USA / KU-KLUX-KLAN Im Reich der Drachen
Flammen zuckten an einem zehn Meter hohen, mit Petroleum und Motorenöl getränkten Holzkreuz empor. Acht Meter vor dem flackernden Fanal, auf der Ladefläche eines flaschen grünen Kleinlastwagens, gestikulierte mit der Edelstahlring-bewehrten Linken, in der Rechten ein Mikrophon, ein mittelgroßer Mann in mittelalterlicher Robe:
Robert Shelton, 36, Oberster Führer und Kaiserlicher Zaubermeister der Vereinigten Klans von Amerika, Ritter des Ku-Klux-Klan, predigte am vorletzten Sonnabend vor 500 Anhängern im US -Südstaat South Carolina Haß gegen Amerikas Neger und Amerikas Staatsoberhaupt.
»Lyndon B. Johnson«, rief Shelton aus, »ist ein Lügner. Lyndon B. Johnson ist ein böswilliger Narr.« Zu Unrecht habe der Staatschef vier Mitglieder des Ku -Klux-Klan beschuldigt, für den Mord an der Detroiter Hausfrau Viola Liuzzo verantwortlich zu sein, die Ende März nach dem Negerprotestmarsch in Alabama ermordet wurde, während sie mit einem jungen Farbigen in Richtung Selma fuhr (SPIEGEL 14/1965).
»Diese Liuzzo«, fuhr Klan-Chef Shelton fort, »hätte lieber zu Hause bleiben und sich um ihre Kinder kümmern sollen, als mit einem jungen Negerbock in einem Auto zu fahren.«
Die Zuhörer des Zauberritters, über hundert davon in knöchellangen, weißen Kapuzengewändern, murmelten abwechselnd »Amen« oder klatschten Beifall.
Robert Shelton, in einer Ritual-Robe aus lila Kunstseide mit goldenen, grünen, roten, schwarzen und weißen Streifen, auf dem Kopf eine gelbgefütterte lila Kapuze, quittierte mit der Verhöhnung des Klan-Opfers Viola Liuzzo und Beleidigungen des Klan-Gegners Johnson die Drohung des Präsidenten, mit der rechtsradikalen Terror-Organisation aufzuräumen.
Sechzehn Stunden nach dem Mord von Alabama hatte Johnson verkündet: »Ich werde sie (die Ku-Klux-Klaner) bekämpfen, denn ich weiß, ihre Treue gehört nicht den Vereinigten Staaten, sondern einer maskierten Gesellschaft von bigotten Eiferern.«
Gleichzeitig setzte ein Kongreß-Ausschuß zur Vorbereitung eines scharfen Anti-Klan-Gesetzes ein Heer von Investigatoren auf Robert Sheltons Terroristen an.
Die Machtzentrale in Washington will damit die letzten Zellen militanter Rassenfanatiker bekämpfen, die seit Generationen die farbige Minderheit in den Südstaaten durch Einschüchterung und Terror in Schach halten.
Im Mai 1866, ein Jahr nachdem die US-Südstaaten von Bundestruppen besetzt worden waren, als Tausende befreiter Sklaven in Banden marodierend durch das Land zogen, da beschloß im Tennessee-Städtchen Pulaski eine Gruppe ehemaliger Rebellen-Soldaten, die sich nach den Kriegsabenteuern langweilten, einen Geheimbund zu gründen.
Aus einer Verfremdung des griechischen Wortes für »Kreis«, »Kyklos«, alliterierten sie den Vereinsnamen »Ku -Klux-Klan«.
Innerhalb weniger Monate verbreitete sich der als Selbstschutzbund propagierte Klan, von der bedrängten Bevölkerung begeistert aufgenommen, über das gesamte Gebiet der besiegten Sezessionsstaaten. Ritter des Ku-Klux -Klan in wallenden weißen Kapuzen -Kostümen erschienen nachts in gespenstischen Horden vor den Hütten der Neger, verbrannten Holzkreuze und versuchten zunächst mit meist harmlosem Mummenschanz die abergläubischen Schwarzen einzuschüchtern.
