SPIEGEL Gespräch »Ich mache den Deutschen ein Angebot«
SPIEGEL: Majestät, Sie fordern eine erhebliche Ölpreiserhöhung. Wie hoch sollte sie sein und ab wann sollte der neue Preis gelten?
SCHAH: Zuerst einmal: Ich habe nicht erhebliche Erhöhungen gefordert. Ich habe gesagt, daß wir beträchtliche Kaufkraftverluste seit der letzten Ölpreiserhöhung hinnehmen mußten ...
SPIEGEL: Seit der letzten Erhöhung im Oktober 1975?
SCHAH: Ja. Seit dem letzten Mal haben wir die Preise eingefroren, um der Welt eine Chance zu geben, ihre Wirtschaft zu stabilisieren und ihre Inflation in den Griff zu bekommen, aber wir haben seitdem, da die Inflation in einigen europäischen Ländern so verzweifelt hoch aufgelaufen ist, bestimmt 40 Prozent unserer Kaufkraft verloren.
SPIEGEL: Um wieviel wollen Sie denn die Preise heraufsetzen?
SCHAH: Wie sollte der Ölpreis überhaupt aussehen? Einerseits muß er den Preisen neuer Energiequellen entsprechen: Sonnenenergie, Erdgasenergie, Kernenergie, was man dem Meer abringen kann, und wahrscheinlich viele andere Arten. Und dann, wenn Sie diese neuen Energiequellen haben -- und Sie müssen sie sich verschaffen -, muß man zu einer Vereinbarung kommen, zu welchem Preis Sie bereit sind, uns diese Produkte zu verkaufen.
SPIEGEL: Das ist ein Blick sehr weit in die Zukunft.
SCHAH: Sehr weit in die Zukunft, denn das Öl wird in zwanzig Jahren zu Ende gehen. Wenn Sie also unser Öl jetzt für nichts oder fast nichts verbrauchen wollen und dann uns für Ihre Ent-
* Mit SPIEGEL-Redakteuren Johannes K. Engel, Werner Funk und Siegfried Kogelfranz. Im Hintergrund rechts: Schah-Leibwächter.
deckungen den Preis unseres Blutes zahlen lassen möchten, müssen Sie in Betracht ziehen, welches der entsprechende Preis neuer Energiequellen ist. Und wenn das geschehen ist, dann wird mein Traum wahr werden und Öl nicht mehr für die üblichen Zwecke benutzt werden wie gegenwärtig.
SPIEGEL: Als Treibstoff ...
SCHAH: Ja oder zum Heizen oder zur Erzeugung von Elektrizität. Es sollte nur zur Herstellung petrochemischer Produkte benutzt werden. Statt zwanzig Jahre sollte es zweihundert Jahre reichen.
SPIEGEL: Aber mit der nächsten Ölpreiserhöhung muß man in der nahen Zukunft rechnen. Venezuela fordert jetzt eine 25prozentige Erhöhung ab Dezember. Würden Sie sagen, daß das eine durchsetzbare Forderung ist?
SCHAH: Durchsetzbar ist es, denn alles ist durchsetzbar.
SPIEGEL: Zu diesem Zeitpunkt? Wirklich?
SCHAH: Wir würden nicht auf soviel drängen.
SPIEGEL: Für wieviel würden Sie denn geradestehen?
SCHAH: Nun, ich meine, eine sehr vernünftige Erhöhung wäre ungefähr 15 Prozent.
SPIEGEL: Wie sind Sie oder Ihre Preisanalytiker auf diese 15-Prozent-Zahl gekommen? Aufgrund einer Analyse, die Sie anfertigen ließen -- oder handelte es sich nur um eine fundierte Schätzung, bis zu welchem Niveau der Preis angehoben werden könnte?
SCHAH: Es handelt sich, wie Sie sagen, um eine fundierte Schätzung und um das äußerste Minimum, weil einige Leute, wie ich schon sagte, 40 Prozent verlangten, andere 25 Prozent, vielleicht würden wieder andere 10 Prozent sagen. Ich weiß nicht. Aber das gehört zu den niedrigstmöglichen Zahlen.
SPIEGEL: Augenscheinlich klaffen die Interessen der Opec-Länder weit auseinander. Die Saudi-Araber nehmen mehr Geld ein, als sie ausgeben können. Venezuela oder der Iran geben mehr aus, als sie einnehmen. Angesichts dieser Differenzen wird es da für die Opec-Länder möglich sein, eine endgültige Entscheidung auf ihrer Dezember-Tagung herbeizuführen?
SCHAH: Diesmal glaube ich schon, weil jedermann den enormen Verlust an Kaufkraft spürt.
SPIEGEL: Aber Scheich Jamani von Saudi-Arabien sagt, er sei überhaupt gegen jede Ölpreiserhöhung.
SCHAH: Nun, wir werden sehen.
SPIEGEL: Majestät, Sie erwähnten den Preisanstieg bei industriellen Gütern. Sie sagten, er belaufe sich auf 40 Prozent. Aber eine detaillierte Studie der Petroleum Industry Research Foundation in New York bestreitet das glatt. Sie ermittelte in ihren Analysen, daß die Preissteigerung bei importierten Gütern für Sie nur 2,7 Prozent betrug für den Zeitraum vom 3. Quartal 1975, als die letzte Ölpreiserhöhung verkündet wurde, bis zum 3. Quartal 1976. Immer auf Dollar-Basis, weil die Ölpreise der Opec ja auch auf Dollar berechnet werden und Sie von der Erholung des Dollar profitieren.
SCHAH: Sie meinen den Iran?
SPIEGEL: Ja.
