PERSONALIEN Horst Ehmke, Herbert Büch, lan Walsworth-Bell, Iwan Odartschenko, Nikolai Alexandrowitsch Bulganin, Walter Sieger
Horst Ehmke, 43, Kanzler-Gehilfe aus dem badischen Freiburg und als Röhndorfer Neubürger »Konrad Adenauer am nächsten« (Ehmke), hat mit seinem Umzug in die Konrad-Adenauer-Straße auch eine Sitte des alten Herrn übernommen: Wie der Altkanzler bringt Ehmke regelmäßig Im Dienstwagen einen Kanister Bonner Trinkwasser mit nach Hause, weil ihm das Rhöndorfer Wasser zu schlecht ist. Herbert Büch,, 56, stellvertretender Generalinspekteur der Bundeswehr, mußte per Anhalter zu einer Tagung In der Bundeswehr-Führungsakademie In Hamburg reisen. Während acht Beamte des Verteidigungsministeriums in einer zur Fuhlsbütteler Lufthansa-Werft beorderten Luftwaffen-Boeing 707 (180 Sitzplätze), Luftwaffen-Inspekteur Johannes Steinhoff zusammen mit einigen anderen Ministeriellen in seinem Dienst-»Jet Star« (sechs Sitzplätze) und das Gros der Teilnehmer in einer propellergetriebenen Bundeswehr-Convair (44 Sitzplätze) in die Hansestadt einflogen, blieb der Dienst-Mercedes von Büchs nördlich von Münster mit einem Motorschaden liegen. Der General, der »aus terminlichen Gründen« mit dem Auto nach Hamburg hatte fahren wollen, fand schnell einen Helfer: Mercedes-Fahrer Karl-Heinz Seidel, Manager von Auslandstourneen des Zirkus Sarrasani, ließ den Militär einsteigen und chauffierte ihn mitsamt Geheimakten bis zum Blankeneser Tagungsort. Büchs revanchierte sich mit einem Abendessen im Kasino der Akademie, das er aus eigener Tasche bezahlte. lan Walsworth-Bell, 48, pensionierter Major der britischen Armee, enthüllte jetzt in einem Sozialprozeß, daß Englands neutrale Militärbeobachter während des Nigeria-Biafra-Kriegs durchaus nicht neutral gewesen sind. Walsworth-Beil war im September vergangenen Jahres von seinem Beobachter-Posten vorzeitig abberufen worden, weil er »gegen seine Anweisungen« verstoßen habe. Vor dem Sozialgericht in Tunbridge Wells bei London erklärte der Ex-Major nunmehr, er habe vom Foreign Office den Geheim-Auftrag erhalten, Nigerias Armee zu unterstützen. Walsworth-Bell: »Ich sollte sie dazu bringen, (den Biafra-Flughafen) zu zerstören. Außerdem habe ich den Nigerianern zahlreiche Vorschläge ausgearbeitet und jeweils Kopien davon an (den Parlamentarischen Unterstaatssekretär im britischen Außenministerium) Maurice Foley geschickt.« Ex-Beobachter Bell, der seine vorzeitige Abberufung als Unrecht empfindet, klagt jetzt auf Nachzahlung einer Arbeitslosenunterstützung für zwei Monate in Höhe von 878,40 Mark.
Iwan Odartschenko, 44 (1. Bild M.), ehemaliger Sowjet-Soldat, frischte in Berlin »Erinnerungen aus alter Zeit auf«. 1947 hatte der damalige Wachsoldat in Berlin-Weißensee mit einem Kind auf dem Arm dem sowjetischen Bildhauer Jewgenij Wutschetitsch für die 13 Meter hohe Bronzefigur des sowjetischen Ehrenmals in Berlin-Treptow (r. Bild) Modell gestanden. Ost-Berlins Boulevard-Zeitung »BZ am Abend« (BZA) lud den Sowjet-Veteranen und Meister eines Traktorenteile-Werks in Tambow (Zentralrußland) »auf Anregungen unserer Leser aus Treptow, die den Mann mal kennenlernen wollten« (BZA-Vizechef Hans Preuß), zusammen mit seiner Mutter Darja Dementjewna im Mai für zehn Tage in die DDR-Metropole. Ex-Soldat Odartschenko, der in Ost-Berlin die einzigen militärischen Aufmärsche des gesamten Ostblocks zum »Tag der Arbeit« erleben konnte, zeigte sich begeistert von der Parade, Die Abendzeitung über ihren Besucher; »,Es ist ein schönes Gefühl zu wissen', drängt es ihn zu sagen, »diese Waffen führen deutsche Arbeiter, unsere Waffenbrüder. Wir haben zuverlässige Freunde.« Am Abend nach der Militärparade amüsierte sich BZA-Ehrengast Iwan Odartschenko mit zwei BZA-Volontärinnen beim Volksfest In Friedrichshain. Nikolai Alexandrowitsch Bulganin, 74, ehemaliger Sowjet-Premier, zeigte sich erstmals seit dem Machtantritt Breschnews und Kossygins wieder in der Öffentlichkeit. Während der Beisetzung seiner Landsmännin Polina Molotowa (SPIEGEL 20/1970) -- beide stammen aus Nischnij Nowgorod, heute Gorki -- lehnte der 1958 von Chruschtschow entmachtete Ministerpräsident an einem Baum auf dem Friedhof des Moskauer Klosters Nowodewitschij. Im Schatten des Polina-Ehemannes Molotow war Bulganin einst vom Leiter des Moskauer Kraftwerks zum Stadtoberhaupt der Sowjet-Metropole, zum Verteidigungsminister und schließlich zum Sowjet-Premier aufgestiegen. Im Herbst 1955 hatte er seinem Gast Konrad Adenauer das »Ehrenwort des Marschalls der Sowjet-Union« für die Freilassung deutscher Kriegsgefangener gegeben, wenn Bonn diplomatische Beziehungen zu Moskau aufnehme. Nach seiner Entmachtung zunächst Staatsbankpräsident und dann als Leiter des Volkswirtschaftsrats von Stawropol in die kaukasische Provinz abgeschoben, lebt Bulganin seit 1960 als Staatspensionär in Moskau. Walter Sieger, 45, Haus- und Sportgeschäft-Besitzer In Düren, schreckte seine Mieter. Ein hektographiertes Rundschreiben an Bewohner seiner neun Häuser in Düren beginnt der Vermieter: »Durch die Unfähigkeit des SPD-Wirtschaftsministers Schiller stehen wir mitten In der Inflation!« Sieger schreibt dann von einer Geldentwertung »um ca. 10 bis 12 Prozent« und einer Erhöhung von »Diskont- und Lombardsatz« und schließt: »Als unmittelbare Folge der Unfähigkeit der uns derzeit regierenden SPD-Minister, der Genossen Schiller und Möller unter Gesamtverantwortung des Kanzlers Brandt, muß somit Ihre Miete ... erhöht werden!« Sieger erhöhte um acht bis 18 Prozent. Dem SPIEGEL erklärte er: »Davon ist mir nichts bekannt. Das bin ich nicht. Ich habe nur ein Sportartikel-Geschäft.«