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BAYERN Huber & Huber

aus DER SPIEGEL 41/1964

Ein umfänglicher, bebrillter Staatsanwalt (Referat: Amtsdelikte) mit einigen Semestern Nationalökonomie und spezieller Vorliebe fürs Bergsteigen wird des Landes Bayern neuer Kultusminister - jedenfalls zur Hälfte.

Die andere Hälfte von Dr. jur. Ludwig Huber, 35, behält den Vorsitz der CSUFraktion im Bayrischen Landtag. Am Montag vergangener Woche erklärte sich die Fraktion mit diesem Musterbeispiel exekutiver und legislativer Verquickung einverstanden. Ministerpräsident Goppel atmete auf.

Goppels Fahndung nach einem Kultusressortchef - als Nachfolger für den am 10. Juli zurückgetretenen Theodor Maunz - war lange Zeit glücklos verlaufen. Zunächst hatte sich Goppel einen leibhaftigen Nobelpreisträger gewünscht (SPIEGEL 36/1964). Aber weder der Chemiker Butenandt noch der Physiker Heisenberg waren sonderlich interessiert. Auch andere Professoren, so der Erlanger Historiker Götz von Pölnitz und der Münchner Veterinärchirurg, Huf- und Klauenkundler Melchior Westhues winkten ab.

Unter den Politikern der eigenen Partei (von denen sich nicht wenige zur Maunz-Nachfolge berufen fühlten) konnte sich der Regierungschef nur zwei als Kultusminister vorstellen. Beide teilten ihm unumwunden mit, sie wünschten ihr bisheriges Amt zu behalten - Wirtschaftsminister Otto Schedl im September und Fraktionschef Huber schon im Juli: Alch möchte unter allen Umständen bis zum Ablauf dieser Legislaturperiode Fraktionsvorsitzender bleiben.«

Goppel respektierte diesen Wunsch, zumal Huber die CSU-Fraktion seit 1962 stets flott und im Sinne des Ministerpräsidenten loyal geführt hatte. Die »Zeit« charakterisierte Ludwig Huber so: »Klarer Kopf mit wohlabgewogenen Gedankengängen, nicht brillant, aber weltanschaulich fest fundiert, solide und gleichzeitig beweglich, guter Verhandler und Debatter, kein Narziß.«

Der »klare Kopf« war als Ersatzmann in die Politik gekommen: Urspünglich sollte im Jahre 1958 aus dem Wahlkreis Traunstein ein anderer CSU-Mann in den Landtag einziehen. Doch das Projekt scheiterte, als der SPIEGEL den Kandidaten als ehemaligen SD-Konfidenten vorstellte. In die Lücke sprang der integre Huber.

Kaum ins Parlament eingerückt, organisierte er umsichtig und gewissenhaft römischkatholische Konservative zu einer Art Stammtisch mit logenartigem Charakter, dem Petra-Kreis. Mittelpunkt: der oberbayrische CSU-Vorsitzende Dr. Alois Hundhammer.

Und Hundhammer -Anhänger waren es umgekehrt, die Ludwig Huber sachte vorwärts bugsierten. 1961 kandidierte er bereits für das Amt des stellvertretenden CSUVorsitzenden - er unterlag in der Stichwahl gegen den Strauß-Protege Hans Weiß, der nur sechs Stimmen mehr erhielt. 1963 kandidierte er wiederum - er wurde mit drei Viertel aller Stimmen zum Stellvertreter gewählt.

Im Umgang mit Strauß, gegen den er erstmals bei der Diskussion um eine CSUSatzungsänderung 1960 auftrat (und sich durchsetzte), befleißigte sich Huber einer Sprache, der es an Doppelbödigkeit nicht fehlt. So argumentierte er beispielsweise im Sommer 1962, als der angeschlagene Bundesminister jählings in München Kabinettschef werden wollte: »Ich erwarte, daß Strauß in der Fibag-Affäre völlig rehabilitiert wird. Dann besteht kein Grund, ihn von Bonn wegzuholen.«

Huber war denn auch der einzige Kultusminister-Vorschlag Goppels, den CSU-Chef Strauß nicht akzeptieren wollte. Mit Hubers Absage im Juli schien das Thema auch zunächsterledigt. Aber Woche um Woche verging, ohne daß Goppel einen Maunz-Nachfolger präsentieren konnte. Und nach den Parlamentsferien war der bayrische Regierungschef nach dem Defilee von 16 Kandidaten wieder beim Ausgangspunkt angelangt - bei Ludwig Huber.

Goppel sah sich einem Problem konfrontiert, das partei-intern schon seit langem beklagt wird: Fast immer, wenn ein staatlicher Posten in Bayern besetzt werden muß, mangelt es an geeigneten christsozialen Personlichkeiten. Hubers Vorgänger als CSU-Fraktionschef, Franz Heubl, hatte aus diesem Grunde drei Jahre gleichzeitig auch als Staatssekretär die bayrische Staatskanzlei geleitet - eine Personalunion, die sogar in CSUKreisen kritisiert wurde.

Nun aber mußte Goppel in letzter Not eine ähnliche Konstruktion befürworten: Huber sollte zugleich Kultusminister werden und Fraktionsvorsitzender bleiben.

Es war Franz-Josef Strauß, der ein solches Doppelmandat für unzumutbar hielt. Aber gemeinsam mit Goppel fanden die meisten Abgeordneten der CSU in der letzten Woche, daß Ludwig Huber sich sehr wohl halbieren lasse.

Die Süddeutsche Zeitung« umschrieb die neue politische Konstellation so: »Firma Huber & Huber im Handelsregister der bayrischen Politik.«

Kultusminister Huber, Parteifreund: Halbe-Halbe

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