SCHAH: Das ist lächerlich. Ich sehe die Zahlen jeden Tag. Wir haben unsere eigenen Statistiken.
SPIEGEL: Legen Ihre Statistiken auch den Dollar zugrunde?
SCHAH: Für einige der Waren, die wir in den Vereinigten Staaten kauften. haben wir 400 Prozent mehr bezahlt.
SPIEGEL: Vielleicht Waffen? Industriegüter aus Westdeutschland sind nur wenig im Preis gestiegen.
SCHAH: Das ist nicht meine Schuld. Ich habe vorgeschlagen, den Ölpreis an einen Index von Industriegütern zu binden. Die Industriewelt hat das nicht akzeptiert.
SPIEGEL: Es ist sehr umstritten. Unsere Wirtschaftler glauben, daß man niemals den Preis einer einzigen Ware, den Ölpreis, also immerhin den Brotpreis der industrialisierten Länder, an vielleicht hundert verschiedene Erzeugnisse binden kann, die in verschiedenen Ländern unter unterschiedlichen Bedingungen zu verschiedenen Preisen hergestellt werden.
»Was wir in Deutschland kaufen, das ist sehr viel.«
SCHAH: Ich bin sogar bereit, einer Indexbindung auf bilateraler Basis zuzustimmen.
SPIEGEL: Von einem solchen Vorschlag hören wir jetzt zum ersten Mal.
SCHAH. Ich werde Ihnen nun mal folgendes sagen: Zum Beispiel würde ich meine Preise mit Deutschland an einen Index binden, diesen Preis für jene Menge Öl. 75 Prozent davon nach einem Index, 25 Prozent würden Sie in internationaler Währung bezahlen.
SPIEGEL: Wann würden Sie das vorschlagen?
SCHAH: Ich tue es heute, in diesem Moment. Ich mache Ihnen den Vorschlag. Man könnte darüber in Paris sprechen, aber dort erreicht man nichts*.
SPIEGEL: Was für Arten industrieller Güter sollten denn auf dem Index stehen? Wie viele Güter kann man zum Vergleich heranziehen?
SCHAH: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir können über alles reden, was wir in Deutschland kaufen.
SPIEGEL: Wie viele Waren, würden Sie sagen, sollten verglichen werden?
SCHAH: Das kann ich Ihnen nicht sagen.
SPIEGEL: Es wären nicht nur, sagen wir mal, ein halbes Dutzend?
SCHAH: Ich kann es Ihnen nicht sagen. Die Zahl ist enorm, sie ist enorm. Was wir in Deutschland kaufen, das ist sehr viel.
SPIEGEL: Es sollte zwischen unseren beiden Ländern erarbeitet werden?
SCHAH: Ich meine, das kann geschehen. Wenn Sie interessiert sind.
SPIEGEL: Dieser neue Vorschlag ist gewiß interessant. Es würde bedeuten, daß Westdeutschland mit seiner Preis-
* Seit April 1975 beraten in Paris die Vertreter von acht Industrie- und 19 Entwicklungsländern auf der sogenannten Nord-Süd-Konferenz über einen Ausgleich ihrer Handels- und Wirtschaftsinteressen -- bisher ohne Ergebnis.
disziplin nicht für die Sünden anderer Länder zu zahlen hätte und am Ende einen niedrigeren Ölpreis als viele andere Länder bekommen würde?
SCHAH: Wenn Deutschland interessiert ist, können wir es diskutieren.
SPIEGEL: Majestät, um auf die Ölgespräche der Opec-Länder zurückzukommen, die für Dezember vorgesehen sind: Im Westen fürchten die Experten, daß die Ölpreiserhöhung, für die Sie eintreten, der nur langsam vorankommenden wirtschaftlichen Erholung der Industrienationen einen schweren Schlag versetzen würde -- und die Erholung verlangsamt sich ja sogar schon in den wirtschaftlich gesündesten Ländern, den Vereinigten Staaten, Deutschland und Japan. Wären Sie bereit, das Risiko eines neuen weltweiten wirtschaftlichen Einbruches auf sich zu nehmen, der unzweifelhaft auch Ihr Land in Mitleidenschaft ziehen würde?
SCHAH: Ich meine, die Frage ist einseitig gesehen, weil das Risiko, die westliche Zivilisation zu zerstören, durch das Weiterbestehenlassen einer permissiven Gesellschaft bewirkt wird.
SPIEGEL: Aber eine permissive Gesellschaft ist doch nicht verantwortlich für die Inflation.
SCHAH: Sie war es. Wir kennen Länder, in denen die Inflation eine Größenordnung von 32 Prozent hat, und das wissen Sie. In Deutschland haben Sie eine Rate von 4 Prozent.
SPIEGEL: Jetzt 3,8.
SCHAH: Vielleicht 3,8.
SPIEGEL: Nach den letzten Zahlen haben die europäischen OECD-Länder ihre Inflation fast halbiert. Die Europäer haben also etwas getan und die Frage ist, ob wir nicht alle besorgt sein sollten, daß eine neue Erhöhung des Ölpreises gerade in diesem Augenblick, in dem eine noch stolpernde Wirtschaft gerade in Gang kommt ...
SCHAH: Ich werde Ihre Frage beantworten, wenn Sie mir sagen, welche Auswirkung die Preiserhöhung schließlich auf die Weltwirtschaft haben könnte, wo doch die 400prozentige Ölpreiserhöhung des Jahres 1973 nur 1,5 Prozent mehr Inflation bewirkt hat.
SPIEGEL: Es geht nicht nur um die Inflation. Das Problem ist auch die Arbeitslosenzahl. Alles hängt am Ölpreis.
