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IBM: »Der Elefant lernt Spitzentanz«

Nur noch eine Frage der Zeit ist es, bis die amerikanische Computerfirma IBM den Platz des weltgrößten Unternehmens einnimmt. In ihrer Branche, der Zukunftsindustrie schlechthin, beherrscht IBM das Geschäft schon jetzt so unangefochten, wie noch nie zuvor ein einzelnes Unternehmen irgendwo dominiert hat. Allein der Jahresgewinn des Computer-Multis ist etwa so hoch wie der gesamte Umsatz des Branchen-Zweiten. *
aus DER SPIEGEL 5/1986

Die Nachricht stand auf der ersten Seite, »International Business Machines, der 60-Milliarden-Dollar-Computer-Gigant, hat gestern die Produktion aller Produkte beendet und seine Tore geschlossen.«

»Es hat einfach keinen Spaß mehr gemacht«, zitierte der Bericht aus Armonk bei New York, dem Hauptquartier der IBM, die Stimmung beim größten Computer-Hersteller der Welt. »Unsere Produkte haben sich einfach zu gut verkauft. Wir brauchten nur unseren Namen auf die Geräte zu schreiben und die Leute griffen zu.«

Bei den wenigen noch verbliebenen Konkurrenten herrschte, als die Nachricht vom Ende der IBM umging, teils Ratlosigkeit, teils Jubel. »Wen sollen wir jetzt bloß kopieren?« hieß es bei Amdahl im Silicon Valley. Die Firma Honeywell verglich den Rückzug der IBM mit der Sklavenbefreiung und gab allen Mitarbeitern einen Tag frei.

US-Präsident Ronald Reagan, so wußte der Korrespondent, brach bei der Meldung in Tränen aus: »Ich hab'' den großen blauen Hornochsen geliebt.«

Die Nachricht war natürlich unrichtig. Der Bericht aus Armonk zierte als Aufmacher die erste Nummer einer Wochenzeitung mit dem Titel »Confuserworld« - eine Parodie auf das führende Fachblatt der amerikanischen Datenverarbeiter, »Computerworld«.

Der Scherz-Artikel kam der Realität allerdings ziemlich nahe. Die Computer mit den drei Buchstaben IBM verkaufen sich fast wie von selbst. Die Konkurrenten leiden schwer unter der allmächtigen »Mother Blue«, wie IBM in der Branche nach der Lieblingsfarbe des Konzerns, dem Blau, heißt.

Nur eines war an dem fingierten Zeitungs-Bericht ganz und gar unglaubwürdig: Nie und nimmer würde IBM den Spaß am Geschäft verlieren und zumachen.

Im Gegenteil. Die Firma setzt an zu einem Sprung nach vorn, der ohne Beispiel in der Industriegeschichte ist: In wenigen Jahren wird IBM das größte Unternehmen der Welt sein.

Nur scheinbar bescheiden klingt das strategische Ziel, das Anfang dieses Jahrzehnts der damalige oberste IBMer John R. Opel seinen Mitarbeitern setzte: den Umsatz mindestens so zu steigern wie der Durchschnitt der Datenverarbeitungs-Branche.

Mindestens. Das sind jährlich etwa 15 Prozent mehr. Kein anderer großer Industriezweig kann in diesem Flauten-Jahrzehnt solche Wachstumsraten vorweisen. Die IBMer haben ihr Soll fast immer erfüllt - und oft noch mehr. 1985 machte der Konzern einen Umsatz von über 50 Milliarden Dollar.

Hält dies Wachstums-Tempo an, dann ist IBM 1990 eine 100-Milliarden-Dollar-Company. Und für 1995 ist ein Umsatz von 200 Milliarden Dollar ins Auge gefaßt. Unaufhörlich arbeitet sich IBM in der Rangliste der weltgrößten Firmen nach vorne; zuletzt war Platz acht erreicht. Vor dem Computer-Konzern liegen, am Umsatz gemessen, nur noch ein paar alte Giganten aus fast stagnierenden Branchen, so der Öl-Multi Exxon, noch Nummer 1, und der Auto-Konzern General Motors. Zweifel sind kaum möglich: IBM ist auf der Überholspur zur Spitze.

Schon jetzt hat der Computer-Riese alle anderen Firmen dieser Welt mit der Höhe seines Gewinns überrundet: 6,6 Milliarden Dollar waren es letztes Jahr - über 13 Prozent vom Umsatz, oder, bemerkenswerter noch, fast 25 Prozent Gewinn auf das Eigenkapital. John F. Akers, Opels Nachfolger als IBM-Chef,

findet bei anderen Unternehmen schon keine Vergleichsmaßstäbe für seine ehrgeizigen Pläne mehr: Er will die »IBM reicher machen als Australien und Neuseeland zusammen«.

So außergewöhnlich allein schon diese schiere Größe ist - sie sagt wenig über das Einzigartige des Phänomens IBM.

Noch nie hat eine einzige Firma so lange weltweit einen Markt von so weitreichender Bedeutung nahezu allein beherrscht wie IBM die Branche der elektronischen Informations-Industrie. Die Eisenbahn-Magnaten des Frühkapitalismus

- was für Provinzler. Die einstige United Fruit Company mit ihren Bananen - lächerliche Krämer. Die scheinbar so mächtigen Öl-Multis - hilflos am Tropf der Opec.

In großen Branchen wie der Auto-Industrie teilen sich eine Handvoll etwa gleich starker Konzerne das Geschäft. Nur bei den Computern gibt es eine Nummer Eins - und dann lange, lange gar nichts. Allein der Gewinn der IBM etwa so groß wie der ganze Umsatz des zweiten der Branche, der Digital Equipment Corporation (6,7 Milliarden Dollar). Der IBM-Umsatz ist so groß wie die Erlöse der 14 nachfolgenden Firmen in der Computer-Industrie.

Der Abstand wird eher größer als kleiner. Vor allem in Amerika florierte im vorigen Jahr das Computergeschäft nicht wie gewohnt. Manchem IBM-Verfolger - Apple zum Beispiel - bescherte die Flaute Verlustzahlen; bei IBM führte die Marktschwäche nur zu leichten Gewinnrückgängen.

Bei den Großrechnern, bisher das Rückgrat der Datenverarbeitung, hat IBM weltweit nahezu ein Monopol: Über 70 Prozent aller »Mainframes« dieser Erde kommen aus den Fabriken der IBM.

Die wirkliche Marktmacht des US-Konzerns zeigt diese Zahl noch lange nicht. Denn unter den Firmen, die sich den Rest dieses Marktes teilen, sind noch etliche auf Gedeih und Verderb von den Computer-Standards abhängig, die der Marktführer setzt. Sie bauen IBM-kompatible Rechner, also Computer, die für IBM-Maschinen entwickelte Programme verarbeiten können. Diese Kopisten eingerechnet, erhöht sich der Anteil der IBM-Welt bei den Mainframes auf über 80 Prozent.

Einige Zeit hatte es den Anschein, als würde der Gigant der Großrechnerei seinen Konkurrenten wenigstens neu entstehende Bereiche der Informations-Industrie überlassen. Den Boom der Personal-Computer (PC), der kleinen Rechner für den Schreibtisch, schien IBM zu verschlafen.

