VERFASSUNGSSCHUTZ Ich bin bespitzelt worden
Selten hat ein Urlaub dem Volljuristen Dr. Gotthard Friedrich aus Berlin so wenig Freude und Entspannung gebracht wie der, den er nun schon fünf Wochen genießt. Friedrich, 45, war Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in (West-)Berlin. Am 28. Oktober hatte der Regierende Bürgermeister Dr. Walther Schreiber den Amtschef Friedrich brüsk aufgefordert, Urlaub zu nehmen. Seitdem sitzt Friedrich nun verbittert in seiner Privatwohnung in Berlin-Mariendorf und bekennt: »Ich bin bespitzelt und begaunert worden.«
Zusammen mit dem Leiter des Berliner Verfassungsschutzes wurde auch der stellvertretende Leiter, der ehemalige CDU-Stadtrat von Berlin-Tempelhof, Alwin Cäsar Hardtke, 48, beurlaubt. So endete ein monatelanger Kleinkrieg innerhalb dieses Berliner Amtes, das bei seinen schwierigen Aufgaben nichts nötiger gehabt hätte als
eine vertrauensvolle Zusammenarbeit seiner Leiter.
Statt dessen hat sich immer wieder das Westberliner Abgeordnetenhaus mit dem Amt befassen müssen. Die Gemüter der Parteien wurden dabei derart erhitzt, daß der Sprecher der FDP schon einmal in einer erregten Debatte forderte, dem Leiter des Amtes das Gehalt zu sperren oder noch besser: den Verfassungsschutz-Etat (jährlich 415 000 Mark, davon 200 000 Mark für Beschaffung von Informationsmaterial) überhaupt zu streichen und die Mittel nutzbringender zu verwenden.
Die formellen Beurlaubungsgründe der bisherigen Leiter sind in einem langen Bericht einer Untersuchungskommission des Kölner Bundesverfassungsschutzamtes zusammengefaßt. Der Bericht läuft unter »Streng geheim«.
Welche Pannen besonders der Beschaffungsabteilung unter Alwin Cäsar Hardtke unterlaufen sind, weiß am besten ein Sowjetzonenflüchtling aus dem Randgebiet Ostberlins, der sich ernstlich überlegt, ob er unter Berufung auf das Grundgesetz und den Paragraphen 839 des BGB über die Haftung des Staates für das Verschulden seiner Beamten*) das Westberliner Verfassungsschutzamt auf Schadenersatz verklagen soll.
Dieser jetzt völlig mittellose ehemalige Sowjetzonen-Bewohner (der aus Sicherheitsgründen
*) Im Grundgesetz-Artikel 34 heißt es: »Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht. so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht."Der § 839. Abs. 1 des BGB lautet: »Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.« seinen Namen nicht genannt wissen will) war Kontrollbeamter einer hohen sowjetzonalen Behörde. Seine Tochter Irene arbeitete als Sekretärin in einem »DDR«-Ministerium und hatte Zugang zu den im Panzerschrank liegenden Geheimakten.
Aus echter Auflehnung gegen das SED-Regime schmuggelte Irene interessante Aktenstücke aus dem »DDR«-Ministerium über einen Kontaktmann in das Westberliner Verfassungsschutzamt, wo diese Akten schnell photokopiert wurden. Die 18jährige Irene band sich die geheimsten Dokumente mitunter auf den bloßen Leib, um unbehelligt an dem SSD-Kontrollposten des Ministeriumsausganges vorbeizukommen. Am nächsten Tag legte sie die Akten noch vor Dienstbeginn wieder in den Panzerschrank.
Als Irenes Kontaktmann eines Tages von der Leitung des Verfassungsschutzamtes »aus dem Verkehr gezogen« wurde, bekam ein Mitarbeiter der von Alwin Cäsar Hardtke geleiteten Beschaffungsabteilung den Auftrag, die Sekretärin Irene in ihrem Ostberliner Vorort aufzusuchen und die abgerissene Verbindung neu zu knoten.
Alwin Cäsar Hardtkes Mitarbeiter gab aber den Auftrag und die Namen an zwei Agentinnen weiter, die - wie sich später herausstellte - gleichzeitig Zuträgerinnen des sowjetzonalen Staatssicherheitsdienstes waren. Der Verfassungsschutzgehilfe wurde kurze Zeit darauf in Ostberlin verhaftet und bekam acht Jahre Zuchthaus.