SCHAH: Arbeitslosenzahlen -- da gibt es eine sehr seltsame Situation. In Deutschland und in England haben Sie über drei Millionen Ausländer. Also reden Sie mir nicht von Arbeitslosigkeit.
SPIEGEL: Es gibt strukturelle Arbeitslosigkeit. Arbeitnehmer gewisser Sparten können keine Beschäftigung in ihren Berufen finden.
SCHAH: Schicken Sie sie her.
SPIEGEL: Haben Sie denn nicht auch Arbeitslosigkeit in Ihrem Land?
SCHAH: Wir?
SPIEGEL: Ja.
SCHAH (lacht): Wir holen eine ganze Menge Leute ins Land.
SPIEGEL: Fachkräfte?
SCHAH: Manchmal sogar Hilfsarbeiter.
»Ich bin nicht der Falke der Opec-Länder.«
SPIEGEL: Majestät, vielleicht könnten die wenigen wirtschaftlich stabilen Länder der Welt -- wie die USA und Deutschland und vielleicht Japan -- eine mäßige Ölpreiserhöhung zum jetzigen Zeitpunkt absorbieren. Aber wie steht es mit Ländern wie Italien, Großbritannien und vielleicht sogar Frankreich, die große Zahlungsbilanzprobleme haben -- für die könnte es doch eine Katastrophe bedeuten. Nach einer kürzlich vorgenommenen Untersuchung der EG würde eine etwa 10prozentige Ölpreiserhöhung der EG-Wirtschaft eine zusätzliche Bürde von 16 Milliarden Mark auferlegen. Frankreich: 4 Milliarden Mark, Italien: 2,6 Milliarden Mark, Deutschland 4 Milliarden Mark, England 2,9 Milliarden Mark und so weiter.
SCHAH: Zuerst einmal: England hat Öl entdeckt und das verändert das Bild erheblich. Wir sollten daher England bei dieser Frage außer acht lassen.
SPIEGEL: Die Engländer haben gerade begonnen ...
SCHAH: Warten wir einmal bis 1978. Dann wird das ganz anders aussehen. Bis 1978 können sie diesen Schock schon verkraften und dann werden sie die Früchte ernten. Frankreich: Da kann ich denselben Vorschlag machen, den ich Ihnen gemacht habe -- zweiseitige Indexbindung.
SPIEGEL: Index-Bindung an die Preise französischer Industriegüter?
SCHAH. 75 Prozent. Den Rest in bar. da wir ja auch woanders kaufen. Für Italien genauso, wenn sie es wollen.
SPIEGEL: Sie würden dann also zwei Arten von Handelspartnern schaffen: die einen, die Index-Abkommen mit Ihnen haben -- und die anderen, die das nicht haben?
SCHAH: Gewiß. Ich bin bereit, es mit allen zu machen, die daran interessiert sind. Vielleicht werden andere Länder folgen, wenn ich es erst einmal getan habe.
SPIEGEL: Meinen Sie, daß andere Opec-Länder das auch gern machen würden?
SCHAH: Vielleicht diejenigen, die in meiner Lage sind, durchaus. Diejenigen, die kaufen, manchmal sogar borgen.
SPIEGEL: Sie haben vor wenigen Wochen gesagt, die Weltwirtschaft befinde sich in einem schlimmen Zustand. Jahrelang haben Sie sich nun sehr intensiv mit der Weltwirtschaft beschäftigt. Würden Sie sagen, daß in der Wirtschaftspolitik der westlichen Länder irgend etwas grundlegend falsch gemacht wird?
SCHAH: Die Realitäten haben sie noch nicht aufgerüttelt. In ihren innersten tiefsten Gefühlen waren sie blockiert und verfolgten weiter das alte System der Ausbeutung.
SPIEGEL: Das trifft gewiß nicht auf unser Land zu.
SCHAH: Deutschland ist in Ordnung, denn die Deutschen sind ein hart arbeitendes Volk und man kann ihnen viele, viele Sünden der Vergangenheit vorwerfen, aber Ausbeutung gewiß nicht.
SPIEGEL: Wir hatten Kolonien ja auch nur für eine kurze Zeitspanne.
SCHAH: Ja, und vielleicht ist das einer der Gründe, warum Ihnen klar ist, daß Sie arbeiten und exportieren müssen, um Ihr Haus in Ordnung zu halten.
SPIEGEL: Sollte es nun durch eine Ölpreiserhöhung zu einer neuen weltweiten Rezession kommen, würde die Nachfrage nach Öl wie bei der letzten Krise gewiß stark zurückgehen. Von 1974 bis 1975 sank die Ölausfuhr der Opec-Länder um insgesamt 20 Prozent. Ihr Land verlor 12 Prozent seiner Ölausfuhr, und Sie mußten sich sogar zu Preisnachlässen bereit finden, um den Verkauf wieder anzukurbeln. Könnte eine Preiserhöhung zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu weniger Einnahmen für Ihr Land führen?
SCHAH: Zuerst einmal: Wir haben keine Preisnachlässe gewährt. Das ist nicht richtig. Wir haben den Listenpreis dem Preis des im Persischen Golf geförderten Öls von gleicher Qualität angepaßt.
SPIEGEL: Wenn es zu einer Rezession käme, wären Sie dann bereit, ihre Produktion zu drosseln?
SCHAH: Gewiß. Ich bin nicht der Falke der Opec-Länder.
SPIEGEL: Einer der Falken?
SCHAH: Nein, überhaupt nicht. Es gab andere, die forderten 40 Prozent.