»Willkommen, IBM«, begrüßte Apple Computer, die Star-Firma der frühen PC-Zeit, den vermeintlichen Spät-Aufsteher 1981 voller Hohn in Großanzeigen. Inzwischen hat IBM auch bei den Kleinrechnern alle anderen Firmen abgehängt. Die Firma wird dieses Jahr etwa 50 Prozent des Weltmarkts erobern und setzt auch hier - wie bei den Groß-Computern - die Standards, denen der überwiegende Rest der Branche folgt.

Nur im Bereich der mittelgroßen Rechner, eine Domäne von Firmen wie Digital Equipment oder des deutschen Nixdorf, war der Riese bisher nicht so erfolgreich. Doch der Druck auf die Konkurrenten nimmt spürbar zu. Mitte der neunziger Jahre, wenn der IBM-Umsatz die magische Grenze von 200 Milliarden Dollar erreicht, werden die Manager aus Armonk nach Meinung vieler Experten alle Teilbereiche der Computerei beherrschen.

Erik Hargesheimer, Deutschland-Chef der Marktforschungsfirma IDC, glaubt, daß IBM bis dahin seinen Marktanteil bei den Großrechnern auf 90 Prozent ausgedehnt hat. Bei den mittleren Systemen erwartet Hargesheimer einen gewaltigen Sprung vorwärts auf 70 Prozent des Geschäfts; bei den Personal Computern hält er einen IBM-Anteil von 60 bis 70 Prozent für wahrscheinlich.

George Orwell, scheint es, hat sich verrechnet. Nicht 1984, sondern 1994 wird das Jahr des Großen Bruders. »Big Blue« ist sein Name: IBM.

Bis dahin ist IBM nicht nur der Welt größte Firma. Die von ihr beherrschte Computer-Branche, so weiß IBM-Chef Akers, ist dann auch »aller Wahrscheinlichkeit nach die größte Branche der Welt«. Und wie kein anderer Wirtschaftszweig zuvor übernimmt diese neue Großindustrie die Leitfunktion für nahezu alle anderen Branchen.

Computer werden allgegenwärtig. Dieses Jahr, so weist eine von IBM verbreitete Schätzung aus, gibt es auf der ganzen Welt 20 Millionen Rechner aller Art. Ende dieses Jahrzehnts sollen es 50 Millionen sein. Branche für Branche lernt um auf die Sprache der Computer. Eine herkömmliche Technik nach der anderen wird auf das digitale Prinzip der Computer-Technologie gepolt - Ein oder Aus. Eins oder Null.

Über die Hälfte aller im Büro beschäftigten Amerikaner arbeiten schon jetzt zumindest zeitweise an Computer-Bildschirmen. Bis zum Jahr 2000 wird kaum ein Erwerbstätiger in den westlichen Industrieländern am Computer vorbeikommen.

Längst sind dies keine banalen Zählmaschinen mehr. In den Büros setzen die elektronischen Maschinen aus Textbausteinen und Adressenlisten scheinbar individuelle Briefe zusammen. In den Fabriken steuern sie die Roboter-Straßen. In den Entwicklungsabteilungen entwerfen die Ingenieure am Bildschirm die Produkte der Zukunft.

Datenbanken speichern Geheimes wie Triviales. » Expertensysteme« geben Ärzten Diagnosehilfe oder versehen Öl-Exploratoren mit Ratschlägen. Diesen SPIEGEL-Text, nebenbei, hat auch ein Computer gesetzt.

Immer mehr werden Computer zu dem, für das sie der Volksmund schon immer hielt: Elektronen-Gehirne - ein Begriff, den IBM-Verkäufer seit der Frühzeit der Rechner aus ihrem Sprachschatz streichen mußten, weil der Konzern die negativen Assoziationen dieser Bezeichnung fürchtete.

Computer machen Angst: vor Arbeitslosigkeit durch Rationalisierung, vor Kontrolle durch totale Datenerfassung. Angst, den Anforderungen der neuen Technik nicht gewachsen zu sein. Oder Angst, ein Computer-Irrtum könnte den letzten Weltkrieg auslösen.

Computer machen Hoffnung: auf einen Wachstumsschub für die erlahmenden Industrienationen, auf Entlastung von stupiden Arbeiten, auf bessere Informationen für eine bessere Welt.

Gewiß ist: Einer zweiten industriellen Revolution gleich, verändert die computerisierte Informationstechnik Wirtschaft und Gesellschaft tiefgreifend.

Und keine andere Macht der Welt hat soviel Einfluß auf diese Entwicklung wie eine kleine Gruppe von Managern in der Old Orchard Road in Armonk, im US-Staat New York - dem Hauptquartier von IBM.

Das oberste Organ des Konzerns, der Board of Directors, ist eine erlesene Versammlung von Macht und Milliarden. In dem Gremium - eine Mischung aus Aufsichtsrat und Unternehmens-Vorstand - finden sich als externe Mitglieder ein ehemaliger US-Justizminister, Nicholas de B. Katzenbach, ein Ex-Botschafter der USA, William W. Scranton, und ein Ex-Außenminister Cyrus R. Vance. Im IBM-Board sitzt der Präsident der Rockefeller-Stiftung und der Chef des Medienkonzerns Time Inc. Vertreten ist auch einer der politisch einflußreichsten Unternehmer der Vereinigten Staaten, Stephen D. Bechtel jr., dessen Baufirma mehrere Mitglieder der Reagan-Regierung beherbergte.

An der Spitze der Firma steht, als »Chief Executive Officer«, seit dem vergangenen Jahr John Fellows Akers, 51. Der Mann mit »einer Hand aus Stahl in einem Samthandschuh«, wie IBM-Kollegen sagen, hat eine mustergültige Konzern-Karriere hinter sich. In 25 Jahren diente er sich vom einfachen Computer-Verkäufer bis nach ganz oben hoch. Er ist, wie es dem Brauch der Firma entspricht, ein reines IBM Produkt: Bis auf seine Wehrdienstzeit als Frachtpilot der US-Marine verbrachte Akers sein ganzes Berufsleben in der »Company«.

Und wenn es weiter nach den Regeln des Unternehmens geht, wird Akers auf diesem Posten bis zu seinem sechzigsten Lebensjahr bleiben, der Altersgrenze für aktive IBM-Manager.

Akers wird dann eine reichlich veränderte IBM verlassen. Das Geschäft mit den Computern ist im Umbruch wie nie zuvor. »Das Wort Veränderung ist eine ziemlich zahme Beschreibung für das, was die meisten von uns erleben«, erklärte Akers letztes Jahr einer Versammlung amerikanischer Marketing-Experten, »ein genaueres Wort wäre Chaos.«

Der Markt der Informations-Industrie ändert sich heute so schnell weiß der IBM-Chef, daß »eine Firma die morgens unser Kunde ist, am Nachmittag wahrscheinlich zu unserem Konkurrenten geworden ist und, bevor es Abend wird, unser Partner in einem Gemeinschafts-Unternehmen«.

Der blaue Riese hat in letzter Zeit auf die Veränderungen des Marktes oft schwerfällig und langsam reagiert, räumt Akers ein. Doch damit soll es jetzt vorbei sein. »Wenn das zu lange so weiter gegangen wäre, hätte unser Erfolg in der Vergangenheit leicht unser schlimmster Feind werden können.«

Eine »Aura der Unbesiegbarkeit« wie der britische »Economist« meinte, umgab »die erfolgreichste Firma der Welt« ("Business Week"). Bei Umfragen unter US-Managern nach den am meisten bewunderten Unternehmen belegt IBM regelmäßig Spitzenplätze. Zahllose Manager, oft ehemalige IBMer, versuchten die von »Mother Blue« ausgeklügelten Organisationsformen zu kopieren. Für den Chef der größten Software-Firma, John Imlay jr. von MSA, ist IBM »einfach das am besten geführte Unternehmen der amerikanischen Geschichte«.

