SKAT In der Hinterhand
An jedem Montag gegen 19.30 Uhr ruft Erich Polzin, 53, Inhaber eines technischen Büros für Förderanlagen in Stuttgart, ein zünftiges »Gut Blatt«. Denn Polzin ist Präsident des spielstärksten süddeutschen Skatklubs »Attacke 70«, dessen Mitglieder -- derzeit 17 -- dann die Karten zum Kampf um die vereinsinterne Meisterschaft zu mischen pflegen.
In den vergangenen drei Monaten kam Erich Polzin immer schon zweieinhalb Stunden vor den Klubfreunden in sein Beletage-Kasino im Stuttgarter Stadtteil Rot. Denn er ist, gemeinsam mit Skatbruder Gerhard Walker, auch Lehrer an Deutschlands einziger offizieller Skatschule, deren Eleven sich montäglich in Grundbegriffe und Kniffe des deutschen Nationalspiels einweihen ließen.
Nun, nach Abschluß des ersten Semesters, zogen die beiden Skat-Dozenten eine nicht gerade ermutigende Bilanz. Zwar wollen sie nicht passen, doch Blattpädagoge Polzin gesteht ein: »So anstrengend hatte ich mir das nicht vorgestellt.«
Dabei hatte das Unternehmen Skatschule vielversprechend »begonnen. Auf die Idee war der gebürtige Pommer Polzin, der seit seinem sechsten Lebensjahr mit den 32 Karten zu hantieren versteht, teils aus Liebe zum Spiel gekommen, teils aus Sorge um das gemeinhin von Kneipendunst und Alkoholkonsum geprägte Image des Skats. Turnierskat aber ist, so findet er, »wissenschaftlich hart«, und wenn er »natürlich keine olympische Disziplin werden kann, so soll er doch wenigstens als Sport anerkannt werden«.
Zum ersten Trainingslehrgang an Stuttgarts Skatschule, die mit dem offiziellen Segen des Deutschen Skatverbandes ihre Arbeit aufnahm, meldeten sich nicht weniger als 86 Teilnehmer an. Daß es sich dabei überwiegend um das weibliche Geschlecht handelte, obwohl, wie die Godesberger Infas-Befrager ermittelten, 57 Prozent der deutschen Männer, aber nur acht Prozent der Frauen Skat spielen, wundert Polzin gar nicht: »Die wollen sich emanzipieren, die wollen mitmischen und bei den Männern nicht mehr in der Hinterhand sitzen.«
Die Unterschiede zwischen Vor-, Mittel- und Hinterhand durften schließlich, mehr war nicht zu verkraften, 20 Skat-Seminaristen für 20 Mark Grundgebühr erlernen -- zwölf Anfänger bei Gerhard Walker und acht Fortgeschrittene bei Erich Polzin. Dort erfuhren sie nicht nur alles über Mischen, Reizen, Drücken, Stechen, Mauern, Flöte, Oma, Hosen Runter und Gespaltenen Arsch, sondern auch noch gleich die Gliederung des Deutschen Skatverbandes.
Für die beiden Ausbilder freilich geriet der Kursus zur Strapaze. Sie mußten schon bald erkennen, daß mit theoretischen Vorträgen, vom Erläutern der Grundbegriffe und Regeln des variantenreichen Spielchens einmal abgesehen, wenig auszurichten ist. Skat, so lautet ihr Fazit nach dem ersten Semester, ist nur zu erlernen, wenn halt immer wieder gespielt wird. Polzin: »Und das war fast zuviel für uns, man ist ja bei den Anfängern ununterbrochen am Quasseln.«
Im nächsten Semester soll denn an der Skatschule auch etwas kürzer getreten werden -- statt zwölf nur noch sechs Wochen in kleineren Gruppen mit, wenn's geht, mehr Lehrern. Und den Anspruch der Wissenschaftlichkeit wird Polzin ("Der Skat ist noch nicht bis in alle Tiefen durchdacht") wohl am Ende auch ein wenig zurückschrauben müssen.
Stuttgarts prominentester Skatspieler, Willi Gruseck, der es immerhin schon bis zum Deutschen Meister brachte, meint jedenfalls: »Ein Fingerhut voll Glück ist mehr wert als ein Schubkarren voll Verstand.«