SPIEGEL: Welches Land war das?
SCHAH. Nun, ich möchte keinen Namen nennen.
SPIEGEL: 40 Prozent scheinen unerreichbar.
SCHAH: Okay. Venezuela fordert mehr als ich.
SPIEGEL: Meinen Sie nicht, daß in der jetzigen Situation neue Produktionseinschränkungen auf Sie zukommen? Und könnte der Iran sich das leisten?
SCHAH: Könnte? Wir müssen.
SPIEGEL: Eine neue Ölkrise würde auch eine Wertminderung Ihrer Investitionen in westlichen Ländern bedeuten, wie zum Beispiel Ihrer berühmten Krupp-Beteiligung.
SCHAH: Das glaube ich nicht. Das alles ist meiner Ansicht nach nur ein bißchen Einstimmung jener Kreise, die billige Energien bekommen. Die wollen nur eine Menge Lärm machen, um die Ölländer schließlich davon abzuhalten, das zu fordern, was normal ist. Die wollen uns nur erschrecken.
SPIEGEL: Majestät, können wir Ihnen bei dieser Gelegenheit eine Frage zu Krupp stellen: Ihre Beteiligung hat unser Finanz-Establishment etwas verblüfft. Der Preis von 875 Millionen Mark scheint den wahren Wert des 25prozentigen Anteils an einer Gesellschaft, die Geld in fast allen ihren Branchen verliert, bei weitem zu übersteigen. Was war denn an Krupp so attraktiv?
SCHAH: Krupps technisches Know-how.
»Das Investieren im Ausland war nicht interessant.«
SPIEGEL: Sie könnten doch auch Lizenzen erworben oder Experten von ihnen verpflichtet haben.
SCHAH: Das könnte man tun, aber wir glauben auch nicht, daß die Verluste bei Krupp weitergehen werden, aus vielen Gründen. Einerseits, für Krupp gibt es schon wegen dieser Beteiligung in unserem Land eine Menge Arbeit. Und wir können mit Krupp auch außerhalb meines Landes und Deutschlands in dritten Ländern arbeiten.
SPIEGEL: Aber war die Erfahrung, die Sie mit der Beteiligungsgesellschaft gemacht haben, die vor zwei Jahren in Zürich gegründet wurde, für Sie nicht sehr enttäuschend? Es scheint doch gar nichts dabei herausgekommen zu sein?
SCHAH: Wir haben uns gemeinsam in Brasilien etabliert.
SPIEGEL: Die Gesellschaft in Zürich hat bis jetzt nichts zustande gebracht.
SCHAH: Nun, es ist noch viel zu früh. Ich glaube nicht, daß wir das, was wir getan haben, bedauern werden.
SPIEGEL: Abgesehen von Ihrer Beteiligung bei Krupp scheinen Sie nicht daran interessiert gewesen zu sein, neue Beteiligungen zu erwerben. Was waren die Gründe?
SCHAH: Wir sind schon daran interessiert.
SPIEGEL: Aber Sie haben nichts erworben.
SCHAH: Nein, aber wir sind ständig auf der Suche.
SPIEGEL: Aber gibt es da nicht ein Problem? Im letzten Jahr scheint sich die Lage in Ihrem Land dramatisch verändert zu haben. Plötzlich fehlt Ihnen Geld. Der Iran mußte im Ausland Kredite aufnehmen. Und Ihr Etat hatte ein Defizit. Der fünfte Entwicklungsplan mußte zurückgeschraubt werden. Wenn Sie auf das Jahr 1975 zurückblicken, würden Sie dann der Meinung zustimmen, daß die Entwicklungspläne für Ihr Land vielleicht doch ein wenig zu ehrgeizig angelegt waren?
SCHAH: Kann sein. Das kann der Fall sein. Gewiß.
SPIEGEL: Bei uns nimmt man an, daß einige der Schwierigkeiten im Iran hausgemacht seien.
SCHAH: Ja.
SPIEGEL: Eine klare Antwort. Majestät, die vielen Milliarden Dollar, die den Ölproduzenten von den Industriestaaten zuflossen, haben bei vielen die Vorstellung einer historischen Verlagerung des Einflusses in der Welt entstehen lassen. Der Iran scheint sich zu einem wirtschaftspolitischen Zentrum entwickelt zu haben, wo die gemeinsame Zukunft entschieden wird. Würden Sie sagen, das sei richtig, oder würden Sie der Studie des Hudson-Institutes zustimmen, die 1975 zu dem Schluß kam, daß die tatsächlichen Zahlen dieser Meinung völlig entgegenstehen? In der Studie hieß es: Bei allen Ölländern -- Iran eingeschlossen -- handelt es sich in Wahrheit um zerbrechliche Wirtschaftsgebilde in den Frühstadien nationaler Entwicklung.
SCHAH. Nun, das mag in wenigen Fällen so sein. Insgesamt kann ich unser Wirtschaftsgebilde nicht als zerbrechlich ansehen, da wir es mit einer Mischwirtschaft zu tun haben. Wir können eine Menge in der Landwirtschaft erreichen, wie auch auf dem Industriesektor ebenso wie bei der Ausbeutung der Bodenschätze. Jeden Tag entdecken wir neue Vorkommen. Bis vor sieben Jahren wußten wir nicht einmal, daß wir Kupfer in dieser Größenordnung haben. Nun wissen wir mit Sicherheit, daß wir über mehr als zwei Milliarden Tonnen Eisenerz verfügen. Bis vor einigen Monaten dachten wir, daß wir keine Phosphate haben. Jetzt haben wir Phosphat-Lager entdeckt. Das niedrigste Ziel wäre eine Fördermenge von einer Milliarde Tonnen Phosphat. Es gibt Expertisen, daß wir unter den Phosphaten Uran finden werden.