»Wir wurden nicht einmal vom Verfassungsschutzamt davon in Kenntnis gesetzt, obwohl der Leiter der Beschaffungsabteilung, Alwin Cäsar Hardtke, unsere Namen preisgegeben hatte«, beklagte sich Irenes Vater. »Wenn wir nicht in letzter Minute von anderer Stelle über die uns drohende Verhaftung informiert worden wären, säße ich mit meiner ganzen Familie jetzt auch im Zuchthaus. Der Vorgesetzte meiner Tochter im Ministerium verübte Selbstmord, offensichtlich weil er wegen mangelnder Dienstaufsicht gegenüber meiner Tochter zur Verantwortung gezogen werden sollte.«
Vergeblich bemühte sich Irenes Vater, über Alwin Cäsar Hardtke Aufklärung über die Panne der Beschaffungsabteilung und Unterstützung zu erhalten: »Hardtke brauste auf, als ich ihn mit seinem Klarnamen anredete. anstatt den Decknamen zu benutzen Es will mir nicht in den Kopf, daß solche verantwortlichen Schlüsselpositionen allein nach dem Parteibuch besetzt werden.«
Seit seinem Bestehen ist das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz immer wieder ein Objekt von Parteiinteressen und eine Spinnstube für Intrigen gewesen. Was es mit diesen Intrigen auf sich hat, weiß auch der Vorsitzende der Westberliner CDU-Fraktion im Stadtparlament, Ernst Lemmer, der sich über die Gefahren, die in der Existenz von derartigen Institutionen im allgemeinen liegen, auf dem Hamburger Kirchentag im August ausgelassen hat:
»In dieser Apparatur liegt naturgemäß die Wurzel eines der Grundübel unserer Zeit: der Intoleranz, der Tendenz, nur eine, die eigene, Meinung gelten zu lassen, sie für sakrosankt zu erklären und jeden Andersdenkenden als Feind, Verräter, subversives Subjekt zu diffamieren. Woraus dann letztlich das Schnüffeln hinter dem einzelnen bis in die privatesten Bereiche, der Spitzelbericht bis zum abgehörten Telephongespräch und der heimlichen Tonbandaufnahme erwächst*).«
*) Dem SPIEGEL wurde inzwischen unter Zeugen am 20. November von kompetenter Seite bestätigt. daß die während der Vorbereitung dieses Artikels vom Berliner SPIEGEL-Büro geführten Telephongespräche von einer britischen Abhörstelle aufgenommen und an die Leitung des Berliner Verfassungsschutzamtes weitergegeben worden sind. Lemmer dachte dabei an einen ganz konkreten Fall: Das Berliner Verfassungsschutzamt ließ die Kontakte des CDU-Bundestagsabgeordneten Lemmer mit dem inzwischen verstorbenen Freiherrn von Richthofen, dem Vorsitzenden der »Gesellschaft für die Wiedervereinigung Deutschlands«, ausspionieren, indem es den Hauswart des Freiherrn beauftragte, Lemmers Besuche und die Dauer seines Verweilens bei Richthofen genau zu registrieren.
Auch die Vorsitzenden der Westberliner FDP (Carl-Hubert Schwennicke) und SPD (Franz Neumann) wurden vor längerer Zeit systematisch vom Verfassungsschutzamt überwacht. FDP-Schwennicke erschien schon allein deswegen verdächtig, weil er sich mit einem Liberaldemokraten aus der Sowjetzone getroffen hatte. Die Beschatter wußten allerdings nicht, daß Schwennicke über diesen LDP-Funktionär den Versuch unternommen hatte, einen verhafteten Parteigänger aus einem sowjetzonalen Zuchthaus herauszubekommen.
Was sich darüber hinaus in dem eigenen Haus des Verfassungsschutzamtes - bis in die jüngste Vergangenheit - abgespielt hat, veranlaßt den Bundestagsabgeordneten Lemmer zu der mokanten Feststellung: »80 Prozent der Arbeit dieses Amtes bestand darin, daß sich die Verfassungsschützer untereinander beschnüffelten. 15 Prozent ihrer Zeit mögen sie mit der Bespitzelung freiheitlich denkender Politiker verbracht haben und fünf Prozent mit wirklich sachlicher Tätigkeit.«
Dieser harten Zensur liegen folgende Vorgänge zugrunde:
1950 hatte der sudetendeutsche England-Reemigrant Franz Treml, genannt Tausch, damals 49 Jahre alt, den Senatsauftrag bekommen, eine Informationsstelle aufzubauen, die sich mit der Beschaffung von Geheimnachrichten befassen sollte. Tausch, der seit 1920 der SPD angehört, hatte das inzwischen eingestellte Parteiorgan »Sozialdemokrat« geleitet. In den ersten Nachkriegsjahren war der mit einer Engländerin verheiratete Tausch deutsches Mitglied
von British Public Safety in Berlin gewesen.
