Demagoge oder der größte Schwachkopf Indonesiens.«
Dennoch verzichtete das Gericht darauf, Sukarno zu befragen. Denn Regierungschef Suharto verfolgt eine tüftelige Taktik: Er will Sukarnos »alte Ordnung« und deren Repräsentanten liquidieren; den Revolutionsheros selbst aber, der noch immer viele Anhänger hat, will er schonen.
Auf den geschonten Sukarno setzt Todeskandidat Subandrio seine Hoffnung. Er glaubt, sich die Dankbarkeit seines einstigen Herrn um so mehr verdient zu haben, als er während des Prozesses den Präsidenten deckte. Nur einmal verlor er die Nerven und stammelte unter Tränen: »Ich habe doch nur die Befehle des Präsidenten ausgeführt und seine Politik gemacht.«