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»Ich bin heute eine ganz andere Frau...«

Gerhard Mauz zum vierten Prozeß gegen Ursula Eckwert in Hagen *
Von Gerhard Mauz
aus DER SPIEGEL 30/1986

Dreimal ist der Strick gerissen. Beim vierten Versuch klappt es endlich. Die Delinquentin hängt ...

Ärgerlich diese journalistischen Übertreibungen, unverschämt und beleidigend. Artikel 102 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland lautet: »Die Todesstrafe ist abgeschafft.« Bei uns wird nicht gehängt. Bei uns wird überhaupt nicht hingerichtet.

Aber wie soll man es denn nennen. *___wenn eine Frau zunächst zwölf Jahre Freiheitsstrafe ____erhält. *___wenn eine zweite Hauptverhandlung gegen diese Frau ____abgebrochen wer den muß, weil Verfahrensbeteiligte ____andere Termine wahrzunehmen haben. *___wenn ein dritter Prozeß ein auf neun Jahre ____Freiheitsstrafe lautendes Urteil erbringt *___und wenn endlich ein viertes Gericht auf die ____lebenslange Freiheitsstrafe erkennt?

Zwischen dem ersten Urteil, das am 14. Februar 1983 verkündet wurde, und dem letzten, das am 9. Juli 1986 erging, liegen mehr als drei Jahre. Die Tat, über die zu befinden war, geschah in der Nacht vom 22. auf den 23. März 1982. In dieser Nacht hat Ursula Eckwert ihren Ehemann Peter getötet.

Seit Mai 1982 befindest sich Ursula Eckwert, die am Samstag vergangener Woche 37 Jahre alt wurde, in Untersuchungshaft. Nach dem Strafmaß des vorletzten, auf neun Jahre Freiheitsstrafe lautenden Urteils war für sie, wäre es dabei geblieben, die Aussetzung zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe immerhin in Sicht.

Jetzt liegt vor ihr, von einem Augenblick auf den anderen, die Wüste einer Haftzeit, die nicht enden will. Sie wird an die fünfzig Jahre alt sein oder älter, wenn sie noch einmal in Freiheit kommt. Und die Freiheit war doch schon greifbar nah.

Für Ursula Eckwert ist der Strick dreimal gerissen, bevor man sie im vierten Anlauf nun doch gehängt hat.

Es wird, weil es die Todesstrafe in der Bundesrepublik nicht mehr gibt (und weil das für allzu viele ein fast unerträglicher Verzicht ist), verdrängt, was Freiheitsentzug zufügt. Sosehr uns das Leben unterläuft und wenn wir es auch wie ein Geschwätz verbringen - das, was man Freiheit nennt, ist Freiheit, selbst wenn es nur eine Illusion von Freiheit wäre.

Es wird seit dem Verzicht auf die Todesstrafe nicht weniger hart bestraft, nur unblutig. Und auch die Überprüfung des Lebenslang nach 15 Jahren, die zur Gnade und zur Aussetzung zur Bewährung führen kann, mildert die Höchststrafe nicht.

Das sollte jene zufriedenstellen, die auf einem Höchstmaß von Vergeltung des Tatopfers und der Abschreckung wegen meinen bestehen zu müssen. Das zwingt aber auch zur Kritik, wenn sich zeigt, daß die strafrechtliche Reaktion auf das Kapitalverbrechen (und das kapitalste Verbrechen ist und bleibt die Tötung eines Menschen) in Grenzfällen zu barbarischen Härten führen kann.

Am 14. Februar 1983 verurteilte die Große Strafkammer I des Landgerichts Detmold Ursula Eckwert zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe wegen Mordes. Sie habe ihrem arglosen Ehemann eine hohe Dosis des einschläfernd wirkenden Medikaments Lexotanil in das Essen gemischt. Als er fest schlief, habe sie ihn getötet, indem sie mit einem äthergetränkten Wattebausch oder auf andere Weise seine Atemwege verschloß.

