WEHRPOLITIK Im Séparée
Gezündet wurde die Bombe in Würzburg. In Frankfurt explodierte sie. Die Trümmer flogen bis Heidelberg.
Gesprengt wurde der »Ring Wehrpolitischer Hochschulgruppen": Nach einer Rede von Bundesverteidigungsminister. von Hassel in Würzburg ist die »Wehrpolitische Hochschulgruppe« (WPH) in Frankfurt (122 Mitglieder) unter Protest gegen den Bundesvorstand in Heidelberg aus der wehrfreudigen Studentenorganisation ausgetreten.
Kern-Vorwurf der Frankfurter gegen den Bundesvorstand: »Mangelnde parteipolitische Neutralität.« Retour-Feuer der Bundesvorständler gegen die Frankfurter: »Nicht frei von parteipolitischen Tendenzen.«
Damit scheint der Versuch deutscher Studenten vorerst gescheitert, die Probleme der Landesverteidigung ihren Kommilitonen an den Universitäten durch Vorträge und Diskussionen unvoreingenommen näherzubringen. Gerade die überparteiliche Basis aber hatten gediente Studenten, darunter zahlreiche junge Reserveleutnants, im Sinn, als sie 1960 den WPH-Ring gründeten.
Das Bundesverteidigungsministerium ließ sich die Popularisierung des Wehrgedankens an den Universitäten bald etwas kosten. Aus dem Titel 309 ("Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen") besserte Bonn die Kassen der Studenten auf, die ihre Wehr-Wirtschaft ursprünglich selber hatten finanzieren wollen. In militärisch knapper Form - auf vorgedruckten Anforderungsscheinen - zapften die Wehr-Diskutierer die Bonner Public-Relations-Kasse für Vortrags-Honorare, Seminarkosten, Übernachtungen, Reisen und Gästebewirtung an.
Da die Unterstützung jeweils im Einzelfalle anzufordern war, oblag es der Bundeswehr zu entscheiden, ob die geplante Veranstaltung förderungswürdig war. Entschieden die Offiziere auf der Hardthöhe negativ, blieb die Kasse zu.
Wenig förderungswürdig schien den Offizieren die Aktivität der Frankfurter WPH, die von dem SPD-Mitglied und Oberleutnant der Reserve Wido Mosen geführt wird.
Mosen geriet in das Abwehrfeuer der Bundeswehr, als er die Diskussion beleben und so oppositionelle Geister wie den DFU-Mann Lorenz Knorr und den ehemaligen Kirchenpräsidenten Niemöller auftreten lassen wollte. In einem kühlen Brief wies ihn das Wehrbereichskommando IV in Mainz darauf hin, daß »bei aller Bereitschaft zur geistigen Auseinandersetzung« derartige Veranstaltungen »nicht sinnvoll« seien.
Nicht ungetrübt war auch das Verhältnis des Frankfurter Vorsitzenden zum Bundesvorstand, der laut Mosen »in der Hauptsache aus CDU-Leuten besteht. Und diejenigen im Vorstand, die nicht in dieser Partei sind, sympathisieren zumindest mit ihr«.
Auf Grund dieser einseitigen Sympathien litt der Bundesvorstand unter starker Kontaktarmut zur parlamentarischen Opposition. Mosen wiederum, als SPD-Mann abgestempelt, gelang es nicht, prominente Christdemokraten in seine Frankfurter Vortragsreihe zu schleusen. So hielt sich jeder an die Prominenten der eigenen Couleur. Zum Schußwechsel zwischen links und rechts kam es, als die Frankfurter WPH -Leute für das Wochenende des 10./11. Juli ein wehrpolitisches Seminar mit dem SPD-Wehrexperten im Bundestag, Karl Wienand, ansetzten - und die WPH-Leute vom Bundesvorstand zum gleichen Zeitpunkt ein wehrpolitisches Seminar in Würzburg mit dem CDUVerteidigungsminister von Hassel.
Was der Heidelberger Bundesvorstand als organisatorische Panne ausgab, werteten die Frankfurter als »abgefeimtes Täuschungsmanöver«. Sie sahen sich darin noch durch den Umstand bestärkt, daß neben von Hassel ihr eigener Gast, Wienand, nach Würzburg eingeladen worden war.
Diese versuchte Abwerbung mißfiel den. Frankfurter WPH-Leuten wie Wienand. Der SPD-Abgeordnete weigerte sich, in Würzburg als »Garnierung« und »überparteiliches Dessert« zu einem »CDU-Gericht« zu dienen. Die WPH -Studenten unter Mosen forderten zur Generalbereinigung eine außerordentliche Bundeskonferenz des WPH-Ringes und verkündeten, als diese Forderung nicht erfüllt wurde, ihren Austritt. Mosen: »Wir rechnen damit, daß andere Universitäten unserem Beispiel folgen.«
Deutschlands Studenten diskutieren jetzt Wehrpolitik im parteipolitischen Separée.
Reservist Mosen
Links und rechts Schüsse