Im Oktober 1950 war Tausch in den III. Stock des Bürohauses Potsdamer Platz 192 gezogen, wo er für seine Nachrichtenzentrale, die Vorläuferin des Verfassungsschutzamtes, fünf Räume belegte.
Seinen Mitarbeitern gab Tausch folgenden Marschbefehl: »Wir haben radikalistische Einflüsse in Westberlin zu bekämpfen, gleichgültig ob von links oder rechts. Wir müssen für Sauberkeit in der Wirtschaft und Verwaltung sorgen und rücksichtslos korrupte Elemente in den Dienststellen ausmerzen.«
Aber bald gingen seine brillanten Vorsätze in Scherben. Im März 1951 ernannte der Senat den ehemaligen Landgerichtsrat Dr. Werner Otto zum Leiter des nunmehr gegründeten Amtes für Verfassungsschutz. Journalist Tausch sollte sich nur um seine als Handlungsfirma getarnte Informationsaußenstelle kümmern und Nachrichten heranschaffen, von denen Amtschef Dr. Otto später behauptet, sie seien zum großen Teil Produkte von Nachrichtenschwindlern gewesen.
Im Sommer 1951 wurde das Verhältnis zwischen Amtsleiter Otto und Nachrichten-Beschaffer Tausch zunehmend gespannter, besonders zu dem Zeitpunkt, zu dem Dr. Otto seinen Sowjetzonen-Bekannten Dr. phil. Rudolf Hagelmoser, heute 55, ins Verfassungsschutzamt holte.
Dieser Dr. Hagelmoser (heute Leiter der Abteilung Auswertung im Westberliner Verfassungsschutzamt) war solange Oberreferent in der sowjetzonalen Finanzdirektion gewesen. Amtschef Dr. Otto kannte ihn, wie er später auch in einem Schreiben an die Flüchtlings-Anerkennungsstelle attestiert, aus seiner Tätigkeit als Stadtkämmerer der Stadt Gotha.
»Dr. Hagelmoser, der in der Sowjetzone genau so wie Dr. Otto der Liberaldemokratischen Partei angehörte, war bereits fest im Verfassungsschutzamt eingebaut, bevor er noch seine Anerkennung als politischer Flüchtiing durchgesetzt hatte«, sagt Tausch. »Das hat mir Hagelmoser selbst erzählt.«
Dr. Otto bescheinigte seinem LDP-Freund: »Herr Dr. Hagelmoser ist für dieses außerordentlich wichtige und bedeutungsvolle Amt herangezogen worden, weil er durch seine Einstellung und Tätigkeit hierfür besondere Voraussetzungen bot.«
Dann folgten spannungsreiche Monate, die Informationschef Tausch dazu benutzte, die Schwächen seines Vorgesetzten Dr. Otto auszukundschaften. Die Schnüffelei erstreckt sich auf die internsten Bezirke und macht auch vor der Tür des möblierten Zimmers nicht halt, das Amtschef Dr. Otto am 17. November 1951 in der Bozener Straße 4 gemietet hatte. In diesem Zimmer wohnte seine Chefsekretärin Gertrud Girnatis, heute 40, die einmal Tauschs Sekretärin gewesen war. Sagt Tausch: »Ich habe mich von ihr getrennt (nach seiner Eheschließung mit einer Engländerin), aber nicht erwartet, daß sie sich so schnell an Dr. Otto anschließen würde.«
Was Tauschs Beauftragter damals von der Zimmer-Vermieterin über seinen obersten Chef, den Verfassungsschutz-Amtsleiter Dr. Otto, in Erfahrung brachte, meldet er gehorsam an Tausch:
»Bei den Verhandlungen mit der Wirtin hatte Dr. Otto darauf hingewiesen, daß er bei einer geheimen Senatsdienststelle arbeite und darum bitten müßte, keinerlei Auskünfte über ihn zu erteilen. Eine polizeiliche Anmeldung sei auch nicht notwendig, da er mit den polizeilichen Dienststellen eng zusammenarbeite.« Schließlich seien zwischen der Wirtin und ihrer
Untermieterin wegen der Besuche Dr. Ottos Kontroversen entstanden, deretwegen Verfassungs-Chefsekretärin Gertrud Girnatis am 12. Februar 1952 das möblierte Zimmer gekündigt habe*).