So vollführten grotesk maskierte Klan -Mitglieder in mondhellen Nächten in den Siedlungen der Farbigen scheinbar übernatürliche Zaubereien. Einer trank etwa drei oder vier Eimer Wasser, das er in Wirklichkeit in einen unter seinem weiten Gewand verborgenen Ledersack goß. Dann reichte er dem entsetzten Neger den Eimer zurück, bedankte sich und offenbarte, er sei sehr durstig gewesen, habe in den letzten 24 Stunden tausend Meilen zurückgelegt und noch nie so gutes Wasser getrunken, seit er im Bürgerkrieg gefallen sei.
Andere »Nachtreiter«, wie die Einschüchterungskommandos des Klan genannt wurden, streckten den Farbigen aus weiten Ärmeln kalte Skeletthände entgegen oder bliesen, mit Hilfe hochprozentigen Alkohols, lange Flammen in die Nacht.
Genügten die Maskeraden nicht, dann griff die geheime Klan-Polizei zur Peitsche, zum Knüppel und zum Strick.
Aus Mummenschanz wurde grausamer Terror. Hinter der Anonymität ihrer Kapuzen-Masken zogen die Nachtreiter von Negersiedlung zu Negersiedlung, steckten Hütten in Brand und peitschten weiße Anhänger der Bundesregierung aus.
Neger, die beschuldigt wurden, eine weiße Frau belästigt zu haben, wurden kastriert und gezwungen, ihre eigenen Geschlechtsorgane zu verspeisen, dann geteert, gefedert und gelyncht.
Weiße Frauen, die angeblich sexuelle Avancen eines Farbigen provoziert hatten, wurden kahlgeschoren und nackt durch die Straßen geschleift, während ihnen Blut über Brust und Rücken rann, in die mit Messern »Niggerlover« ("Negerliebchen") geritzt war. Anschließend wurden sie ermordet.
Zwei Jahre nach seiner Gründung zählte der Klan - inzwischen angeführt von einem ehemaligen General der Sezessionstruppen, Nathan Bedford Forrest, mit dem Klan-Titel Kaiserlicher Zaubermeister - über 500 000 Mitglieder.
1871 setzte Präsident Ulysses S. Grant eine Kommission zur Untersuchung der Greuel im Süden ein. Zaubergeneral Forrest erklärte den Klan für aufgelöst. Doch die Lynchaktionen der örtlichen Klan-Gruppen hörten nicht auf.
Im Jahre 1915 begann eine Renaissance der Haß-Gesellschaft. Ein hungerleidender Laienpriester namens Joseph Simmons versammelte auf dem kahlen Gipfel des Stone Mountain unweit der Georgia-Hauptstadt Atlanta 15 seiner Jünger, baute aus Sandsteinbrocken einen Altar, auf den er Sternenbanner, Bibel und ein Schwert legte. Dann entzündete er ein mit petroleumgetränktem Sackleinen umwickeltes Holzkreuz und erklärte sich zum Kaiserlichen Zaubermeister des »Unsichtbaren Reichs der Ritter des Ku-Klux-Klan«.
Neun Jahre später hatte das Unsichtbare Reich über vier Millionen maskierte Untertanen. Sie machten Prediger Simmons und seinen Nachfolger, einen gescheiterten Dentisten namens Hiram Evans, zu reichen Männern, die sich Luxusvillen und Jachten zulegten.
Eine strenge Hierarchie unter dem Kaiserlichen Zaubermeister verwaltete das Unsichtbare Reich mit Groß-Drachen, Groß-Zyklopen und anderen Klan -Beamten, die Phantasienamen wie Kleagle und Klabee, Kladd und Klaliff, Klexter und Klarogo führten.
Klan-Gesetze erließ eine Klonvokation, die beraten wurde durch ein Kloncilium. In monatlichen Zusammenkünften (Klonklaven) planten die Klan-Ritter Feldzüge gegen den Feind: Außer den Negern bekämpften sie jetzt auch Katholiken, Juden und alle Fremden. Jüdische Ladenbesitzer wurden ausgepeitscht, katholische Kirchen in Brand gesteckt.
