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HANDEL / KOOPERATION Im Würgegriff

aus DER SPIEGEL 18/1969

Wenn den deutschen Unternehmern nicht mehr als bisher einfällt, werden ihnen die ausländischen Konzerne bald die Luft abdrücken«, sorgt sich Leonard Diepenbrock, 46, Generalbevollmächtigter der Kaffeefirma Jacobs, um die Zukunft der deutschen Nahrungs- und Genußmittelfirmen.

Der Bremer Kaffeemanager übertreibt nicht. Tatsächlich beherrschen schon jetzt ein rundes Dutzend ausländischer Mammutunternehmen zu über 50 Prozent die Regale der deutschen Lebensmittelläden. In einigen Bereichen haben die Giganten die einheimische Konkurrenz fast völlig verdrängt.

Die Ausländer liefern beispielsweise:

* 80 Prozent der Dosensuppen;

* 80 Prozent der Margarinen und Speisefette;

* 70 Prozent der Käsemarken;

* 70 Prozent der Tiefkühlprodukte;

* 65 Prozent der Eiscrememarken;

* 65 Prozent des Pulverkaffees und

* 65 Prozent der Kondensmilch.

Am besten ist der niederländischenglische Unilever-Konzern (Gesamtumsatz 27,5 Milliarden Mark -- Deutschland-Umsatz 4,6 Milliarden Mark) im Geschäft. Neben Waschpulver, Seife und Kosmetika verkauft er den Deutschen allein 30 Lebensmittelmarken. Jeder zweite Artikel davon zählt zu Bestsellern der Branche, so die Spitzenprodukte Rama, Biskin, Langnese-Eiscreme, Milkana-Käse, Tri-Top Fruchtsäfte, Solo-Konfitüre und Iglo-Tiefkühlkost.

Der Schweizer Nestlé-Konzern (Nescafé, Maggi-Suppen, Findus-Tiefkühlkost) rangiert mit 7,7 Milliarden Mark Umsatz -- davon über eine Milliarde in Westdeutschland -- nach Unilever an zweiter Stelle. Es folgen die US-Firmen Corn Products (Maizena, Knorr), Libby, General Foods (Maxwell-Kaffee) und Carnation (Glücksklee).

»An den Erfolgen der Ausländer sind die deutschen Firmenchefs nicht schuldlos«, meint Diepenbrock, »sie führen ihre Firmen patriarchalisch, haben keinen Mut zum Risiko, sind kooperationsunwillig und der Kleinstaaterei verhaftet.«

Diepenbrocks Chef, der Bremer Handelsherr Walther Jacobs, überlegte schon lange, wie er sein 650 Millionen Mark umsetzendes Unternehmen (Bohnenkaffee, Pulverkaffee, Tee) aus dem Würgegriff der Ausländer befreien könnte. Nachdem er die Taktik der Konzern-Kapitäne eingehend studiert hatte, entschied er sich zum Angriff -- im Ausland.

Der erste Einbruch gelang dem Norddeutschen in Österreich. Seine Röstbohnen avancierten in der Alpenrepublik schnell zu einer Spitzenmarke. Auch in Jugoslawien klappte es auf Anhieb. Unter der Regie der staatlichen Handelsorganisation Podravka eroberte »Jacobs-Kava« binnen weniger Monate 15 Prozent Marktanteil.

Aber schon bald mußte der Bremer Kaufmann feststellen, daß die Kapitalkraft seines Unternehmens für die Eroberung anderer europäischer Länder nicht ausreichte. Auf der Suche nach einem Partner stieß er auf Hollands größte Kaffee- und Teefirma »Douwe Egberts« (Jahresumsatz 450 Millionen Mark). Gemeinsam gründeten sie die Holding-Gesellschaft »Douwe Egberts Jacobs International« mit Sitz in Amsterdam. Der gemeinsame Vorstoß auf die europäischen Märkte soll mit modernsten Marketing-Methoden vorbereitet werden.

Das Kommando im Amsterdamer Hauptquartier übernahm der kürzlich von Jacobs engagierte Leonard Diepenbrock. Die Wahl war auf den gebürtigen Berliner gefallen, weil dieser über 15 Jahre amerikanischen Konzernen als Manager gedient hatte, zuletzt als Marketing-Direktor bei Colgate-Palmolive in Hamburg.

Seine Mitarbeiter will der ehemalige Weltkrieg-II-Feldwebel und Dolmetscher der amerikanischen Militärregierung aus Managern ausländischer Konzerne rekrutieren, »denen der Weg nach ganz oben versperrt ist, weil sie den falschen Paß in der Tasche haben«. Zur werblichen Unterstützung engagierte Diepenbrock zwei renommierte Werbefirmen: Dr. Hegemann in Düsseldorf und die deutsche Filiale der amerikanischen VW-Agentur Doyle Dane Bernbach. Überdies gründeten Jacobs und Douwe Egberts die »DEJ International Research Company«, die unter Leitung eines Professors neue Produkte und Herstellungsmethoden entwickeln soll.

Diepenbrocks Absatzoffensive soll zunächst mit Kaffee und Tee beginnen. Der Europa-Kaffee der Amsterdamer wird unter dem Namen »Jacobs« verkauft, der Tee soll »Piekwick« heißen. Später möchte die neue Firma ihr Sortiment durch andere Produkte aus dem Nahrungs- und Genußmittel-Sektor wie Schokolade, Kekse, Bier und Erfrischungsgetränke erweitern.

Nach dem Vorbild der EWG, die sechs Länder zu einem gemeinsamen Markt vereinigte, soll auch die Kaffee- und Tee-Gemeinschaft anderen europäischen Firmen offenstehen. Diepenbrock: »Wir halten für aktive Unternehmer noch ein paar Plätze frei.«

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