Auf die vom Gesetz vorgeschriebene lebenslange Freiheitsstrafe für Mord erkannte das Gericht jedoch nicht. Es bezog sich auf einen Beschluß des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Mai 1981: »Auch wenn in Fällen heimtückischer Tötung außergewöhnliche Umstände vorliegen, auf Grund welcher die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheint, ist wegen Mordes zu verurteilen. Es ist jedoch der Strafrahmen des 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB anzuwenden.«

Der 49 StGB handelt von »Besonderen gesetzlichen Milderungsgründen« und ließ im Fall Eckwert, wenn man sich auf den Beschluß des Großen Senats stützen konnte, eine Freiheitsstrafe zwischen drei und fünfzehn Jahren zu. Den Bezug auf diesen Beschluß begründete das Gericht so: _____« Die Angeklagte ist ihrer unwiderlegten Darstellung » _____« zufolge über Jahre schwer wiegenden Demütigungen wie » _____« schweren Beleidigungen, Mißhandlungen und mit Gewalt » _____« erzwungenen sadistischen For men des Geschlechtsverkehrs » _____« und Be drohungen für den Fall der Scheidung ausgesetzt » _____« gewesen, die sich ständig ver mehrt haben. Das ist ein » _____« ständig neu angefachter zermürbender Konflikt, wie er in » _____« der Entscheidung (des Großen Senats) beispielhaft für das » _____« Vorhandensein außer gewöhnlicher Umstände geführt worden » _____« ist. Unter Berücksichtigung dieser, der Angeklagten » _____« zugefügten Demütigungen wäre die Verhängung lebenslanger » _____« Frei heitsstrafe eine unverhältnismäßige Folge der Tat » _____« gewesen. »

Doch am 22. September 1983 hob der 4. Strafsenat des BGH dieses Urteil auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin im Strafausspruch auf und verwies die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Detmold zurück. Die Erwägungen des Gerichts seien rechtsfehlerhaft. Der Beschluß des Großen Senats des BGH habe nichts daran geändert, »daß im Regelfall für eine heimtückisch begangene Tötung auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist«.

Die Wertung des Detmolder Gerichts ergebe nicht, daß die Tat der Angeklagten als »Grenzfall« im Sinne des Beschlusses zu kennzeichnen sei. Denn das

Gericht halte der Angeklagten bei der Strafzumessung vor, _____« »daß sie sich nicht intensiver um einen anderen » _____« Lösungsweg bemüht hat. Da der Konflikt sich über eine » _____« lange Zeit erstreck te, hatte sie auch entsprechend Zeit » _____« zu überlegen. Ihr Ehemann hat sie zwar un widerlegt für » _____« den Fall der Scheidung be droht. Nach Überzeugung des » _____« Gerichts hatte sie aber die Möglichkeit gehabt, sich auf » _____« andere Weise von ihrem Ehemann zu trennen...« Diese » _____« Erwägungen waren nicht erst bei der Bemessung der Strafhö » _____« he von Bedeutung; das Landgericht muß te sie vielmehr » _____« bereits bei der Prüfung, ob außergewöhnliche Umstände im » _____« Sinne der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen » _____« vorliegen, anstellen. Mögli cherweise hätte bereits die » _____« Einbeziehung dieser Erwägungen in die Prüfung zur » _____« Verhängung der lebenslangen Freiheits strafe geführt. »

Im Januar 1984 endet in Detmold der zweite Prozeß gegen Ursula Eckwert, nachdem die Angeklagte zur Person und zur Sache gehört worden ist. Warum man in eine Terminnot hineintappt, bleibt unbegreiflich, denn es kann kein Beteiligter angenommen haben, man werde mit einem Tag auskommen. Ursula Eckwert hat den für sie heikelsten Teil der Hauptverhandlung ein zweites Mal für nichts und wieder nichts zu absolvieren - danach wird abgebrochen und für den März neu terminiert. Der dritte Prozeß bringt dann am 12. März 1984 die Verurteilung zu neun Jahren.

Am 25. Oktober 1984 hebt der 4. Strafsenat des BGH auch dieses Urteil auf. Aus zweieinhalb Blatt für die Gründe werden diesmal sechseinhalb, denn nun ist der Senat zornig und wird stellenweise sarkastisch. Aus seinen Erwägungen habe das Gericht »auch nicht mehr als die Erkenntnis zu gewinnen vermocht, daß es der Angeklagten schwergefallen sei, gesetzestreu zu bleiben. Inwieweit ihre Schuld gemindert war, ergibt sich daraus nicht«.

