Kabarettist Florian Scheuba über Ibiza und Corona "Stoff für die nächsten zehn Jahre"
Der Wiener Florian Scheuba, 55, ist preisgekrönter Autor, Schauspieler und Kabarettist. Auf unterschiedlichen Bühnen widmete er sich im vergangenen Jahr der Ibiza-Affäre.
Ein im Mai 2019 von SPIEGEL und "Süddeutscher Zeitung" veröffentlichtes Video löste in Österreich ein politisches Beben aus. Einer der Hauptdarsteller war Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der auf Ibiza beim Feilschen mit einer angeblichen russischen Oligarchennichte gefilmt worden war. Für Florian Scheuba ist der Jahrestag ein Anlass, die versuchte Flurbereinigung der politischen Landschaft in Österreich zu kommentieren.
SPIEGEL: Herr Scheuba, was hat sich durch die Ibiza-Affäre in Österreich verändert?
Scheuba: Mittlerweile ist es fast quer durch alle politischen Lager, außer bei den letzten Hardcore-Fans von Heinz-Christian Strache, Konsens in Österreich, dass man den Verantwortlichen für die Veröffentlichung des Videos ein Denkmal setzen müsste. Alle sagen: Stellt euch vor, wir hätten in der jetzigen Coronakrise einen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, der wahrscheinlich erst einmal eine Razzia in Krankenhäusern machen ließe, um dort rote Netzwerke zu entlarven.
SPIEGEL: Statt der FPÖ regieren nun die Grünen mit. Und schlucken brav die teils drastischen Maßnahmen, die die Konservativen unter Kanzler Sebastian Kurz vorgeschlagen haben.
Scheuba: Tatsächlich sieht man jetzt auch bei Sympathisanten der Grünen erstaunlich autoritäre Gelüste: Leute, die das jetzt ganz toll finden, dass einem der Staat vorschreibt, was man alles darf und was nicht. Eine gewisse Unterwerfungslust hat sich da verbreitet.

Ex-FPÖ-Chef Strache will nun in Wien regieren
Foto: Herbert Neubauer/ dpaSPIEGEL: Der über das Ibiza-Video gestürzte Ex-FPÖ-Chef Strache tritt zur Wien-Wahl im Herbst als Spitzenkandidat einer neuen Partei an und verkauft sich als "Hüter der Verfassung". Kann man sich als Satiriker Schöneres wünschen?
Scheuba: Nein. Aber ich bin vor allem euphorisch wegen der politischen Nachwirkungen des Videos. Wie schon der FPÖ-Veteran Andreas Mölzer sagte, wird uns allein das beschlagnahmte Handy von Strache spannenden Stoff für die nächsten zehn Jahre liefern.
SPIEGEL: Belastendes Material - aber nur über die FPÖ?
Scheuba: Ganz sicher nicht. Die Aufarbeitung beginnt ja, immer interessanter zu werden. Vor allem in Bezug auf den Glücksspielkonzern Novomatic, über den Strache im Video sagt "Die Novomatic zahlt an alle" - das heißt: an die drei großen Parteien, also auch an Konservative und Sozialdemokraten. Man sieht jetzt, wie Österreich regelrecht infiltriert war von diesem Konzern, der auch in Deutschland interessante Aktivitäten verfolgt.
SPIEGEL: Auch gegen zwei ehemalige Finanzminister aus der Kanzlerpartei ÖVP wird in dieser Sache ermittelt. Gefährlich für Sebastian Kurz, der vor dem am 4. Juni beginnenden Untersuchungsausschuss aussagen soll?
Scheuba: Na ja, der Ex-Finanzminister Löger ist sehr eng mit Kurz, und die Schiene, die der Kanzler bisher fuhr, nach dem Motto "Ich hab das alles nicht mitbekommen", wird sich anhand der vorliegenden Chat-Protokolle schwer durchhalten lassen.
SPIEGEL: Ist Korruption in Österreich lagerübergreifend verbreitet?
Scheuba: Ein bisschen differenzieren muss man schon. Die größte Freude, die man einem Verbrecher machen kann, ist zu sagen, dass alle Verbrecher sind. Die Grünen und die Neos zum Beispiel sind da schuldlos. Und die FPÖ ist zweifellos die Partei mit der höchsten Korruptionskompetenz. Schon vor 20 Jahren, als sie an der Regierung waren, herrschte da so eine Glücksrittermentalität nach dem Motto, da müssen wir jetzt zuschlagen.
SPIEGEL: Ist die Republik nach Ibiza eine andere geworden?
Scheuba: Im Kern natürlich nicht. Es ist jetzt nicht plötzlich überall der Anstand ausgebrochen, aber es hat sich etwas bewegt. Die FPÖ in Wien ist von 30 auf 8 Prozent abgesunken.
SPIEGEL: Straches Spesenaffäre hat der FPÖ letztendlich mehr geschadet als die Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Was sagt das über Österreich aus?
Scheuba: Bei den FPÖ-Anhängern hat nach dem Ibiza-Video noch der Spin verfangen, dass es diese Praktiken doch bei allen Parteien so gibt. Bei der Spesengeschichte hat das nicht mehr geklappt. Weil da ganz Banales zutage kam, nämlich dass Strache sich als Kämpfer für den kleinen Mann ausgab und privat im Luxus lebte.
SPIEGEL: Ist Österreich jetzt immunisiert gegen Rechtspopulismus?
Scheuba: Sogar die mächtige Kronen Zeitung hat ja nach dem Video mit den Freiheitlichen gebrochen. Aber das kann in einem Jahr schon wieder alles anders sein.
SPIEGEL: Hohe Arbeitslosigkeit bringt redegewandte Rattenfänger zurück auf die Bühne?
Scheuba: Gut möglich. Es findet ja schon jetzt eine Renationalisierung statt. Dieses ganze Gerede, dass es bei uns in Österreich trotz Krise noch so gut geht und unsere Corona-Zahlen so niedrig sind - da wird übersehen, dass wir die anderen Länder in Europa als Partner brauchen.
SPIEGEL: Sind Sie persönlich mit Ibiza durch?
Scheuba: Nein, es soll noch einen Film zum Thema geben. Jan Böhmermann und David Schalko haben mich eingeladen, mitzumachen.