Das mag sogar stimmen. Doch der beispiellose Aufstieg zum mächtigsten Computer-Konzern der Welt ist nicht nur ein Werk lehrbuchreifer Management-Technik. In der Erfolgsstory finden sich auch viele dunkle Flecken: Ohne Skrupel ersann IBM stets neue, nicht immer legale Tricks. Sie hatten nur ein Ziel: die Konkurrenz auszuschalten und der Company die ungestörte Herrschaft auf ihrem Markt zu sichern.

Die ersten vierzig Jahre der IBM-Geschichte bestimmte ein Mann, der sein Geschäft noch in der Wild-West-Epoche des amerikanischen Kapitalismus gelernt hatte. Thomas John Watson, 1874 in einem abgelegenen Farmhaus des US-Staates New York geboren, kam aus einer Holzfäller-Familie schottischirischer Abstammung. Tom war eher schmächtig und schüchtern. Nach einem Kurs auf der Handelsschule versuchte er sich kurz als Buchhalter, doch dann entdeckte er sein Talent: Er konnte verkaufen.

Mit einer Pferdekutsche zog er über Land. Watson überzeugte die fleißigen und frommen Farmer, daß sie unbedingt eine Nähmaschine, eine Kleinorgel oder ein Klavier brauchten. Doch so richtig entfalten konnte der junge Watson seine Gaben erst als Reisender der National Cash Register Company (NCR).

Bei der Ladenkassen Firma lernte er alles kennen, was er später bei IBM zur Perfektion trieb: die akribisch geplante Verkaufstaktik - vom handbuchgemäßen Kundengespräch bis zur ordnungsgemäßen

Kleidung. Und er lernte die hohe Kunst, den Markt zu monopolisieren.

Watsons Vorbild, der NCR-Boß John Henry Patterson, schaltete Konkurrenten rücksichtslos aus. Sein Monopol bei den Ladenkassen störten nur noch unabhängige Händler, die mit billigen Gebrauchtmaschinen das von NCR diktierte Preisniveau unterliefen. Auf Pattersons Geheiß, gründete sein erfolgreicher Verkäufer Watson eine scheinbar von NCR unabhängige Firma und trieb von Stadt zu Stadt die lästigen Wettbewerber mit Preisunterbietungen und Einschüchterungen in den Ruin.

Erst der Tip eines enttäuschten NCR-Mitarbeiters brachte die Anti-Trust-Behörde auf die Spur. Patterson und sein getreuer Gehilfe Watson wurden wegen »verbrecherischen Komplotts, Ausschaltung des freien Handels und Aufrechterhaltung eines Monopols« zu einem Jahr Gefängnis und zu Geldstrafen verurteilt.

Was er bei NCR gelernt hatte, konnte Watson ab 1914 bei seinem neuen Arbeitgeber ausprobieren, bei der Computing Tabulating Recording Company (CTR). Es war die Firma, die ab 1924 unter dem Namen IBM bekannt wurde.

CTR baute Lochkarten-Zählmaschinen nach dem Prinzip des deutschstämmigen Erfinders Hermann Hollerith. Der als Unternehmer glücklose Ingenieur hatte seine Anteile 1911 an Charles R. Flint, einen schillernden Kapitalisten, verkaufen müssen.

Flint war ein unverhohlener Verfechter der privaten Monopole. Watson schaffte es, die Firma seines Meisters ziemlich nahe an dieses gewinnverheißende Ideal heranzubringen. In den dreißiger Jahren hatte IBM bei den Lochkarten-Geräten einen Marktanteil von rund 85 Prozent.

Das Monopol bei den Hollerith-Maschinen erwies sich als die entscheidende Grundlage für den Aufstieg der IBM zum marktbeherrschenden Computer-Hersteller. Damals, in den Dreißigern, löste das soziale Wohlfahrtsprogramm, mit dem Präsident Franklin D. Roosevelt die Depression überwand, eine kräftige Nachfrage nach den Lochkarten-Geräten aus. Regierung, Versicherungen, Banken, Großfirmen konnten die Sozial-Bürokratie nur noch maschinell bewältigen.

IBM war mit seinen Lochkarten-Geräten genau bei jenen Kunden im Geschäft, die dann in den fünfziger Jahren als Abnehmer für elektronische Großrechner in Frage kamen. Diesen Vorsprung konnte kein anderer Computer-Hersteller mehr aufholen - obwohl mit der neuen Technik das alte, patentgesicherte Monopol zunächst überwunden schien.

Den ersten kommerziell einsetzbaren Elektronen-Rechner, den Univac, brachte 1951 nicht IBM auf den Markt, sondern die viel kleinere Firma Remington Rand. Die Entwickler des Univac, John Presper Eckert und John William Mauchly, die 1946 mit einem Gerät namens Eniac den ersten Elektronen-Rechner überhaupt gebaut hatten, waren von IBM abgewiesen worden.

Watson hatte die Einführung der Elektronen-Rechner hinausgezögert. Das Gespür für den Markt hatte dem IBM-Präsidenten gesagt, daß seine Kunden in den Verwaltungen von Regierung und Großunternehmen von der neuen Technik zunächst eher verunsichert würden. Remington-Rand sollte voranmarschieren.

Diese Taktik war auch später noch häufig erfolgreich. Die vorwitzigen Konkurrenten mochten nur vorpreschen, den Markt testen, die teure Einführungs-Propaganda für neue Produkte bezahlen und die Prügel für die Kinderkrankheiten beziehen. Wenn danach alles nach einem sicheren Geschäft aussah, erschien IBM mit der ganzen Macht seiner Verkaufstruppen auf dem Plan und setzte sich an die Spitze der Bewegung.

Watsons vorsichtige Methode führte das IBM-Monopol sicher durch die riskante Phase des technologischen Umbruchs. 1953, zwei Jahre nach dem Univac des kleinen Konkurrenten, brachte IBM seinen ersten Elektronen-Rechner für kommerzielle Anwendungen auf den Markt. 1956 hatte die Firma 85 Prozent des US-Geschäfts mit Computern erobert; so hoch war auch der Anteil beim Lochkartengeschäft.

Für den gelehrigen Schüler von Patterson und Flint war diese marktbeherrschende Stellung nichts Anstößiges. Den überdurchschnittlichen Gewinn, den das Fast-Monopol einbringt, betrachtete Watson stets als gerechten Lohn tüchtigen Unternehmertums.

Doch in einem Punkt unterschied er sich vom behäbigen Verhalten eines typischen Monopolisten: Der IBM-Präsident sah sich ständig von einer- meistens gar nicht vorhandenen - Konkurrenz verfolgt. Schon geringe Abweichungen nach unten bei den hochgesteckten Absatz-Zielen der Firma lösen panische Ängste in den Führungskreisen aus - heute noch wie zu Watsons Zeiten.

Die fast paranoide Angst vor der Konkurrenz sorgte dafür, daß IBM trotz des bequemen Monopols flexibel auf Veränderungen von Markt und Technik reagierte - und so seine Position über technologische Revolutionen und weltwirtschaftliche Katastrophen hinweg bewahren konnte.

Ein ausgetüfteltes System, das in modernisierter Form bis heute besteht, bewirkte, daß auch Watsons Untergebene rackerten, als würden gnadenlose Wettbewerber

die Firma gerade in den Ruin treiben.