Das Gericht hätte seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Senates in der ersten Aufhebung zugrunde legen müssen: »Das hat es nicht getan.« Wiederum sei nicht geprüft worden, »ob die Angeklagte andere Möglichkeiten als die Tat hatte, um einen Ausweg aus ihrer Lage zu finden«. Der Senat verweist die Sache an »eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Hagen« zurück.

Nun ist also in Hagen zum vierten Mal gegen Ursula Eckwert verhandelt worden. In einem Bericht über den ersten Prozeß hieß es 1983: »Die junge Frau auf der Anklagebank des Detmolder Schwurgerichts muß einmal sehr attraktiv gewesen sein. Jetzt schaut sie blaß und verhärmt aus. Neun Monate Untersuchungshaft haben unübersehbare Spuren hinterlassen.« Von Ringen unter den Augen und vorzeitig ergrautem Haar war die Rede, und die Angeklagte trug ein schwarzes Kleid mit weißem Kragen und weißen Manschetten.

1986 - eine Mähne, ein blonder Lockenkopf, über dem weißen Rock eine tief ausgeschnittene weiße Bluse, hohe Absätze und Augen, die so ummalt sind, daß die Angeklagte mit ihnen wackelt wie andere mit dem Po. Diese Ursula Eckwert soll ein »Ehemartyrium« erlitten haben«? Nur an einem Tag (unser Bild) steckt sie die Haarpracht im Nacken zusammen, trägt sie ein braves weißes Kleid. Offenbar hat ihr Verteidiger, der Rechtsanwalt Dr. Holger Rostek, Bielefeld, ihr gesagt, wie leicht es ihr Aufzug den fünf Männern macht, die über sie zu Gericht sitzen. Doch dann schon wieder ein kurzer, enger Lederrock, Strümpfe mit Naht und Schmetterling.

Als der Vorsitzende Richter Klaus-Peter Kremer, 54, sie einmal darauf hinweist, daß er sich all das, was sie vorbringe, bei einer Frau wie ihr gar nicht vorstellen könne, antwortet sie: »Ich bin heute eine ganz andere Frau, mit der vor fünf oder zehn Jahren nicht zu vergleichen. Ich habe in der Justizvollzugsanstalt unheimlich viel Selbstvertrauen bekommen.«

Doch sie verwechselt Selbstvertrauen mit Selbstbehauptung. Sie muß einfach zeigen und ausstellen, was ihr geblieben ist. Ihr Aussehen. Ihre sogenannte Attraktivität. Die haben ihr auch geholfen die Haft bis heute zu überleben. Sie ist ein bunter Vogel, sie prägt sich ein, sie ist freundlich, jedermann zugewandt, doch sie kann nicht unterscheiden, was ihr nutzt und was ihr schadet.

Dreizehnmal hat sie zu Protokoll, gegenüber Sachverständigen und vor den Gerichten ausgesagt, was war und wie es dazu gekommen ist. Was soll da nun noch sein, woraus sich ein Bild gewinnen läßt?

Sie war 18, als sie den vier Jahre älteren Peter Eckwert heiratete. Die Familien waren dagegen, zu jung die beiden, zu früh die Bindung. Enttäuschung in der sexuellen Beziehung, ihrer ersten, nie Erfüllung im Körperlichen. Zwei Kinder, ein Sohn und eine Tochter. Eine Schwangerschaftsunterbrechung. Eine Totaloperation. Ihr Mann war kein Alkoholiker, daran hat sie immer festgehalten. Doch sie hat auch seit 1982 immer gesagt, ihr Mann habe oft zu Hause getrunken, und dann sei er ein ganz anderer, »charakterloser« Mensch gewesen, »pervers«, er habe sie gequält und ihr Gewalt angetan.