Darüber berichtete Informationschef Tausch dann dem Innensenator Dr. Müller schriftlich. Als Dr. Otto von Tauschs Privatrecherchen erfuhr, sperrte er ihm einen Teil seines Materialbeschaffungsfonds und ließ seinerseits Tausch überwachen. Dr. Otto: »Ich habe genaue Tonbandaufnahmen von Gesprächen, die Tausch in seinem Dienstzimmer führte.«
Vor dem Auszug von Gertrud Girnatis aus der Bozener Straße inspizierte Tausch noch persönlich die Untermietwohnung. Er stellte sich der Wirtin - nach eigener Darstellung - als »Dr. Kopp« vor (Name eines Funktionärs der Deutschen Partei in Westberlin, mit dem Tausch Ähnlichkeit hat). Tausch berichtet, daß er sogar die leeren Flaschen gezählt habe, die in allen Ecken standen: »Es waren 46 Stück.« Auch darüber referierte Tausch in seiner Eingabe an den Innensenator.
So verdichtete sich immer mehr der kuriose Eindruck, daß eine Dienststelle, die geschaffen wurde, um subversive Bürger zu
*) Dr. Otto dementiert diese Darstellung und behauptet, die Wirtin sei von Tausch für ihre Aussage honoriert worden. beobachten, ihre Aktivität erst einmal gegen ihren eigenen Chef richtete.
In der sachlichen Arbeit dagegen unterliefen zahlreiche Pannen, die das ganze Amt diskreditieren. Darunter:
* Falschmeldungen über das angebliche Anwachsen neofaschistischer Untergrundgruppen in Westberlin. (Die Meldungen werden von Auslandsagenturen spontan aufgegriffen und vergiften die Weltmeinung trotz aller späteren Dementis.)
* Bekanntwerden von Informanten durch Indiskretionen.
* Sorglosigkeit gegenüber einem Spitzenfunktionär der SRP, der sich »als Sonderbeauftragter des Leiters des Bundesverfassungsschutzaintes, Dr. John«, einschmuggelt und Einblick in die Ermittlungsakten gegen die rechtsradikalen Gruppen in Westberlin und in die Personalkartei des Amtes nehmen darf.
Am 24. Dezember 1951 übergab Informationschef Tausch - nach eigener Darstellung - an Bürgermeister Reuter einen Bericht, in dem er vorschlug, die Bücher des Verfassungsschutzamtes zu prüfen. Außerdem forderte Tausch eine Untersuchung gegen seine Kollegen von der Auswertungsabteilung und gegen seinen Amtsleiter Dr. Otto. Als der interne Krach der Verfassungsschützer nicht verstummen
will, trennt sich Reuter schließlich sowohl von Amtschef Dr. Otto als auch von Informationschef Tausch.
Mißtrauisch beobachteten die Spitzen der bürgerlichen Parteien CDU und FDP die Wahl der Nachfolger für Dr. Otto und Franz Tausch. Als neuer Amtsleiter wurde schließlich der Justitiar der Versicherungsanstalt Berlin (VAB), Dr. Gotthard Friedrich, 45, berufen.
»Wir haben nicht gewußt, daß Dr. Friedrich SPD-Genosse ist«, protestierte der Vorsitzende des Ausschusses für Inneres, FDP-Abgeordneter Hermann Fischer, bald nach Dr. Friedrichs Amtseinführung. FDP-Fischer - heute Innen-Senator - machte Bürgermeister Reuter den Vorwurf, Friedrich als »trojanisches SPD-Pferd«, eingeschmuggelt zu haben. denn auf die Gretchenfrage nach der Parteizugehörigkeit des neuen Verfassungsschutz-Obersten habe Reuter den Unwissenden gespielt*).
Was darauf folgte, illustriert den Kampf der Parteien um einflußreiche Posten, Schlüsselpositionen und Geheimzentralen. Seit der Enttarnung des Dr. Friedrich als SPD-Mitglied gab FDP-Fischer keine
*) Später erklärt der jetzt zum Westberliner Innensenator ernannte FDP-Abgeordnete Fischer dem »Prügelknaben« Dr. Friedrich: »Selbstverständlich hat sich mein Kampf nicht gegen Sie gerichtet. sondern gegen Reuter, der mich wie einen dummen Jungen behandelt hat.« Ruhe. Er brauchte nicht lange nach Unzulänglichkeiten zu suchen.