Die Vertriebsbeauftragten, wie die Computer-Verkäufer im IBM-Jargon heißen, erhalten zu Jahresanfang ein Absatz-Soll als Vorgabe. Diese »Quote« wird nach einem komplizierten Hin-und-Her-Gerechne von der Firmenspitze bis zum letzten Verkäufer und wieder zurück ermittelt. Das Grunddatum, von dem alle anderen Zahlen abgeleitet werden, ist der geplante Gewinn. Der soll, wenn irgend möglich, jährlich um die 15 Prozent steigen.

Da die Preise für die Computer-Leistung gewöhnlich von Jahr zu Jahr sinken, resultieren aus den Steigerungsraten der Gewinnplanung meistens noch weit höhere Vorgaben für das Wachstum der zu verkaufenden Stückzahlen. Die Quote läßt den IBMer denn auch erst mal fast verzweifeln.

»Ich habe Leute erlebt, die sind schreiend aus ihrer Quotenverhandlung herausgerannt«, erinnert sich der ehemalige IBM-Vertriebsbeauftragte Volkhart Erdelbrock, »aber bevor sie ihren Beschwerdebrief aufgesetzt hatten, hatten sie ihren ersten Abschluß in der Tasche.«

Ein guter IBM-Verkäufer wartet nicht, bis sein Kunde selber einen neuen Computer für nötig hält. Die Vertriebsbeauftragten suchen die Verwaltung des Klienten systematisch nach Aufgaben ab, die zusätzlich vom Rechner übernommen werden können. Der Leiter der Datenverarbeitung, oft sowieso ein ehemaliger IBMer, greift die Ideen gern auf, sie erweitern schließlich seinen Machtbereich. Der Auftrag folgt dann fast von selbst.

Ein erfolgreicher Verkäufer kommt bei IBM durchaus auf seine Kosten. Wer seine Quote erfüllt - im Schnitt erreichen zwei Drittel der Vertriebsbeauftragten das Soll -, verdient in Deutschland 90000 bis 110000 Mark. Bei Mehrleistungen sind auch 150000 Mark drin, für eine eigentlich untergeordnete Tätigkeit ist das nicht übel.

Außer dem Geld winken dem Tüchtigen allerlei Wohltaten für sein Ego. Die Verkäufer, die das Firmen-Ziel geschafft haben, werden Mitglied im »100-Prozent-Club«. Der Verein versammelt sich alljährlich in ausgesuchten Hotels zu niveauvollen Festveranstaltungen, natürlich auf Firmenkosten.

Die überwältigende Mehrheit der Mitarbeiter, das belegen die firmeninternen Befragungen immer wieder, halten IBM für »die beste Firma«. Die IBMer, allen voran die Mitglieder der Verkäufertruppe, sehen sich als Elite der internationalen Geschäftswelt. Andere Computer-Firmen leiden unter extremer Personal-Fluktuation, IBMer bewahren ihrem Unternehmen meist lebenslang die Treue.

Die Firma vergilt Treue mit Treue. Bislang hielt sich IBM an den erstaunlichen Grundsatz, daß niemand wegen fehlender Aufträge entlassen wird. Mangelhafte Leistung oder sonstige Verfehlungen werden möglichst durch »interne Maßnahmen« gestraft - Versetzungen Umschulungen oder Gehaltseinbußen.

Wer sich ungerecht behandelt fühlt, darf sich jederzeit mit seiner Klage an den nächsthöheren Vorgesetzten wenden, durch die gesamte Hierarchie theoretisch bis hinauf nach Armonk. Selbst kritische IBMer bestätigen die Wirksamkeit dieser Einrichtung. Für das Management ist die »open door« ein gut funktionierendes Frühwarnsystem. Gehäufte Klagen gleicher Art zeigen schnell, wenn es irgendwo in der komplizierten Organisation knirscht.

Den Korpsgeist stärkt auch eine andere Eigenart der IBM: Auf den meisten Positionen wird rotiert. Länger als zwei, drei Jahre bleibt selten einer auf dem selben Posten. Nach einem alten Firmenwitz steht IBM für »I''ve Been Moved« - ich bin versetzt worden. In den höheren Rängen der langjährigen IBM-Manager war jeder irgendwann, irgendwo mal des anderen Assistent, Chef oder Rivale. Jeder kennt so die kleinen Schwächen, die etwas dunkleren Seiten der Kollegen. Quer-Einsteiger aus Fremdfirmen, die ohne die Tour von unten ins obere Management kommen, sind äußerst selten. So entsteht ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl.

Den prägenden Charakter seiner Firmen-Kultur konnte IBM auch auf die ausländischen Niederlassungen übertragen. Die Landesgesellschaften betonen nach außen zwar bemüht ihren eigenständigen, nationalen Status. So sind die Führungskräfte wenn immer möglich Einheimische. Das empfiehlt sich, weil inländische Konkurrenten mehr oder weniger offen bodenständige Ressentiments gegen den übermächtigen US-Konzern nähren.

Doch schon auf der nächsthöheren Management-Ebene, wie der europäischen IBM-Zentrale in Paris, sitzen etliche amerikanische Aufseher. Weitreichende Entscheidungen fällt ohnehin nur das US-Hauptquartier in Armonk. Und wenn vor Ort mal was aus dem Ruder läuft, hat der IBM-Landesherr sehr schnell Besuch aus Amerika im Haus.

In 129 Ländern ist IBM heute mit eigenen Gesellschaften vertreten. 156000 der insgesamt fast 400000 IBM-Beschäftigten arbeiten außerhalb der USA, allein rund 104000 in Europa.

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg, noch zu den Lochkarten-Zeiten, baute Watson ein Netz von Auslandsfilialen in den wichtigsten Märkten auf. In Deutschland erwarb IBM eine Firma, die älter als die US-Mutter war. Der Lochkarten-Erfinder Hollerith hatte 1910 in Berlin eine Tochtergesellschaft gegründet, die Dehomag (Deutsche Hollerith Maschinen Gesellschaft mbH), das war ein Jahr bevor in den USA durch Fusion der IBM-Vorläufer CTR entstand.

Für höhere Chargen gibt es die »penalty box«, die Strafkammer. Dies ist ein komfortables Büro mit einem klangvollen Titel auf dem Türschild. Für Außenstehende sieht es wie eine Beförderung

aus: Der in Ungnade gefallene Manager arbeitet zum Beispiel in einer »task force« an wichtigen Zukunftsplanungen. Die Insider wissen jedoch, daß er nichts mehr zu sagen hat; in der internen Kommandostruktur machen alle »Berichtswege« einen großen Bogen um den Geächteten.

Für karriere-orientierte Manager ist das eine seeliche Qual. Doch die Company erhält sich auf diese Weise manches Führungs-Talent, das nach der Bewährungsfrist wieder unauffällig in den Kader eingeschleust werden kann.

Ausländer, die bei IBM arbeiten, fühlen sich genauso wie die amerikanischen Angestellten zuallererst als IBMer; alle anderen Erkennungsmerkmale sind sekundärer Natur. Kein anderer multinationaler Konzern konnte seine ausländischen Mitarbeiter so auf Linie trimmen - und das auch noch auf eine Weise, daß die Mehrheit sich dabei glücklich fühlt.

