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DENKMAL Im tiefen Graben

Traditionsbewußte Veteranen wollen den gefallenen Heeressoldaten auf der Feste Ehrenbreitstein ein Denkmal setzen.
aus DER SPIEGEL 37/1972

Der General der Kavallerie half sich mit den Weisheiten des Fernen Ostens. Mit einem Spruch des chinesischen Philosophen Konfuzius ("So wie ein Volk seine Toten verehrt, so offenbart sich seine Seele in Dir") hatte Siegfried Westphal, Ritterkreuzträger und ehemaliger Generalstabschef der Heerführer Rommel und Kesselring, einen Spenden-Aufruf garniert, mit dem er Deutschlands Landsern das stiften will, was Matrosen und Flieger längst haben: ein Mahnmal. Sechs Millionen gefallene Grenadiere und Kanoniere, Panzerschutzen, Pioniere und Reiter zweier Weltkriege sollen eine würdige Gedenkstätte erhalten.

Der Appell zog. Zweieinhalb Jahre nachdem Westphal sein Denkmals-Hilfswerk begann, registrierte er einen Kassenbestand von fast einer halben Million Mark. Die Standesgenossen aus Industrie und Wirtschaft hatte der derzeitige Rheinstahl-Lobbyist von vornherein außer Betracht gelassen: »Die kenne ich, die haben kein Interesse.«

Um so interessierter zeigten sich die niederen Stände. Westphal erinnert sich: »Es ist rührend, was da alles zusammenkam, das Scherflein der armen Witwe, aber auch Beträge von fünf bis zehn Mark.

Auch die Kameraden von einst gaben sich spendabel. Offiziere und Unterführer der Bundeswehr sammelten 92 643 Mark -- freilich erst, nachdem Generalleutnant Albert Schrie« bis Oktober 1971 Inspekteur des Heeres, mit einem Tagesbefehl nachgeholfen hatte.

Mehr Schwierigkeiten als die Finanzierung bereitete Veteran Westphal die Verwirklichung seines Herzenswunsches. Zwar stand für ihn der Ort der Weihehandlung fest: Gegenüber von Koblenz, in der mittelalterlichen Feste Ehrenbreitstein soll der Toten gedacht werden. Doch fiel ihm die Wahl des Denkmalkünstlers schwer: »Was glauben Sie, was da alles für Aspiranten an mich herangebracht wurden.«

Ein Aspirant war der prominenteste Bildhauer des Nazi-Staates, Arno Breker. In einem Basaltwerk in der Eifel stand noch ein im Dritten Reich gemeißelter Adler für neue Aufgaben bereit.

Nach einiger Suche fand Westphal schließlich einen »integren Mann«. Für 80 000 Mark fertigte der Münchner Professor Hans Wimmer einen bronzenen Jüngling. Bei der Inschrift des geplanten Mahnmals legte der Kavallerist auf größte Unverfänglichkeit Wert. Er entschied sich schließlich für: »Den -roten des Heeres -- ihr Vermächtnis: Frieden«, Denn, so Westphal: »Darüber können sich nicht einmal die Herren Russen aufregen.«

Der Wimmer-Entwurf erhielt auch den Zuspruch der Fachleute. Professor Werner Bornheim« Landeskonservator von Rheinland-Pfalz: »Ich bin sehr angetan von der liegenden Gestalt, allein schon des Gesichtsausdruckes wegen.«

Der ausdrucksstarke Liegende in Uniform soll am 29. Oktober in einem Festakt vor Kriegervereinen und Traditionsverbänden, Bundeswehr und Staatsvertretern enthüllt werden. Schon heute steht fest, daß Westphals Mahn stunde zur intimen Feier wird. Um dem Vorwurf nationalistischer Großmannssucht zu entgehen, wird die Plastik im hintersten Winkel der Preußen-Festung am Rhein, in die Wand des engen und tiefen Festungsgrabens eingelassen.

Josef Röder, Direktor des Landesmuseums Koblenz, hat gegen den Standort »dahinten im Graben« ästhetische Bedenken: »In der Nähe parken Omnibusse. Nach einer langen Fahrt müssen die Leute doch erst mal pinkeln. Das haben sie bisher immer in dem Graben gemacht. Ich fürchte, sie werden dort auch weiter pinkeln und ihre Namen in die Festungswände kritzeln.«

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