Immerhin kann der ehemalige Staatsanwalt Friedrich eines für sich in Anspruch nehmen: Er hatte den Leiter des Bundesverfassungsschutzamtes, Dr. John, bei dessen Berliner Besuch darauf hingewiesen, daß er, Friedrich (während des Krieges Leutnant der Panzerwaffe), kein gelernter Abwehr- und Nachrichtenspezialist sei und deshalb einen qualifizierteren Mitarbeiterstab benötige, als er ihn vorgefunden habe. Sagt Friedrich heute: »Dr. John versprach mir Hilfe, ich habe sie aber nicht erhalten und stieß nun überall im Amt auf Widerstände. Aber sollte ich der Großinquisitor dieses Amtes sein?«
Im Schatten des neuen obersten Berliner Verfassungsschützers Dr. Friedrich stand sein Stellvertreter, Alwin Cäsar Hardtke, ehemaliger Betriebsorganisator, Reichsbank-Angestellter und CDU-Nachkriegs-Stadtrat in Berlin-Tempelhof. Von ihm behauptet Dr. Friedrich, Hardtke sei so phantasielos gewesen, daß er einfach die Methoden seines Vorgängers Franz Tausch kopiert habe, nachdem im Februar dieses Jahres dessen Arbeit gerügt worden war.
Wieder wurden geheimnisvolle Tests über das Privatleben des Verfassungsschutzamtsleiters angestellt. Erster Anlaß war die Dienstreise, die Dr. Friedrich zusammen mit seinem Stellvertreter Alwin Cäsar Hardtke im Winter 1952 nach Frankfurt veranstaltete. Als Verfassungsschützer Friedrich eine hübsche Holländerin als interessierte Amateurin für Ostfragen vorstellte, machte sich Alwin Cäsar Hardtke seine eigenen Gedanken. Die Geschichte sei dann - so sagt Friedrich - weitergelaufen und mit betriebsinternen Spesenfragen vermengt worden.
Gelegentlich ließ sich der gutaussehende Volljurist Friedrich tatsächlich zu Unvorsichtigkeiten hinreißen. Dafür steht der Bericht der ehemaligen Mitarbeiterin des Verfassungsschutzamtes, Lieselotte Dörr, mit der Amtschef Friedrich bald nach ihrer Einstellung im Januar dieses Jahres zum Wannsee gefahren war.
Was die Referendarin Dörr darüber - gelegentlich eines Büroklatsches - erzählte,
fixierte Alwin Cäsar Hardtke hinterher in einem Gedächtnisprotokoll. Als Amtschef Friedrich davon erfuhr, versuchte er, die Referendarin am 3. Juni zur Zurücknahme ihrer Aussage zu bewegen, die - wie Friedrich weiß - neben anderen Anwürfen als Munition gegen ihn verwendet werden sollte. Aber Lieselotte Dörr blieb standhaft, auch als Amtschef Friedrich sie während eines Bummels durch den Tiergarten umzustimmen versuchte.
Am nächsten Tag wußte Vizechef Alwin Cäsar Hardtke von diesem Versuch, Lieselotte Dörr zu beeinflussen, kurz bevor Bürgermeister Reuter nach langen Disputen im Abgeordnetenhaus einwilligte, das Bundesverfassungsschutzamt in Köln als Schiedsrichter über den Streit im Berliner Amt anzurufen*).
Daraufhin ließ die Kölner Zentrale das Westberliner Landesamt zweimal gründlich durchleuchten. Der Röntgenbefund fiel so aus, daß sowohl Dr. Friedrich als auch sein Stellvertreter Alwin Cäsar Hardtke in Urlaub gingen**).
Dr. Friedrich mußte am 9. November sämtliche Unterlagen und Schlüssel des Landesamtes an den neuen Leiter, den bisherigen Referenten des Bundesverfassungsschutzamtes, Wichmann, übergeben. Neben dem kommissarischen Amtsleiter Wichmann agiert jetzt auch noch ein Kölner Nachrichtenfachmann als Stellvertreter.
Weitere Umbesetzungen sollen folgen. Die Kölner Bundeszentrale will jetzt auf dem glitschigen Terrain Westberlins hart am Eisernen Vorhang vorexerzieren, wie der Verfassungsschutz organisiert werden muß, wenn er seine eigentliche Funktion - Abwehr der Ostinfiltration, Schutz der demokratischen Ordnung vor Zersetzung und Unterwanderung - erfüllen soll.