Gleichzeitig drängten die weißen Ritter an die politische Macht. In der Präsidentschaftswahl von 1924 waren sie ein entscheidender Faktor, der fast die Demokratische Partei gespalten hätte. Mit Terror und Erpressung setzten sie die Wahl ihnen höriger Gouverneure, Abgeordneter und Richter durch.
Im Bundesstaat Indiana bemächtigte sich ein ehemaliger Handlungsreisender aus Texas, der Klan-Organisator David C. Stevenson, innerhalb von drei Jahren der dortigen Republikanischen Partei, kontrollierte den Gouverneur, sämtliche Richter und die Bürgermeister und Sheriffs in fast allen Gemeinden. Von 1920 bis 1924 rekrutierte Stevenson über 500 000 Mitglieder, von denen er je zehn Dollar Einstandsbeitrag kassierte.
Stevenson, zum »Groß-Drachen von Indiana« avanciert, wurde zum Erfolgssymbol des Klan-Expansionismus. 1926 wurde er Symbol für den Niedergang der weißen Kapuzen-Männer: Ein Gericht verurteilte ihn wegen Mordes an einem Mädchen, das er in einem Schlafwagen -Abteil vergewaltigt und erdrosselt hatte, zu lebenslänglich Zuchthaus.
Der Skandal um den Groß-Drachen von Indiana sowie eine Anzahl von Korruptionsaffären anderer Klan-Größen schadete dem Terror-Bund mehr als alle Greuelberichte über Lynchmord, Kastrationen und Mißhandlungen. Zehntausende von Klan-Freunden sagten sich von der Geheimgesellschaft los, die in Dutzende von Regional-Gruppen zersplitterte.
Anfang der dreißiger Jahre, im Zuge der Weltwirtschaftskrise, gewann der geschwächte Klan neue Feinde und neue Freunde. Die Feinde waren Kommunisten, die Freunde Nazis.
Mit Propagandaversammlungen und Flugblattaktionen riefen die maskierten Ritter zum Kampf gegen die rote Gefahr auf, die Amerika, wie sie erklärten, besonders von der militanten Gewerkschaftsbewegung drohe.
Ihr neuentdeckter Anti-Kommunismus führte die weißen Ritter zum braunen Anti-Bolschewismus des rationalsozialistischen »German-American Bund«. 1937 bekannte ein Bund-Bruder: »Wir arbeiten mit dem Klan zusammen, denn unsere Ziele sind in vielem gleich.«
Am 18. August 1940 nahm eine offizielle Klan-Abordnung an einer Massenkundgebung der Nazi-Organisation in Camp Nordland (US-Staat New Jersey) teil, wo sich Bund-Genossen mit braunen Hemden und Hakenkreuz-Armbinden unter Kluxer in gelben, grünen und weißen Roben mischten.
Neun Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, im Mai 1954, bekamen die Klan -Kameraden neuen Auftrieb: Das Oberste Bundesgericht in Washington erklärte die Rassentrennung an den Schulen der Südstaaten für verfassungswidrig. Der Süden sammelte sich zum Widerstand. Neue Sektionen des Ku -Klux-Klan entstanden:
- Die militanteste, die »Weißen Ritter des Ku-Klux-Klan« in Mississippi, terrorisierte die Neger und deren weiße Freunde mit Brandstiftung und Bomben, Lynchmord und Boykott.
- Die größte (10 000 Mitglieder) wurden die »Vereinigten Klans von Amerika, Ritter des Ku-Klux-Klan«, unter der Führung des ehemaligen Autoreifen-Verkäfers Robert Shelton aus Tuscaloosa, Alabama.
Shelton: »Unser Ziel ist: 50 Millionen Mitglieder.« Das FBI schätzt die Gesamtzahl der Klan-Mitglieder auf etwa 30 000. Viele davon sind heute bereits FBI-Agenten, die den Klan systematisch unterwandert haben.
Ku-Klux-Klan-Führer Shelton
Klabee, Klexter, Klarogo
Ku-Klux-Klan-Opfer, Lynchmörder
Kleagle, Kladd, Klaliff
Ku-Klux-Klan-Parade im US-Südstaat Georgia: Von FBI-Agenten unterwandert