»Ich nahm die Flasche und ging«
(Nr. 43/1975, Literaturbetrieb; Marie-Luise Scherer über die Frankfurter Buchmesse: »Der Schriftsteller Hans Christoph Buch lockte den Redakteur an den Tisch und fragt: »Herr Hasseiblatt, sind Sie beknackt?"')
Nein, nein, das war kein harmloses Anden-Tisch-Locken. Es war gleich harte Aggression. Buch riß mir -- wir gingen, Inge Poppe, Peter Laemmle, Dieter Hasselblatt, gegen 22.00 Uhr am Tisch vorbei, an dem Buch, Ror Wolf und andere saßen -- die Flasche Bier aus der Hand, knallte sie auf den Tisch, daß es schäumte, und schrie mir mit überkippender Stimme eine Einsicht zu, die mir bisher verschlossen geblieben war -- Ror Wolf sei unser größter Autor (Ror Wolf hatte vor ein paar Wochen ein Hörspielmanuskript zurückgeschickt bekommen, was offenbar in seinen und Buchs Augen ein Aggressionen legalisierendes Delikt ist
...). Dann schrie Buch: »Sieh dir doch deine Visage im Spiegel (im SPIEGEL? ... war da was?) an'; und: »Ich haue dir »ne Flasche über den Kopf.« Harmlos war vielleicht noch, daß er, der natürlich auch über ein entsprechend ansprechbares Antlitz verfügt, mich umzustoßen versuchte, was wegen einerseits Schmächtigkeit und andererseits Gedränge nicht gelang; harmlos wohl auch noch, daß ich mir eben die Flasche nahm, und wegging -- zugegebenermaßen irritiert, da ich meinte, unter Leuten des Worts und nicht unter Aggressions-Tätern zu sein. Schon weniger harmlos aber sehr hilfreich, daß Karlheinz Braun mir gleich danach
Hans Christoph Buch schrieb »Unerhörte Begebenheiten. Dieter Hasselblatt ist Hörspielleiter beim Bayerischen Rundfunk. Inge Puppe Geschäftsführerin der Münchener Autorenbuchhandlung« -- **Peter Laemmle. Literaturkritiker (,Wie die Grazer auszogen, die Literatur zu erobern>. Ror Wulf verfaßte »Danke schön. Nichts zu danken', und Karlheinz Braun ist Leiter des »Verlag der Autoren.
einiges eingehend zu analysieren half. Aber gar nicht harmlos, daß Buch zum »Schriftsteller« und Hasselblatt zum »Kulturredakteur« hinstilisiert wurde. Als ob diese beiden in dem Augenblick nur das und nichts weiter waren. Natürlich bin ich beknackt, wenn Buch mich das so fragt. Zumal er keineswegs eine Beknacktheits-Solidarität gemeint zu haben scheint. Nein, nichts Harmloses, oder anders: Allzu-Harmloses ist los, wenn so was wie beim Carl-Hanser-Keller-Gedränge stattfindet: Buch-Gefuchtel, vermeintliche Buchmessen-Pointen liefernd ... und wieso »Pointe« -- Pointe ist doch etwas, was sich vorbereitet, ankündigt, und dann per Assoziations-Knick eine Katze aus dem Sack läßt. -- Nein, das war nichts Harmloses, und für eine Pointe war es weder Witz noch schlechter Witz, sondern ungut, bedenklich decouvrierend.
München DR. DIETER HASSELBLATT Bayerischer Rundfunk/Hörspiel-Leitung