SPIEGEL: Um diese Schätze zu heben, werden Sie ein riesiges Programm in Gang setzen müssen -- ein Programm zur Entwicklung der Infrastruktur, der Ausbildung von Fachkräften. In Europa hat das Generationen gedauert.
SCHAH: Nun, es ist ohne Zweifel ein ehrgeiziges Vorhaben, aber wir haben den Vorteil, daß wir in den Entwicklungen Abkürzungen einschlagen und versuchen können, alle nachteiligen Erfahrungen zu vermeiden, die Sie machen mußten.
SPIEGEL: Haben Sie wirklich die Irrtümer der Entwicklungsländer vermieden? In Ihrem ersten Gespräch mit dem SPIEGEL, im Januar 1974, haben Sie uns erklärt, Sie würden das neu fließende Ölgeld in Ihrem Land erst investieren, nachdem die Infrastruktur verbessert wäre. Wir zitieren Sie: »Das heißt, ehe wir nicht die Fachkräfte haben, können wir ebenso gut im Ausland investieren.« Nun scheinen Sie gerade wegen der Mängel der Infrastruktur und des Mangels an Fachkräften Schwierigkeiten zu haben. Warum ist der Iran nicht seinen eigenen Prioritäten gefolgt?
SCHAH: Weil das Investieren im Ausland nicht interessant war.
SPIEGEL: Das haben Sie festgestellt, nachdem Sie sich umgesehen haben?
SCHAH: Nun, es war nicht interessant, weil wir nicht daran interessiert waren, nur Restaurants oder Spielkasinos zu kaufen.
SPIEGEL: Wir haben eine ganze Menge Berichte über Schwierigkeiten im Transportwesen in Ihrem Land gehört; angelieferte Güter blieben lange Zeit liegen, manchmal verrotteten sie im Freien. Es scheint eine Menge Vergeudung wegen der Mängel im Transportsystem gegeben zu haben. Hat die jetzige Kabinettsumbildung etwas mit dieser Situation zu tun? Sie haben, neben anderen, einen neuen Transportminister ernannt.
SCHAH: Dies könnte durchaus eine Demonstration unseres Willens sein, diese Dinge zu verbessern. Wir werden uns auf den Bau von Häfen, von Eisenbahnstrecken konzentrieren. Wir planen größere Landstraßen und Autobahnen von den Häfen zu den Zentren des Landes. Wir werden unsere Eisenbahn elektrifizieren.
»Die Verschwendungsorgie darf sich nicht wiederholen.«
SPIEGEL: In den letzten Tagen haben Sie einen neuen Abschnitt Ihrer Revolution verkündet -- Sie haben betont, daß die materielle »Verschwendungsorgie«, die dem plötzlichen Anschwellen der Öleinnahmen folgte, sich nicht wiederholen dürfte. Sie sagten: »Es handelte sich um eine kurze Periode, die jetzt endgültig vorüber ist.« Worauf zielten Sie?
SCHAH: Nachdem wir das viele Geld hatten, haben wir mit diesen Staatsausgaben angefangen, haben wir angefangen, Zuschüsse für fast alles zu zahlen. Wir werden das, was wir begonnen haben, weitermachen, denn wir können es nicht zurücknehmen. Aber in Zukunft wird es so etwas nicht mehr geben.
SPIEGEL: Aber Sie revidieren Ihren Entwicklungsplan deswegen nicht grundlegend?
SCHAH: Ich glaube nicht. Kann sein, daß wir jetzt ein paar Monate mehr benötigen. Aber in vielen Fällen wurden die ursprünglichen Pläne fast verdoppelt.
SPIEGEL: Sie sagten einmal, daß Sie innerhalb .von zwölf Jahren im Iran den gegenwärtigen Standard Europas erreichen würden. Ist dies noch immer Ihr Ziel?
SCHAH: Ich habe keinen Anlaß, entmutigt zu sein.
SPIEGEL: Nun, die letzte Rezession hatte niemand vorhersehen können ... SCHAH: Ihre Rezession?
SPIEGEL: Hatte unsere Rezession denn keine Auswirkungen auf den Iran?
SCHAH: Nicht in dem Ausmaß wie bei Ihnen. Nun, in Deutschland hatten Sie ja überhaupt keine Rezession ...
SPIEGEL: Unserer Meinung nach hatten wir sie durchaus, mit über einer Million Arbeitslosen ...
SCHAH: Das kann ich nicht als Rezession akzeptieren. Sie hatten drei Millionen Ausländer auf Ihrem Boden.
SPIEGEL: Jetzt nicht mehr.
SCHAH: Wie viele sind denn noch da?
SPIEGEL: Knapp zwei Millionen. Um auf die Probleme Ihres Landes zurückzukommen: Eines Ihrer grundlegenden Probleme wird ja sein, den Entwicklungsstand zu erreichen, auf dem die wirtschaftliche Expansion aus sich selbst heraus wächst und genährt wird. Wann wird nach Ihrer Meinung der Iran soweit sein?
SCHAH: Ich fürchte, wenn unsere Ölvorkommen erschöpft sind.
SPIEGEL: Kann das erreicht werden, wenn der Iran weiterhin so verfährt wie jetzt? Westliche Geschäftsleute, die den Iran bereisen, wundern sich immer über eine Tatsache: daß der Iran darauf zu bestehen scheint, stets die neueste, modernste, arbeitskraftsparendste Ausrüstung zu kaufen, wo das Land doch eher arbeitsintensive Ausrüstungen anschaffen müßte, um die Zahl der arbeitslosen Hilfsarbeiter abzubauen.