Die Schlagkraft des Konzern wird durch die blaue Mono-Kultur mächtig gestärkt; der einzelne allerdings bleibt dabei mitunter auf der Strecke. Mit Schaudern schildert eine Managerin einer anderen Computer-Firma den Auftritt von IBMern auf einem Seminar jüngst in Zürich: »Ich hatte das Gefühl, wenn der jetzt mitten im Vortrag aufhört und ein anderer macht weiter- keiner hätte das gemerkt. Sie kamen mir vor wie geklonte Menschen, die Persönlichkeit durch IBM ersetzen.«

Nicht jeder hält diesen Konformitäts-Druck aus. Der Marktforscher Hargesheimer, als Ukraine-Deutscher im Sowjet-Staat aufgewachsen, verließ IBM nach drei Jahren wieder. Als seine erste Begeisterung für die Company verflogen war, merkte er: »Da hast du ein politisches System gegen ein wirtschaftliches eingetauscht, das den Anspruch hat, eine Religion zu sein.«

Zur hohen Identifikation mit der Firma mag auch beitragen daß viele der 792000 IBM-Aktionäre Beschäftigte des Unternehmens sind. IBMer können in einem Beteiligungs-Programm jeden Monat 10 Prozent ihres Einkommens in IBM-Aktien anlegen. Sie bekommen die Aktien 15 Prozent unter dem Börsenkurs.

Einen beherrschenden Groß-Aktionär - wie es mal der Konzernherr Flint war - hat die IBM von heute nicht. Gemeinsam bestimmt das finanzielle Establishment der USA die Richtung. An der Spitze der institutionellen Anleger mit dickem IBM-Portefeuille steht der Morgan Guaranty Trust, schon seit der Frühzeit des Konzerns einer der bedeutendsten IBM-Investoren. Finanz-Giganten wie Bankers Trust, First National City Bank und Chase Manhattan Bank gehören zu den großen IBM-Anteilseignern. Der Rockefeller-Clan ist, neben der Beteiligung über seine Chase Manhattan, vermutlich einer der größten privaten Besitzer von IBM-Aktien.

Da der alte Watson IBM schlicht als »seine Firma« betrachtete, hielt er es - ganz Firmen-Patriarch - für selbstverständlich, daß seine Söhne die Nachfolge antreten sollten. Sein Ältester, Thomas jr. (Tom), begann, wie es sich für IBM gehört, als Verkäufer, ein erfolgreicher natürlich, und wurde vom Senior schließlich zum Präsidenten gemacht. Doch bis kurz vor seinem Tod - Watson starb mit 82 Jahren 1956 - behielt der Alte das Sagen. Der jüngere Sohn Arthur, »Dick« genannt, war bis 1970 Chef der IBM World Trade, der für das Auslandsgeschäft zuständigen Dachgesellschaft. Er starb 1974.

Tom hatte bis 1970 den obersten Posten des Chief Executive Officer. Schon bald nach dem Tod des Senior-Chefs überspielte ein kräftig gebauter Manager die beiden Erben immer häufiger - T. Vincent Learson ein »John Wayne in Nadelstreifen«, wie er in der Branche mit angstvollem Respekt hieß.

Von da an mauserte sich IBM zu einem Manager-Unternehmen. Auch wenn als »Chief Executive Officer« ein einzelner nach außen die Firmen-Spitze repräsentiert, die Entscheidungen fallen in einem engen Zirkel von Führungskräften. Dazu gehören heute neben dem obersten IBMer Akers zum Beispiel seine Vorgänger Cary und Opel und der langjährige Vize und Finanzchef Paul J. Rizzo.

Der Erbe des Gründervaters, Thomas J. Watson jr.« inzwischen 72 Jahre alt, sitzt weiterhin in einem Honoratioren-Gremium, dem Beirat der IBM. Aus der aktuellen Geschäftspolitik des Konzerns hält er sich ganz heraus. Doch für den Erfolg der IBM von heute hat er einige Weichen gestellt. Gegen den Willen und ohne Wissen des alten Watson unterzeichnete Tom 1956 eine gütliche Einigung mit der Anti-Trust-Behörde, mit der IBM vier Jahre im Streit gelegen hatte.

Die geforderten Zugeständnisse waren für IBM kaum noch bedeutsam. Es ging um Lochkarten: Wer eine Lochkartenmaschine kaufte, mußte seit jeher auch die Lochkarten bei der IBM in Auftrag geben. Da die Lochkartentechnik ausstarb, fiel Watson junior die Konzession leicht.

Die Einigung verschaffte IBM für mehr als ein Jahrzehnt Ruhe vor den Kartell-Wächtern. Ungerührt praktizierte der Konzern während dieser Zeit mit dem neuen elektronischen Gerät im Prinzip dieselbe Methode wie bei den Lochkarten. Was früher die Kopplung von Hollerith-Maschine und Lochkarten war, leistete nun das »Bundling«, das Bündeln von Hardware und Software.

Der Computer und die zu seinem Betrieb notwendigen Programme, die Software, wurden, zusammen mit dem Zubehör und der Wartung, in einem Gesamtpreis angeboten.

Das undurchsichtige Kostengefüge erlaubte es IBM, ganz nach Belieben den Kunden unterschiedliche Leistungen zum selben Preis zu bieten. Nach außen war die vom Wettbewerbsgesetz geforderte Gleichbehandlung gewahrt, unter der Hand konnte IBM so Konkurrenten elegant aus dem Rennen werfen und seine monopolistischen Preis-Spielräume weiter ausnutzen.

Erst 1969, als schon wieder ein neues Anti-Trust-Verfahren über dem Konzern schwebte, gab IBM diese Praxis auf. Doch bis dahin hatte die vorausschauende Strategie der Männer von Armonk schon ein neues Fundament für die dauerhafte Sicherung ihrer Marktmacht gelegt.

Am 7. April 1964 präsentierte IBM seinen Kunden mit feierlichen Enthüllungs-Zeremonien eine neue Generation von Computern. IBM Deutschland bat in den Frankfurter Palmengarten, das Orchester des Hessischen Rundfunks sorgte für den musikalischen Rahmen. Tom hatte seine Leute angewiesen, »die größte Publicity-Ankündigung abzuziehen, die wir je in unserer ganzen Geschichte gemacht haben«.

Der Wirbel galt der Rechner-Serie »360« - die Zahl steht für die 360 Grad der Windrose, die Produkt-Linie sollte alle Richtungen des Computer-Geschäfts abdecken. Die entscheidende Neuerung an dem Konzept: Alle Computer dieser 360er-Familie waren untereinander kompatibel, Programme und Datenbestände konnten also - ziemlich problemlos - von einem kleinen auf einen größeren Rechner derselben Linie übernommen werden.

Damit hatte IBM die Voraussetzung für einen Verkaufs-Kunstgriff geschaffen, der einen einmal gewonnenen IBM-Kunden nicht mehr so leicht aus den Fängen der Firma entließ.

Unter dem internen Schlagwort »Migration« schickten die Vertriebsbeauftragten den Klienten auf die Wanderschaft - von der preiswerten Einstiegsmaschine hinauf zum Jumbo-Rechner. Das in der Regel überzeugende Argument, vom tugendsamen Pfad der IBM-Treue nicht mehr zu weichen, waren die immer mehr ins Gewicht fallenden Software-Kosten. Ein Kunde, der auf eine andere Firma umsteigen wollte, mußte seine Spezial-Programme nebst den ganzen Datenbeständen umändern; IBM dagegen versprach kostengünstige Kontinuität beim Aufstieg in höhere Computer-Gefilde.

