HOCHSCHULEN Im Prinzip nein
Die Universität Witten/Herdecke ist klein, arm und angesehen. Obwohl die erste westdeutsche Alma mater in freier Trägerschaft erst vor drei Jahren ihren Lehrbetrieb aufgenommen hat, spricht sich unter Akademikern Lob herum, und auch das Land Nordrhein-Westfalen zeigt sich angetan.
Ob auf der Messe in Hannover oder auf der NRW-Ausstellung in Moskau - gerühmt wird der »Modellcharakter einer Hochschule, die rundum anders ist als die staatlichen Massenuniversitäten« (siehe Kasten Seite 110). Der Kommunalverband Ruhrgebiet preist die Neuerung am Rande des Reviers in Anzeigen als »mutigen Schritt in eine neue Bildungszukunft«.
Nichts in der öffentlichen Präsentation erinnert daran, daß die sozialdemokratische Regierung des Landes tief zerstritten war, als vor nunmehr vier Jahren die Entscheidung über die staatliche Anerkennung der privaten Universität anstand. Die meisten Kabinettsmitglieder in Düsseldorf waren damals dagegen, weil sie das »Staatsmonopol im akademischen Bildungsbereich« gefährdet sahen oder die neue Hochschule als »Elite-Universität« ablehnten. Skepsis schien einigen auch geboten, da unter den Universitätsgründern Anthroposophen waren - schon weil die, wie sich ein Spitzensozi ausdrückte »bei ihren Häusern immer runde Ecken haben«.
Den Ausschlag für Herdecke gaben schließlich das Beharrungsvermögen des damaligen Wissenschaftsministers Hans Schwier, der sich für die neue Hochschule kämpferisch einsetzte, und die Zustimmung von Johannes Rau, der heute die Anerkennung »gegen manche Widerstände« für eine seiner wichtigsten Amtshandlungen hält.
Der Ministerpräsident wird jetzt wieder handeln müssen, das Thema Herdecke kommt erneut ins Kabinett, und es wird wieder Streit geben. Die private Hochschule, die bis jetzt für alle Kosten selbst aufkommt, hat beim Land eine staatliche Teilfinanzierung für die Errichtung eines Campus mit etlichen Wohn- und Lehrgebäuden beantragt - zehn Jahre lang jeweils knapp neun Millionen Mark.
Voraussetzung für die Finanzierung wären die »Aufnahme in das Hochschulverzeichnis der Bundesrepublik Deutschland« wie die »Aufnahme in die Gemeinschaftsaufgaben Hochschulbau« (so der Antragsgegenstand). Bundesbildungsministerin Dorothee Wilms (CDU) hat den Uni-Gründern schon ihre Zustimmung signalisiert, verweist aber darauf, daß NRW im Bundesrat initiativ werden müsse.
Wenn es nach NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD) geht, unterläßt das Land Initiative wie Zahlung. Die Rheinländerin gehört zu jenen Kabinettsmitgliedern in Düsseldorf, die, wie der für Bauten und Denkmäler zuständige Wohnungsbauminister Christoph Zöpel, der neuen Uni ablehnend gegenüberstehen. Lediglich Schwier und Rau,
der »Wohlwollen« erkennen läßt, gelten als Befürworter. Aber Rau wird, das ist seine Politik, den anderen seinen Willen nicht oktroyieren. Er sucht wie immer den Konsens - es wird ein langes Gezerre geben.
Bei ihrer Argumentation gegen die Uni Witten/Herdecke stützt sich die Ministerin vor allem auf den Anerkennungsbescheid vom 14. Juli 1982. »Die Anerkennung ergeht«, heißt es darin, auf der Grundlage, daß eine finanzielle Förderung der nichtstaatlichen Hochschule durch das Land gegenwärtig und auf Dauer ausgeschlossen ist« Die Herdecker haben dem damals nicht widersprochen. »Wir brauchten einfach, so Universitätsmitbegründer Konrad Schily heute, »die Anerkennung, um überhaupt anfangen zu können«
Auf den ersten Blick scheint die Position der Wissenschaftsministerin, die private Universitäten partout nicht mit staatlichen Baumitteln ausstatten will, recht solide. Aber fraglich ist doch, ob das Land der Uni die Gelder verweigern kann.
Denn alle anderen nichtstaatlichen Universitäten wie die Katholische Fachhochschule für Sozialwesen und Religionspädagogik in Freiburg oder die Evangelische Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Berlin werden als »Gemeinschaftsaufgaben« der Länder öffentlich unterstützt. Die katholischen und evangelischen Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen werden ebenso wie die Bochumer Bergbau-Fachhochschule zu 95 Prozent vom Land finanziert.
Rechtlich wäre die Ablehnung des Antrages der Privat-Universität deshalb problematisch. »Das vorhandene und geplante Studiengang- und Studienplatzangebot in Witten/Herdecke«, heißt es in einem internen Vermerk des Düsseldorfer Wissenschaftsministeriums, »dürfte als Begründung für eine Aufnahme ausreichend sein«. Es bestehe allenfalls ein »politischer-Beurteilungsspielraum«.
Den Düsseldorfer Sozis, die wie Anke Brunn eingestellt sind, geht es denn auch weniger ums Geld als ums Prinzip. In ihrer Abneigung gegen den privaten Hochschulbetrieb zeigen sie sich unbeirrt. Die Frage ist nur, wie Anke Brunns Staatssekretär Gerhard Konow intern einräumte, ob sich die Nein-Linie beibehalten läßt.
In einem Amtspapier des Wissenschaftsministeriums, das in der sozialdemokratischen Fraktionsspitze zirkuliert, werden die Argumente hin und her gewendet. Eine Ablehnung des Finanzierungsersuchens, heißt es da, ließe sich mit der Sorge vor »Überkapazitäten« begründen, aber bei diesem Punkt sei Vorsicht geboten. Der würde »zwar auf den ersten Blick einleuchten«, sei jedoch bei näherer Betrachtung »nicht sehr überzeugend«, da in Herdecke jährlich nur etwa 20 bis 25 Studenten aufgenommen würden.
Einerseits wird geraten, mit der »überaus schwierigen Haushaltslage« die staatlichen Gelder zu verweigern. Andererseits, so steht es in dem Papier, dürfte »wegen des öffentlichen Interesses am weiteren Fortgang in Herdecke« das Argument mit dem knappen Geld »nicht das beste sein«.
Sorge bereite auch ein möglicher Besuch des Bundespräsidenten in Herdecke. Man müsse fürchten, daß sich Richard von Weizsäcker »derartigen Anliegen gegenüber sehr aufgeschlossen zeigen wird.
Insgesamt, notierte Anke Brunn selber, gehe es um »etliche brisante politische Fragen«. In dieser Woche werden sie dem Kabinett vorgelegt.