SCHAH: Nein, diese Leute haben nicht recht. Heute haben wir Arbeitskräftemangel.
SPIEGEL: Wirklich -- sogar Mangel an Hilfsarbeitern?
SCHAH: Ja, haben wir.
SPIEGEL: Aber wir haben von Ihren eigenen Ministerien Zahlen bekommen, denen zufolge der Iran ein Reservoir von etwa ein bis zwei Millionen Arbeitslosen oder Halbtagsbeschäftigten auf dem Land hat, in Belutschistan etwa.
SCHAH. In Belutschistan importiert man Arbeitskräfte aus Pakistan und Afghanistan. Das stimmt also nicht.
SPIEGEL: Aber es stimmt doch, daß noch immer fast die Hälfte der iranischen Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeitet -- die nicht mehr als 15 Prozent des Bruttosozialprodukts produziert?
SCHAH: Ah. ja. Weil sie so wenig Fachkenntnisse haben.
SPIEGEL: Wenn wir Sie also richtig verstanden haben, leidet Ihr Land an akutem Arbeitskräftemangel?
SCHAH: Wir leiden schrecklich daran. Deswegen spüren wir auch um so mehr die ersten Anzeichen einer gewissen Faulheit in einigen Sektoren unserer arbeitenden Klassen, besonders auf dem Bausektor.
SPIEGEL: Deshalb haben Sie wohl auch versucht, die Arbeiter mit Beteiligungsprogrammen zu locken?
SCHAH: Das ist auf dem Bausektor schwierig. Es geht in den Fabriken.
SPIEGEL: Majestät, im Westen ist die Ansicht weit verbreitet, daß die Probleme des Irans durch die riesigen Geldmengen verschärft werden, die Sie für Waffenkäufe aufwenden, was in ökonomischen Begriffen bedeutet, daß Sie einen großen Teil Ihrer Öleinnahmen in einer sehr unproduktiven Branche investieren. Ihre Waffenkäufe in den Vereinigten Staaten allein sind die größten in der Geschichte des Waffenhandels.
SCHAH: Okay. Wenn morgen der Westen, Deutschland oder irgendein anderes Land, bereit ist, die Verantwortung für die Stabilität dieser Region zu übernehmen, werde ich damit aufhören, und dann werden Sie es tun.
SPIEGEL: Die Frage -- die im Westen, besonders in den USA, gestellt wird -- ist, ob Ihr Land mehr Waffen kauft als es wirklich braucht.
»Wir müssen an unsere Ostgrenze denken und an den Öltransport«
SCHAH: Nun, das hört sich sehr komisch an, so etwas von einem Blickpunkt aus zu sagen, von dem aus man keine Verantwortung und keine »Heimat« zu verteidigen hat*. Sehr einfach, wirklich. Wie lang ist die deutsche Grenze zum Ostblock?
SPIEGEL: Nun, etwa 1700 Kilometer.
SCHAH: Gut. Wie viele Flugzeuge haben Sie, um diesen Luftraum abzudecken, alle anderen Nato-Kräfte eingerechnet? Wieviel Flugzeuge habt Ihr Deutschen?
In dem englisch geführten Gespräch benutzte der Schah das deutsche wart »Heimat
SPIEGEL: Etwa eintausend.
SCHAH: Sie haben mehr als das. Sie haben ja schon allein über eintausend F 104 gekauft ...
SPIEGEL: Eine ganze Menge von denen sind aber schon abgestürzt.
SCHAH: Natürlich weiß ich nicht. wie viele noch übrig sind, aber Sie haben dennoch mehr. Auf jeden Fall haben Sie für einen Luftraum von sagen wir mal 1700 Kilometern mehr als eintausend Flugzeuge.
SPIEGEL: Nach unserer Meinung hatten wir ohnehin zuviel.
SCHAH: In Ordnung, aber wissen Sie, wieviel Luftraum ich habe? Vielleicht sieben-, acht-, zehntausend Kilometer. Es stimmt zwar, daß der Gegner nicht derselbe ist, aber wenn ich Ihnen sagen würde, womit wir einmal zu tun haben könnten, selbst wenn wir die Sowjet-Union mal außer acht lassen, dann würden Sie zu mir nicht so reden.
SPIEGEL: Aber Sie sind doch schon viel stärker als jeder Ihrer Nachbarn, außer der Sowjet-Union -- und Sie können ja niemals hoffen, so stark zu werden wie die Sowjets. Offensichtlich zielen Sie auf eine Entwicklung, die kürzlich in einer vertraulichen Studie des »Economist« enthüllt wurde. Nach diesem Bericht werden im Irak modernste sowjetische Waffen und Geräte massiert.
SCHAH: ich möchte nicht einen Kommentar hinsichtlich irgendeines bestimmten Landes abgeben. Wir müssen an unsere Ostgrenze denken und auch an unsere aktive Präsenz im Indischen Ozean und den ungehinderten Öltransport aus dem Persischen Golf zum Rest der Welt.
SPIEGEI: Nun, es gibt aber auch manchmal Beklommenheit im Westen über die massive Aufrüstung des Iran mit modernsten Waffen. Der amerikanische Senator Church hat erst kürzlich davor gewarnt, den Iran in so riesigem Ausmaß zu bewaffnen. Er sagte: »Wir bauen zweifellos ein Kartenhaus, das einmal auf uns und unsere Verbündeten herniederbrechen wird.« Und es gibt im US-Kongreß Diskussionen darüber, was einmal mit Ihrer riesigen Militärmaschinerie geschehen könnte, wenn Ihnen, Majestät, etwas zustoßen sollte. Wären Sie bereit, dazu einen Kommentar zu geben?