So ganz hat es mit der Kompatibilität der IBM-Welt nie geklappt. Besonders im Bereich der mittleren Rechner herrscht ein ziemliches Durcheinander nicht zusammenpassender Betriebssysteme. Doch die 360er wurden zum Rückgrat des ganzen Konzern-Geschäfts, und noch heute bauen die Nachfolge-Modelle des Unternehmens auf dieser Rechner-Architektur auf.

Der Nutzeffekt des weitsichtigen Konzepts für die weitere Vorherrschaft der blauen Rechner zeigt sich sogar jetzt erst richtig: In rasch steigender Zahl werden die Computer zu weltweiten Netzen zusammengekoppelt. Am einfachsten geht das, wenn alle Geräte vom selben Stamm sind.

Der historischen Ankündigung im Zeichen der Windrose waren freilich wieder einmal panische Zeiten im Hause IBM vorangegangen. Kleinere Konkurrenten wie die Control Data Corporation oder Honeywell hatten leistungsfähigere u nd technisch fortschrittlichere Computer auf den Markt gebracht als IBM.

Verschreckt vom Vorpreschen der Winzlinge, ging IBM mit der neuen Computer-Familie früher als geplant an die Öffentlichkeit. »Mit weit geöffneten Augen«, so der Präsident in einem internen Memo, verstieß IBM faktisch gegen einen geheiligten Grundsatz der Watson-Bibel: Einen Wettbewerber nicht durch Gerede über ein noch nicht vorhandenes IBM-Produkt aus dem Geschäft zu werfen. Bis auf ein Modell war die ganze 360-Serie bei der feierlichen Ankündigung noch weit - bis zu zwei Jahren - von der Fertigungsreife entfernt.

Die grandiose Zauber-Nummer zeigte Effekt: Die Kundschaft harrte der 360, die Konkurrenten wurden ihres technischen Vorsprungs nicht froh. RCA verkaufte ganze 15 Stück seines Spectra 70-15 und gab das Computer-Geschäft schließlich ganz auf. Das Nachsehen hatte unter anderem der deutsche Elektrokonzern Siemens; die Münchner hatten auf eine Kooperation mit den Amerikanern gesetzt.

Das rabiate Vorgehen bei der Einführung der 360-Serie hatte allerdings für die IBM ein unangenehmes Nachspiel. Die Anti-Trust-Behörde eröffnete 1967 eine weitere Untersuchung gegen IBM. Diesmal ging es in die vollen. Preisdiskriminierung, Erhöhung der Marktschranken für Mitbewerber, räuberische Konkurrenz und Ankündigung von »Papier-Computern«, also nicht existierenden Rechnern, hießen die Anklagepunkte. Das erklärte Ziel des Verfahrens: die Zerschlagung des Computer-Konzerns in mehrere unabhängige Einzelgesellschaften.

Die Untersuchung schleppte sich alles in allem über 15 Jahre hin. Während dieser Zeit ging die technische Entwicklung _(Mit einem Macintosh-Personalcomputer. )

immer schneller voran. Big Blue aber war zu lähmend vorsichtigem Handeln am Markt gezwungen. Jeder Anschein von Machtmißbrauch konnte in dem Prozeß sofort gegen IBM verwendet werden.

Es kann kaum Zufall gewesen sein: Gerade in dieser Zeit machten sich eine Menge junger Firmen auf dem angestammten Territorium der IBM breit. Das »Unbundling«, die Trennung von Hard- und Software-Angebot, ließ Hunderte unabhängiger Programmier-Firmen entstehen, die nun eigene Software für IBM-Geräte verkauften.

Im Windsschatten des Riesen kam ein ganz neuer Zweig von Geräte-Herstellern hoch - die »PCM''s«, Plug Compatible Manufacturers. Die Stecker (plugs) ihres Computer-Zubehörs wie Bildschirm-Terminals, Plattenspeicher oder Drucker paßten just in die Anschlüsse der IBM-Rechner. Die Kunden konnten endlich auf Konkurrenzprodukte ausweichen, ohne vom IBM-Standard abgehen zu müssen. Das oft sogar leistungsfähigere Fremdzubehör war um die 20 Prozent billiger als das IBM-Original.

Selbst bei den Zentralrechnern gab es auf einmal eine Alternative zum Marktherrscher: Computer, die nach denselben Standards wie das große Vorbild funktionierten. Die Anwender konnten darauf ihre vorhandenen Programme laufen lassen. Mehr Leistung bei oft niedrigeren Preisen, das war der Anreiz zum Umsteigen.

Der gelähmte Gigant überließ ganze Bereiche des sich entfaltenden Marktes anderen Emporkömmlingen. Nahezu ungestört von IBM konnten in den siebziger Jahren Firmen wie Digital Equipment oder Hewlett Packard wachstumskräftige Nischen besetzen, wie zum Beispiel Anwendungen im Ingenieur-Wesen und in der Wissenschaft.

Gewinn und Umsatz des Konzerns wuchsen dennoch wie gewohnt. Der Marktanteil allerdings sank für IBM an die Schmerzgrenze - bei den Großrechnern von über 80 Prozent auf etwas über 60 Prozent.

Die Konkurrenten nutzten den IBMfeindlichen Trend der Kartell-Behörde und zogen den Konzern mit weiteren Wettbewerbsklagen vor die Gerichte. Doch die Juristen des Computer-Multis verstanden ihr Geschäft. Keine Klage führte letztendlich zum Erfolg. Wenn es ganz kritisch wurde, bog IBM das Verfahren mit einem Vergleich ab.

Was in den USA offenbar nicht möglich war, versuchten einige Konkurrenten wenigstens in Europa zu erreichen: Einige PCM-Firmen, so auch Amdahl, verklagten IBM vor der Wettbewerbs-Kommission der Europäischen Gemeinschaft. Auf 1000 Seiten dokumentierte daraufhin die Kommission die Sünden des US-Konzerns wider die Regeln des freien Marktes.

Eine »anmaßende Eigentumsenteignung«, bullerte IBM-Chairman Opel, habe die EG im Sinn. Doch dazu kam es natürlich nicht. Das Verfahren endete letzten Sommer ganz im IBM-Stil: Mit einer gütlichen Einigung. Rund vier Milliarden Dollar Strafe hätten den Amerikanern bei einem Verdikt der Kommission gedroht; aber die EG setzte das Verfahren im Juli 1984 aus.

Im Gegenzug verpflichtete sich IBM, gewisse technische Informationen an die Konkurrenten herauszugeben. Es geht dabei um Daten, die zum Beispiel die PCM-Hersteller brauchen, um ihre Produkte an neue Geräte des Marktführers anzupassen.

Manche Branchenkenner sehen IBM bei dieser Vereinbarung als klaren Sieger. Die Computer-Standards der IBM beherrschen nun in Europa nicht nur unangefochten den Markt. Sie haben dazu auch noch den amtlichen Segen der EG-Behörde. »Statt IBMs Marktmacht einzudämmen«, meint etwa der Computer-Journalist Raimund Vollmer in seinem IBM-Buch »Das blaue Wunder«, »wird diese nun ihren Einfluß massiv ausweiten.«

Wunderbarer noch hatte Anfang 1982 das amerikanische Kartell-Verfahren geendet. Am Nachmittag des 8. Januar gestand ein Regierungs-Angestellter nach peinlichem Herumdrucksen dem Bundesrichter David N. Edelstein, der seine Pensionierung wegen des Prozesses schon um Jahre hinausgeschoben hatte: Die Regierung der USA habe kein Interesse mehr an der Verfolgung der Sache.