Nach der Totaloperation sei sie für ihn keine vollgültige Frau mehr gewesen, sei er brutal mit ihr umgegangen, bis ihr vor ihm ekelte. Und immer, schon vor der Heirat, habe er sie mit grundloser, krankhafter Eifersucht verfolgt. Von 1978 an hat sie wieder halbtags gearbeitet, die Familie war in Schulden geraten. Als Telephonistin und Empfangsdame in einem Photostudio für Industriewerbung kam sie an bei der Kundschaft und bei den Kollegen, alle mochten sie, und das war es, was sie brauchte, gemocht, geschätzt werden ohne Probleme. Und endlich wurde sie auch von einem Kollegen begehrt und ließ sich mit ihm ein. Bei ihm fand sie, was sie bei ihrem Mann nie gehabt hatte.

Sie hat ihrem Mann Lexotanil gegeben, einen Tranquilizer, der ihr einmal verordnet worden war. Äther will sie sich beschafft haben für den Fall, daß ihr das Medikament ausging. Sie hält daran fest, daß sie ihren Mann in der Nacht vom 22. auf den 23. März 1982 nicht hat töten wollen, doch das hat nichts mehr zu bedeuten, ihre Verurteilung wegen Mordes ist rechtskräftig. Auch hat sie ja einmal gesagt, ihr sei bei dem letzten Versuch, sich Ruhe vor ihrem Mann zu verschaffen, gleichgültig gewesen, was daraus wurde. Denn unmittelbar vorher sei ihr von ihrem Mann besonders brutal Gewalt, Analverkehr, angetan worden.

In dieser vierten Hauptverhandlung war nichts mehr so festzustellen, daß man davon ausgehen darf, es sei wenigstens eine Annäherung an die Wahrheit gelungen. Sollte Ursula Eckwert frühere

Aussagen mit »Zugaben« angereichert haben, so muß das nicht bedeuten, daß sie ihre Ehe schon immer falsch dargestellt hat. Sie hat kein ernst zu nehmendes »Aussageverhalten« mehr.

In der dritten Hauptverhandlung hatte der Psychologe Siegfried Binder als Sachverständiger anderthalb Stunden lang vorgetragen, er ist in allen Prozessen dabeigewesen. Sein Gutachten war das Fundament des auf neun Jahre lautenden Urteils. Diesmal genügten dem Sachverständigen knapp dreißig Minuten. Er schilderte die Techniken der Unterordnung und der Anpassung, mit denen Ursula Eckwert lebte und lebt, den passiven Grundton ihres Wesens. Er konnte sich eine Dynamik des Partnerkonflikts der Eckwerts vorstellen, die zu einer immer stärkeren Ablehnung auf ihrer und zu einer sich steigernden Brutalität auf seiner Seite geführt hat.

Die Sachverständige Professorin Elisabeth Müller-Luckmann benötigte 16 Minuten, um sich ihm anzuschließen. Zusätzlich trug sie vor, Ursula Eckwert habe niemals ein Vertrauensverhältnis gehabt, nie gelernt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Die Sachverständige, auf dem Höhepunkt ihres Könnens und ihrer Geltung, gab dem Gericht zwei Motivthesen zu den Einlassungen der Angeklagten zur Auswahl. Sie hinterließ Ratlosigkeit und eine brillante Formulierung. Fälle konstanter Arbeitsleistung bei gleichzeitiger tiefgreifender Privatproblematik seien durchaus bekannt, insbesondere bei Frauen: »Lieber Neider als Mitleider«.

Von der Unwirklichkeit alles dessen, was in der vierten Hauptverhandlung gesagt wurde, hat keiner der Sachverständigen gesprochen.

Staatsanwalt Manfred Rösner, 51, beantragte die lebenslange Freiheitsstrafe. Ursula Eckwert hat immer gesagt, die Scham habe sie daran gehindert, irgend jemandem anzuvertrauen, was in ihrer Ehe vor sich ging: »Die Überwindung der Scham wäre der Angeklagten zuzumuten gewesen.«

Verteidiger Rostek hielt ein dreistündiges, gewaltiges Plädoyer. Das Gericht habe sich in der Beweisaufnahme »schlicht und pingelig« an die Vorgaben des 4. Strafsenats gehalten. Der Verteidiger warf sich vor, nicht von Anfang an und durchgehend Widerstand geleistet zu haben.

