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BUTTERBERG Im ewigen Eis

aus DER SPIEGEL 27/1966

Die deutsche Milchmarkt-Ordnung, so rief am letzten Mittwoch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Edmund Rehwinkel auf dem Raiffeisentag in Hannover aus, habe sich »bewährt«. Der notorische Kritiker Bonner Landwirtschaftspolitik war ausnahmsweise zufrieden: Auf Deutschlands 5,8 Millionen Milchkühe regneten im vergangenen Jahr über eine Milliarde Mark Subventionen hernieder. Je Liter Milch zahlten Bund und Länder 5,76 Pfennig zu.

Die Kühe gaben den Segen weiter. In die Melkeimer flossen 344 Millionen Kilogramm mehr Milch als im Vorjahr, zu den Molkereien wurden sogar 577 Millionen Kilogramm mehr Milch geschafft.

Dort erstarrte die Woge von Milch zu einem Berg aus Butter. Obwohl der Butterverzehr 1965 von 8,7 auf 8,4 Kilogramm je Kopf zurückging, steigerten die Molkereien die Butterproduktion um 12 100 auf 484 100 Tonnen und überdies noch den Butterpreis um zwölf Pfennig je Kilogramm.

Der Absatz des Überschusses war ihnen trotzdem sicher. An 22 Plätzen in der Bundesrepublik dreht sich das Butterkarussell der staatlichen Einfuhr- und Vorratstelle. Sie kauft zum Festpreis von 6,80 Mark je Kilogramm jede Menge Butter auf und friert sie bei zwölf Grad unter Null für vier bis sechs Monate ein.

Ursprünglich waren die Kühlhäuser dazu bestimmt, saisonale Schwankungen auszugleichen. In den letzten Jahren indes sind sie zu Kopfbahnhöfen für eine immer größere Überproduktion geworden. Die Molkereien schoben allein im vergangenen Jahr 123 700 Tonnen Butter zur Einfuhr- und Vorratsstelle ab. Das war mehr als ein Viertel ihrer Produktion - genug, um 8257 Eisenbahnwaggons zu füllen.

Bevor die Butter zum Kühlhaus gebracht werden darf, muß sie den Anforderungen an die Spitzenqualität »Deutsche Markenbutter« genügen. Wenn sie aus dem ewigen Eis befreit wird, kann sie in der Regel nur noch als zweite Wahl ("Deutsche Molkereibutter") verkauft werden.

Angeblich mit Rücksicht auf den verfeinerten Geschmackssinn der Deutschen wird die Butter ausgewaschen. Dabei verliert sie einen großen Teil ihres Aromas, und auch Sonderwünsche, etwa nach gesalzener Butter, können die Kühlhäuser nicht befriedigen. Häufig sei die Lägerbutter, so die Geschäftsführerin der Bayerischen Verbrauchergemeinschaft Hildegard Salmann, »an der Grenze des Ranzigwerdens«.

Obwohl die Einfuhr- und Vorratsstelle im vergangenen Jahr 116 400 Tonnen Kühlhaus-Butter auf den Markt warf, hatte sich in ihren Wälzhäusern zeitweilig ein Butterberg angesammelt, der die notwendige Reserve, etwa für Berlin, von rund 10 000 Tonnen um ein Mehrfaches überstieg.

Bei den hohen Ladenpreisen für Butter - sie kletterten seit 1962 um 60 Pfennig auf 7,80 Mark je Kilo - sagten Fachleute 1965 einen drastischen Konsumverzicht voraus.

Da schaltete sich das Landwirtschaftsministerium als Absatzförderer für die »in ihrer Gesamtheit unnachahmliche« Butter ein (Werbetext des subventionierten »Vereins zur Förderung des Milchverbrauchs"). 59 000 Tonnen des unnachahmlichen Streichfetts wurden losgeeist und den Konsumenten zunächst mit 80 Pfennig, später mit 70 Pfennig Rabatt offeriert.

Für das Sonderangebot mußte die Gesamtheit der Steuerzahler - einschließlich- der Kosten für die staatlicher Gefriertruhen - 160 Millionen Mark aufwenden. Die Nachfrage war zeitweilig so stürmisch, daß die Lagerbutter kontingentiert werden mußte. Aber die 59 000 Tonnen alte Butter verdrängten 38 000 Tonnen frische Butter vom Markt Sie mußten eingelagert werden, und der »Tsirkulus Witzeljosus« (so Kabarettist Dieter Hildebrandt) war geschlossen.

Landwirtschaftsministet Höcherl findet diese Agrar-Strategie gar nicht witzig. 1966 will er sogar 200 Millionen Mark aufwenden, um den Butterberg abzutragen, den Bund und Länder durch ihre Subventionen immer aufs neue selbst zusammenschieben. Die fade Kühlhausbutter soll diesmal mit 1,20 Mark Steuergeldern je Kilo prämiiert werden.

Nach Milchpfennig und Absatzgarantie leistet der Bund damit ein drittes Mal Subventionen. Das mit Vorleistungen betrachtete Wälzfett kostet die Verbraucher am Ende noch mehr als die teure Frischbutter.

Nur durch Streichung der Milchpfennige könnte die Butterhalde eingeschmolzen werden. Bauern-Minister Hermann Höcherl freilich, im amtlichen Sprachgebrauch auch Minister für Ernährung genannt, sinnt auf einen anderen Ausweg. Er plädiert für höhere Rind- und Kalbfleischpreise.

Dann, so folgert der Minister schlau, würden die Ökonomen einen Teil ihres Viehs nicht länger melken, sondern zum Metzger führen.

Union Kühlhaus in Hamburg: Aus Markenbutter zweite Wahl

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