Es war der größte Sieg, den IBM je in einem Kartell-Verfahren errungen hatte. An keine Auflage, nicht einmal an eine freiwillige Verpflichtung war die Einstellung gebunden: Nach 2500 Zeugenaussagen, nach 66 Millionen Seiten Akten war einfach Schluß. Dank der von IBM inszenierten Material-Schlacht war der Prozeß für die Regierung wohl ohnehin nie zu gewinnen gewesen. Doch das war nicht der Grund der Einstellung. Unter Ronald Reagan hatte die Kartellbehörde eine Kehrtwendung zugunsten der Monopole vollzogen. Man dürfe

nicht »große und erfolgreiche Firmen nur deswegen quälen«, so Kartellamts-Chef William Baxter, »weil ihre Größe die Öffentlichkeit befremdet«.

Größe und Gedeihen der IBM, so scheint es, ist ohnehin zu einem nationalen Anliegen der USA geworden. Unter den Elektronik-Industriellen in den Staaten wächst seit Anfang der Achtziger die Furcht vor den Japanern. Die Konkurrenten aus dem Fernen Osten haben bei der Chip-Technologie einen Zeitvorsprung, den sie auch in Markterfolge in den USA umsetzen. Überdies begannen die Japaner vor vier Jahren in einer konzertierten Aktion und mit erheblichem Propagandageschrei, neue Computer der sogenannten Fünften Generation zu entwickeln.

Nur ein Gigant wie IBM, so die Folgerung in Washington, könne diesem Großangriff Widerstand leisten. »IBM hat die einmalige Fähigkeit, die japanischen Computer Firmen nicht nur an unseren Küsten zurückzuwerfen, sondern sie auch auf ihrer Heimatinsel selbst zu schlagen«, so der US-Professor Robert Sobel in seinem im April erscheinenden Buch »IBM und die globale Herausforderung«.

Einen Hinweis nur gab es, daß die Reagan-Regierung den Markt nicht vollends und mit amtlichem Segen der IBM überlassen wollte. Am selben Januar-Tag des Jahres 1982, an dem der Kartell-Prozeß gegen IBM so plötzlich endete, verkündete das US-Kartellamt die Zerschlagung des Konzerns American Telephone & Telegraph, AT & T. Die Telephon-Gesellschaft, die mit Regierungs-Genehmigung a)s Privatfirma das Fernmelde-Monopol in den USA ausübte mußte ihre 22 lokalen Telephon-Gesellschaften ausgliedern. Zum Ausgleich durfte AT & T nun in das Computer-Geschäft einsteigen.

Mit einem Umsatz von 57,3 Milliarden Dollar und 6,9 Milliarden Dollar Gewinn (1981) rangierte der Telephon-Riese vor der Zergliederung noch über IBM in der Top-Liste der Konzerne. Sein Bell Laboratorium - dort wurden unter anderem die ersten Transistoren entwickelt - gilt als eine der besten Technologie-Brutstätten der Welt. Ma Bell, so der Kosename des Konzerns, wäre wohl als einzige imstande, Mother Blue mit Geld und Know-how bei den Computern Paroli zu bieten.

Seither aber gibt es keine Fesseln mehr für den Riesen IBM. Konkurrenten und Kritiken verschlug es fast den Atem. »Der Elefant lernt Spitzentanz«, staunten die amerikanischen IBM-Beobachter, und Konzernchef Akers registrierte das Lob mit Behagen: »In der Tat.«

Ehe die zum neuen Gegner des Giganten ausersehene Telephon-Gesellschaft einen Fuß ins Computer-Geschäft setzen konnte steckte IBM schon seine Pflöcke in den Kommunikations-Markt von AT & T. Für 1,5 Milliarden Dollar kaufte sich IBM einen der fortschrittlichsten Hersteller von Telephon-Gerätschaften, die Rolm Corporation aus dem kalifornischen Wundertal Silicon Valley.

Für insgesamt wohl über eine Milliarde Dollar erwarb IBM überdies 18 Prozent an der MCI Corporation, dem einzigen nennenswerten Konkurrenten von AT & T im amerikanischen Langstrecken-Telephongeschäft. Eine Aufstockung auf 30 Prozent ist absehbar.

Auch im Ausland tanzt der Elefant nicht länger solo. Besonders in Europa sind Partnerschaften mit bodenständigen Firmen von Vorteil. Denn die Telekommunikation ist hier von alters her in der Hand der staatlichen Post-Monopolisten und mit ihnen innig verschränkter Unternehmen, wie in Deutschland der Bundespost und Siemens nebst einer Handvoll »Amtsbaufirmen«.

Zarte Bande hat inzwischen zum Beispiel IBM zu Siemens geknüpft, zu einer Firma mithin, die auf dem Computer-Sektor an sich ein Konkurrent ist. Siemens darf als Zubehör für seine IBMkompatiblen Rechner, es sind Fujitsu-Maschinen made in Japan, die gefragten Plattenspeicher-Geräte von IBM vermarkten - und das unter dem IBM-Preis. Der US-Konzern bezieht von den Deutschen Chips, etwa für seinen Personal-Computer.

Siemens-Vorstandsmitglied Claus Kessler werden sehr gute Kontakte zu IBM nachgesagt. Und der deutsche IBM-Chef Lothar Friedrich Wilhelm Sparberg rühmt sich unverhohlen seiner Verdienste um den Plattenspeicher-Vertrag: »Das habe ich eingefädelt.«

Gute Beziehungen zu den in Bonn einflußreichen Lobbyisten aus München können nicht schaden: Die deutsche IBM hat noch einiges vor mit der Bundespost. Der erste Schritt war die Entwicklung der Rechner-Software für das Bildschirmtext-Projekt der Post.

Besonders stark war das Bild nicht, das IBM abgab. Die Lieferung geriet mehrfach in Verzug. Auf dem Wege der »innerbetrieblichen Geiselnahme«, so ein IBMer, mußte der Konzern die ganze Kraft seiner Software-Männer in das tückische Projekt werfen.

Der Bildschirmtext-Auftrag von der Deutschen Bundespost, glaubt der IBM-Kenner Hargesheimer, »ist eine entscheidende Waffe für IBM«. Der US-Konzern bekommt damit den Fuß in die Tür bei der Post. Denn die komplexen Computer-Programme können die Postler kaum selber warten: »Das kann auf Dauer zur Abhängigkeit von IBM führen« (Hargesheimer).

Die Bündnisse in den europäischen Ländern - wie auch in England oder in Italien - sollen den Grund legen für das Geschäft der Zukunft: wenn die Computer aller Länder zusammengekoppelt werden wie jetzt das Telephon zu einem Super-Netzwerk, das alle Arten von Informationen transportiert. Dann, so die Rechnung der IBM, kommt noch einmal ein großer Nachfrageschub nach ihren Riesenmaschinen: Sie sollen den gigantischen Datenfluß in den Netzen steuern.

Über diese Zukunftshoffnungen vernachlässigt die IBM nicht, was sich vom laufenden Geschäft mitnehmen läßt. So war Big Blue plötzlich in voller Größe präsent, als die aufstrebenden Hersteller der kleinen Rechner, der Personal Computer, die Früchte des Booms einfahren wollten. Die meisten Hersteller von Klein-Rechnern haben sich inzwischen der Diktatur unterworfen und bieten - etwas billiger, etwas besser- IBM-kompatibles Gerät an.