Zu einem anderen Ergebnis hätte freilich auch eine andere Taktik der Verteidigung nicht geführt. Das Gericht zeigte sich beeindruckt vom Plädoyer des Verteidigers, doch folgte es ihm in keinem Punkt, es erkannte auf Lebenslang. Dieses Urteil, gegen das der Verteidiger Revision eingelegt hat, wird vor dem 4. Strafsenat des BGH bestehen, denn es berücksichtigt seine Hinweise lückenlos. Alles wird gegen die Einlassung Ursula Eckwerts gedeutet - auch der Fleiß und die Pünktlichkeit des getöteten Peter Eckwert, das »objektive Bild«, das seine Verwandten als Zeugen gaben.

Doch was sagt alles, was in vier Hauptverhandlungen gegen Ursula Eckwerts Darstellung ihrer Ehe gesammelt worden ist, in Wahrheit gegen ihre Darstellung aus? Über eine Ehe wissen nur die Partner Bescheid. In Hagen ist sogar der Sohn der Angeklagten als Zeuge über die Ehe seiner Eltern gehört worden. In den ersten drei Prozessen war er noch zu jung. Nun ist er sechzehn und kann gegen die Mutter für seinen toten Vater eintreten, in dessen Familie er seit 1982 lebt.

Ursula Eckwert habe sich nicht um eine Hilfe gegen den von ihr behaupteten Leidensdruck ihrer Ehe bemüht. Wenn ihr Mann ihr und den Kindern den Tod angedroht hätte, falls sie ihn verließ oder auf Scheidung bestand, hätte es Hilfen in Fülle, von der Telephonseelsorge bis zu Anwälten, gegeben. Die wechselnden Angaben der Angeklagten hätten ihre »Lügenhaftigkeit« erwiesen.

Gewisse krasse Passagen im Plädoyer des Verteidigers Rostek hat das Gericht am Ende der mündlichen Urteilsbegründung beanstandet, es habe nur seine engagierten Ausführungen nicht unterbrechen wollen. Daß Staatsanwalt Rösner von der »Blauäugigkeit« der Detmolder Gerichte gesprochen hat, ist nicht beanstandet worden.

Doch das erste Urteil in Detmold, das nicht auf Lebenslang, sondern auf zwölf Jahre lautete, kam unter schwerstem Druck des öffentlichen Interesses und allgemeiner Empörung zustande. Und das zweite, auf neun Jahre lautende Urteil wurde gefällt, obwohl der 4. Strafsenat unmißverständlich auf Lebenslang drängte. Die beiden Gerichte, die zeitlich und örtlich der Tat viel näher waren, sollen gröblich geirrt haben. In Hagen, mehr als vier Jahre nach der Tat und auf dem Schutt von drei Hauptverhandlungen, will man endlich die Wahrheit gefunden haben. Doch man hat sie nicht erst gesucht. Man hatte sie ja schon - die Wahrheit des 4. Strafsenats.

Der BGH hat als Revisionsinstanz über die Rechtsprechung zu wachen, über die Grundsätze der Bewertung und Würdigung. Doch wenn es, wie hier, um die Tötung eines Ehemanns durch seine Frau geht, um die Tötung des Intimpartners: hat dann nicht das Tatgericht, das die Angeklagte und die Zeugen gesehen und gehört hat, einen Vorsprung vor dem Revisionsgericht, der respektiert werden muß?

Oft ist man dankbar, wenn die Revisionsrichter eingreifen und Schutz vor dem Tatrichter gewähren, der zu nah an der Tat war. Doch zumindest in Strafsachen wie dieser sollte der Tatrichter nicht dem Befehl der Revisionsinstanz unterworfen werden. Die Detmolder Gerichte mögen die Ergebnisse ihrer Beweisaufnahmen rechtlich falsch umgesetzt haben. Doch sie hatten Ergebnisse, die ihnen das Lebenslang unangemessen erscheinen ließen.

Beim vierten Versuch hat es endlich geklappt. Die Delinquentin hängt. _(Von links: Sachverständiger Binder, ) _(Verteidiger Rosteck, Staatsanwalt ) _(Rösner. )

Von links: Sachverständiger Binder, Verteidiger Rosteck,Staatsanwalt Rösner.

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