SCHAH: Nun, ich sage, das ist -- nun gut, Senator Church ist wahrscheinlich nicht darüber im Bilde, daß ich schon vor einem Jahr mein politisches Testament gemacht habe. Es wissen also die, die es angeht, was sie zu tun haben. Sie haben das Testament.
SPIEGEL: Vielleicht sind Sie sich des Vergleiches mit Libyen bewußt, das auch ein Land mit stabilen Verhältnissen zu sein schien, und als dann plötzlich ein Oberst Gaddafi an die Macht kam, sah man sich plötzlich einer ganz neuen, einer gefährlichen Situation gegenüber.
SCHAH: Aber Libyen schien überhaupt nicht ein stabiles Land zu sein. Ich bedaure es, das zu sagen, aber es ist eine Tatsache. Wir wissen doch alle, daß sich der alte König für nichts interessierte. Die meiste Zeit weilte er außerhalb des Landes. Der Kronprinz war eine Null.
SPIEGEL: Sie meinen also, die Situation hier sei völlig anders?
SCHAH: O ja, ja.
SPIEGEL: Noch eine Frage zur Rüstung. Sie kaufen wirklich die modernste, komplizierteste Ausrüstung. Sie werden daher wiederum abhängig von ausländischem Personal Experten, Beratern.
SCHAH: Wir sind abhängig in dem Ausmaß, in dem wir Verbündete sind. Sollten wir Gründe haben, unsere Meinung in dieser Hinsicht zu ändern, so werden wir diversifizieren. Und unsere Waffen sind nicht nur amerikanischen Ursprungs. Ich habe sogar russische Waffen ...
SPIEGEL: Aber keine russischen Berater.
SCHAH: O ja, im Artilleriezentrum hatten wir viele Russen. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, ob wir nicht noch einige dort oder woanders haben.
SPIEGEL: Ziemlich seltsam -- Russen und Amerikaner sind in ein und demselben Land tätig.
SCHAH: Aber das zeigt Ihnen unsere Unabhängigkeit. Und darüber hinaus kaufen wir bei den Briten, insbesondere Panzer und auch für die Marine. Wir kaufen bei den Franzosen. Unglücklicherweise war Ihre Handhabung bei den Verhandlungen über den Leopard-Panzer so ... (Schah schüttelt den Kopf).
SPIEGEL: Es gab in unserem Land eine Diskussion darüber. Es handelt sich bei uns noch immer um ein großes psychologisches Problem. »Ich bitte jedenfalls nicht um deutsche Waffen.«
SCHAH: Aber Sie verkaufen doch Waffen auch an andere Länder.
SPIEGEL: Nur an Nato-Länder, an enge Verbündete.
SCHAH: Und was ist der Unterschied? Wenn die Interessen in einem Land sogar größer sind als in anderen, die zum selben Bündnis gehören? Ich bitte jedenfalls nicht um deutsche Waffen. Sie können Ihre Politik beibehalten. Sie hat auf uns keine Auswirkungen.
SPIEGEL: Nun, es gab nicht nur Zustimmung zu dieser Politik. Es gab auch Stimmen, sogar in den Gewerkschaften, die die Meinung äußerten, daß wir durch diese Waffenverkäufe Arbeitsplätze erhalten würden.
SCHAH: Ich habe den Leopard eben nur erwähnt, um die Haltung zu kennzeichnen, denn die Deutschen haben tatsächlich niemals nein gesagt. Ihr Angebot war so schlecht, daß wir es nicht annehmen konnten. Trotzdem und noch einmal: Ich bin daran interessiert.
SPIEGEL: Wir haben noch eine Frage, die unsere deutschen Investoren im Iran hier interessiert. Einige von ihnen berichteten uns, daß sie, nachdem sie ins Land gekommen waren, durch ein neues Gesetz überrascht wurden, das alle größeren Gesellschaften zwingt, 49 Prozent ihrer Anteile gegen Regierungsanleihen einzutauschen. Die Frage ist, wird es ihnen möglich sein, sich diese Anleihen auszahlen zu lassen?
SCHAH: Sicher. Das war niemals ein Problem. Alles Geld, das man hier verdient, kann transferiert werden.
SPIEGEL: Sind Sie mit der Entwicklung des Handels und der wirtschaftlichen Kooperation zwischen dem Iran und der Bundesrepublik zufrieden?
SCHAH (zögert): Ich glaube, daß wir ja sagen
können. Wir hatten hier den Besuch Ihres Wirtschaftsministers, Herrn Friderichs, und diese Gespräche verliefen sehr gut.
SPIEGEL: Wenn wir das so sagen dürfen, klang Ihr Ja eben nicht sehr enthusiastisch.
SCHAH: Nein, weil man sich immer sagen kann, daß man vielleicht mehr hätte tun können.
SPIEGEL: Sind irgendwelche neuen, größeren Projekte in Aussicht? Die großen Projekte, wie der Bau einer Großraffinerie in Buscher, scheinen ja begraben zu sein.
SCHAH: Auf Ihrer Seite.
SPIEGEL: Das ist tot, nicht wahr?
SCHAH: Es scheint ziemlich tot zu sein. Nun, ich muß einmal zugeben, daß ich Anlaß habe, eine meiner Ansichten zu überprüfen: Früher hatten wir fast darum gebettelt, daß Volkswagen ins Land kommen sollte, und die sagten nein. Dann kam die Zeit, daß Volkswagen darum bat: »Bitte, laßt uns in euer Land«, und wir sagten nein. Ich glaube, jetzt gibt es wieder eine Möglichkeit zusammenzukommen.