Nur ein paar Tollkühne kämpfen noch mit eigener Norm gegen Big Blue an, wie etwa der Mikro-Pionier Apple. Ein Fernsehspot zur Einführung des Apple Macintosh spielte unverhohlen mit der Angst vorm Großen Bruder: Ein Heer grauer Rechenknechte zittert unter den Kommandos, die von einem riesigen Bildschirm kommen. Da saust eine

flotte Lady heran und schleudert einen großen Vorschlaghammer gegen das Monster. Big Brother ist tot, und viele kleine Macintoshs verheißen neue Freiheit.

Doch das bleibt ein Wunschbild. Der große blaue Bruder verfügt über das größte Potential für den zukünftigen PC-Markt. Millionen sogenannter dummer Terminals, an Zentralrechner angeschlossene Bildschirmgeräte, werden in den nächsten Jahren in den Büros durch PCs ersetzt. Und da hat die Firma, von der die meisten zentralen Computer stammen, einfach den Platz-Vorteil: IBM.

Oben die großen Rechner, unten die Personal-Computer - die Hersteller der Mittelklasse-Maschinen kommen sich da vor wie zwischen zwei »Schraubstock-Backen«, so ein Manager des Branchen-Zweiten Digital Equipment. Am Hebel sitzt IBM und versucht zu drehen.

Beide Enden des Computer-Marktes drängen auf diese Mitte der »Minis« zu: Die Mikros werden immer leistungsfähiger, die Großen immer billiger. IBM konkurriert zunehmend auch direkt mit den Mini-Herstellern in ihren angestammten Spezialgebieten, in der Fabrik-Automatisierung, in der Computerunterstützten Entwicklung oder in der Bürokommunikation.

Der Trend der Rationalisierung geht dahin, die Computer dieser Bereiche miteinander zu verbinden. Denn vom Entwurf am Bildschirm bis zur Steuerung der Produktion müssen immer wieder dieselben Datenbestände verarbeitet werden. Diese Verbindung zwischen den Computern aber funktionieren nur, wenn die Rechner sich untereinander nach einheitlichen Regeln verständigen können.

Big Blue hat für den Großteil seiner Rechner eine gemeinsame Sprache, die dafür geeignet ist: die »Systems Network Architecture« (SNA). Mehr als die Hälfte aller Computer dieser Welt können sich mit SNA verständigen. Die Computer-Hersteller, die nicht zur IBM-Welt gehören, fürchten, daß die schiere Schwerkraft dieser Masse sie zwingt, ebenfalls auf den SNA-Standard einzuschwenken. Sie gerieten damit in noch mehr technische Abhängigkeit von IBM.

Die meisten europäischen Hersteller setzen deswegen auf eine firmen-übergreifende Norm, die »Open Systems Interconnection« (OSI). Die Postverwaltungen der Bundesrepublik, Italiens, Englands und Frankreichs haben Zustimmung zu OSI signalisiert. Als erstes großes US-Computer-Unternehmen schloß sich Digital Equipment der Norm an. An der scheinbar nur für Experten interessanten Frage, wie »Schnittstellen« oder »Übertragungsprotokolle« zu definieren sind, hängt langfristig die Überlebens-Chance etlicher Computer-Firmen - zumindest aber ihre unternehmerische Unabhängigkeit von IBM. OSI oder SNA - die Kürzel haben Schlüsselfunktion: »Das ist die key-key-key-Frage«, ereifert sich Willy Kister, Chef der deutschen Tochtergesellschaft von Digital Equipment, »da steckt ein wahnsinniges gamble hinter«.

Nicht bloß für die IBM-Konkurrenten steht einiges auf dem Spiel. Auch die Kunden des blauen Riesen könnten bei einem offenen Standard ein Stück Unabhängigkeit gewinnen. Sie wären nicht mehr allein auf IBM und seine kompatiblen Epigonen angewiesen. »Da wird«, hofft Kister, »ein Stück freier Marktwirtschaft wiederhergestellt.«

Kein Wunder, daß IBM nicht so recht dafür zu begeistern ist. Die Förderung internationaler Normen wie OSI, so beteuert IBM-Europa-Chef Kaspar V. Cassani bei offiziellen Anlässen, würde von seinem Hause nachhaltig unterstützt. Die zuständigen Experten des Hauses sind da weniger diplomatisch: »Ein offenes Netz ist Wunschdenken und wird noch einige Jahre Wunschdenken bleiben.«

So gibt es nur die Hoffnung, daß sich bald der andere Riese, AT & T, intensiver um den Computermarkt kümmert und als Gegengewicht gegen die expandierende Marktmacht von IBM wirkt. Doch John Walsh, Direktor in der neuen Computer-Abteilung des Telephon-Konzerns wehrt sich gegen diese Rolle: »Das war nicht beabsichtigt.«

Ma Bell geht das neue Feld der Computerei vorsichtig an. Auf einen Zweikampf in der Domäne der IBM, den Großrechnern, läßt sich AT & T zunächst gar nicht ein. Unter Führung eines ehemaligen IBM-Managers, James D. Edwards, zielen die Computer-Leute der Telephon-Gesellschaft auf den Bereich der mittleren Rechner, in dem IBM am schwächsten ist und das Wirrwarr unterschiedlicher Systeme am stärksten.

Allenfalls zehn Prozent des IBM-Geschäfts sind bisher überhaupt von einer direkten Konkurrenz durch AT & T betroffen. Eine Schlacht der Giganten liegt da noch in weiter Ferne. »Die beiden sind eher Sparring-Partner«, meint Ray Marshall, beim US-Konzern General Electric für die Informations-Systeme zuständig, »sie kämpfen noch nicht richtig«.

Weit und breit, so sieht es aus, ist keine Macht, die den Vormarsch des blauen Riesen bremsen könnte. Sein Ziel für die nächsten zehn Jahre, einen Umsatz von rund 200 Milliarden Dollar, wird IBM aller Voraussicht nach erreichen. Marktkenner Hargesheimer prophezeit: »Das ist nicht zu vermeiden.«

Unvermeidlich ist dann eben auch, daß die Industrienationen sich beim Computer, der alles beherrschenden Maschine der nächsten Jahrzehnte, voll und für unabsehbare Zeit einem amerikanischen Multi ausliefern: IBM über alles, über alles in der Welt.

Die abgehängten Konkurrenten trösten sich mit der Hoffnung, daß irgendwann selbst für IBM die Grenzen des Wachstums kommen müssen. Siemens-Chef Karlheinz Kaske - dessen Firma mit ihren Computer-Umsätzen weltweit auf Rang 17 liegt - erinnert sich da gern an die Worte seiner Großmutter: »Der liebe Gott läßt der Ziege den Schwanz nicht so lang wachsen, daß sie sich die Fliege selbst schlagen kann.«

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DER UNAUFHALTSAME AUFSTIEG Entwicklung der Umsätze und Jahresgewinne von IBM in Millionen Dollar Umsätze 266 50071 Jahresgewinne 37 73 205 477 1018 1990 3560 6560 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 IBM UND KLEINE FISCHE Weltmarkt-Anteile (Lieferwerte) an Großrechnern 1984 in Prozent IBM 72,1 (USA) BURROUGHS 5,2 (USA) AMDAHL 4,7 (USA) HONEYWELL 3,1 (USA) CONTROL DATA 2,9 (USA) SPERRY 2,7 (USA) NATIONAL ADVANCED 2,3 (USA) SONSTIGE 7,0 (USA)

[GrafiktextEnde]

Mit einem Macintosh-Personalcomputer.

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