SPIEGEL: Warum?
SCHAH: Weil dies für die Automobilindustrie das Land der Zukunft ist.
SPIEGEL: Handelt es sich um ein neues Angebot an Volkswagen?
SCHAH: Es wird zwischen uns und Volkswagen etwas ausgebrütet.
SPIEGEL: Majestät, wenn Sie zurückblicken auf das Jahr 1973, als das große Ölgeld in Ihr Land zu fließen begann, wie würden Sie da aus heutiger Sicht Ihre Erwartungen und Ihre Visionen beurteilen?
SCHAH: Da ist vielleicht eines: Ich sagte, wir könnten der Welt in größerem Maße helfen. Deshalb hatten wir uns nahezu verpflichtet, ungefähr sieben Milliarden Dollar in anderen Ländern zu investieren oder Kredite zu geben. Mir ist klargeworden, daß wir das in diesem Ausmaß nicht länger können.
SPIEGEL: Politiker im Westen behaupten, daß ihre Länder mehr und mehr unregierbar werden sogar Bundeskanzler Schmidt sagte das
weil die weltweite Interdependenz wirtschaftlicher Entwicklung rein nationale Lösungen verbietet. Wurden Sie sagen, das dasselbe auch auf Ihr Land zutrifft?
SCHAH: Auf mein Land trifft das nicht so sehr zu, weil wir mit unserer unabhängigen Außenpolitik verschiedene Kurse gleichzeitig verfolgen können. Wir versuchen, dieses Vorzugsabkommen mit der EG abzuschließen für das wir Ihrem Land dankbar sind. Wir handeln mit Japan, wir handeln mit den kommunistischen Ländern, wir handeln mit den Vereinigten Staaten, wir haben etwas mehr Bewegungsfreiheit.
SPIEGEL: Sie haben also nicht das Gefühl, daß es heute immer schwieriger erscheint, ein Land wirklich so zu regieren, wie das vielleicht vor 30 oder 25 Jahren möglich war?
SCHAH: Noch nicht, hier noch nicht.
SPIEGEL: Aber der Iran mag sich einem anderen Problem gegenübersehen. Im Westen hat man sich immer wieder gefragt, wie es möglich ist, die Herrschaft, die Regierungsgewalt, die Verwaltung eines so großen Landes in einer so delikaten Situation nach dem Prinzip der Ein-Mann-Entscheidung, der absoluten Ein-Mann- Herrschaft auszuüben.
SCHAH: Zuerst einmal hat diese Ein-Mann-Entscheidungsgewalt in unserem Land erwiesen, daß es die Dinge voranbringt. Bei der Mentalität unseres Volkes, das den Herrscher als ihren Vater, ihren Führer und ihren Lehrer anerkennt -- und dies zitiere ich, es stammt von Professor Christiansen aus Schweden, der das sagte, nachdem er die Geschichte meines Landes studiert hat -, ist es möglich gewesen. Ich habe diese Revolution gemacht, die man die Revolution des Schahs und des Volkes nennt. Wäre ich nicht der Herrscher, hätte ich es nicht tun können. Es ist die Person plus der Name des Herrschers, die es ausmacht. Herrscher allein genügt nicht. Eine Person allein genügt nicht. Wenn es zusammentrifft, wirkt es -- hier in diesem Lande.
SPIEGEL: Sie sprechen von heute. Aber wie steht es in der Zukunft?
* Stehend Zweite Reihe von hinten: Schah-Bruder Prinz Ahmad Resa (l.). Schah-Bruder Prinz Ahdal Resa (3. v. l.), Schah-Bruder Prinz Gholam Resa (5. v. l.). Kronprinz Resa Pahlewi (6. v. l.). stehend dritte Reihe von hinten: Prinzessin Fahranas (3. v. l.), vordere Reihe sitzend: Prinzessin Schahnaz (3. v. l.). Prinzessin Leila (M.). Prinzessin Aschraf (3. v. r.), Prinzessin Fathme (2. v. r.).
SCHAH: Was ist die Politik für die Zukunft? Das ist die Beteiligung aller. Die Beteiligung von jedermann an jedem Aspekt unseres Lebens. Und das hat begonnen. Ich weiß nicht, ob Sie bereits in der Lage waren, sich über die Bedeutung dieser politischen Partei zu informieren ...
SPIEGEL: Der Rastchis-Partei, einer Volkspartei, der alle Iraner automatisch angehören?
SCHAH: Ja. Sie schließt wirklich alle ein. Alte Bürger suchen sich ihre Kandidaten aus, wählen ihre Leute, ihre Repräsentanten. Es geht dabei um volle Mitbestimmung in allen politischen Fragen wie auch in Fragen auf dem Gebiet der Wirtschaft. Wenn nun ein Arbeiter, ein Angestellter einer Fabrik nicht nur 20 Prozent von dem Gewinn bekommt, sondern Anteile besitzt, und wenn es sich um eine große Fabrik handelt, so daß der Arbeiter nicht zu viele Anteile kaufen kann, wird der Rest zuerst den Bauern angeboten -- das ist genau das, was ich wünsche -, dann der übrigen Bevölkerung. Dann wird jedermann am Gedeihen dieses Landes interessiert sein.
SPIEGEL: Beim SPIEGEL gehört schon lange den Mitarbeitern die Hälfte des Unternehmens ...
SCHAH: Das ist sehr gut, darum funktioniert es.
SPIEGEL: Majestät, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.