»Immer an der Seite des Führers«
In den Archiven der Diktatur liegen auch Papiere, die Deutschen peinlich sein müssen. Akten sind verräterisch, Akten sind wie Abhöranlagen, sie plaudern Dinge aus, die mancher lieber nie gesagt und getan hätte. Es war im Juni 2001, als Axel Graf Bülow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Freier Tankstellen (BFT), ein Schreiben an Tarik Asis schickte, den Vizepremier des Irak. Es ging um ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, das dem Irak und dem mittelständischen BFT helfen sollte. Bülow hoffte auf Öllieferungen aus dem Irak, um nicht länger von der Konkurrenz, den Mineralölkonzernen, abhängig zu sein. Der Irak hoffte auf Anerkennung in Deutschland.
Vermittelt durch Bülow wollte der »Berliner Salon«, ein Berliner Kulturclub, deutsche Regierungsmitglieder, Parlamentarier und Journalisten zu einer Konferenz einladen, auf der »die deutsche Irak-Politik« diskutiert werden sollte, die gegenwärtig negativ und passiv sei.
Bülow war viel am Zustandekommen des Geschäfts gelegen, und so versicherte er Asis in dem Schreiben, dass der Bundesverband Freier Tankstellen bereit sei, »immer an der Seite des irakischen Volkes und seines großen Führer Saddam Hussein zu stehen, um das Embargo der Tyrannen zu brechen, die Rechte des irakischen Volkes zu unterstützen und alle Feinde des großen Irak zu bekämpfen«. Der Brief schließt mit dem Satz: »Wir beten zu Gott, dem Allmächtigen, auf dass er das Volk des Irak und seinen großen Führer Saddam Hussein gegen alle Feinde von Recht und Gesetz unterstütze.«
»Leider kam das Geschäft nicht zu Stande«, bedauert Stephan Zieger, Geschäftsführer des BFT, heute.
Mehr Glück hatte ein Jahr zuvor der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Im Mai 2000 war eine 76köpfige Delegation des Verbands drei Tage im Irak; die Deutschen fühlen sich zu diesem Zeitpunkt ausgebootet, von den eigenen Politikern festgekettet im Anti-Saddam-Lager. Gerade mal 62 Millionen Dollar haben sie im Vorjahr im Irak verdient, 62 Millionen von 11 Milliarden, mit denen der Irak in jenem Jahr im »Oil for Food«-Programm weltweit einkaufen darf.
»Die deutsche Wirtschaft«, so steht es in einem BDI-Protokoll, das ein Nachtreffen der Reise zusammenfasst, sei der Auffassung, dass die Zeit reif sei »für die Aufnahme des politischen Dialogs mit Irak«. Der Industrielobby geht es um eine Appeasementpolitik zum Wohle deutscher Unternehmen, um die »Durchsetzung nationaler Interessen«. Die Embargo-Politik der Uno beeinträchtige dagegen »deutsche (Wirtschafts-)Interessen stark«, das müsse nun auch den USA endlich mal klar gemacht werden.
»Präsident Saddam persönlich« habe »den Besuch der BDI-Delegation goutiert«, die irakischen Medien hätten »ausführlich berichtet«, zitiert das Protokoll den Botschaftsleiter in Bagdad, Claude Robert Ellner, Joschka Fischers Mann im Irak. BDI-Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg assistiert: »Im irakischen Fernsehen lassen wir uns gern feiern, in unseren Medien ist uns etwas mehr Zurückhaltung lieber.«
Die Charme-Offensive hatte Erfolg: »In den ersten drei Monaten des Jahres stieg der Import deutscher Produkte in den Irak um circa 1000 Prozent«, jubelt Wartenberg im Juni 2001 in Berlin. Ellner bilanziert ein halbes Jahr später, deutsche Unternehmen hätten voraussichtlich Waren im Wert von 1,2 Milliarden Mark in den Irak liefern können.
Ein freundschaftliches Geben und Nehmen herrschte offenbar auch zwischen dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) und den irakischen Geheimdiensten, wie eine Akte aus dem Jahr 2000 belegt. Die »Bild«-Zeitung hatte berichtet, dass sich in der Nähe Bagdads eine Raketenfabrik befinde. Das löste in verschiedenen Abteilungen des irakischen Geheimdienstapparats eine Überprüfung aus, die klären sollte, wie die deutsche Zeitung an solche Informationen kommen konnte. Der BND-Mann in Bagdad war zu Diensten und gab Auskünfte, die ein Mitarbeiter der Abteilung M1 so zusammenfasst:
»Das, was die deutsche Zeitung ,Bild' veröffentlicht hat, beruht nicht auf deutschen geheimdienstlichen Informationen, sondern auf bekannten und alten Berichten der Uno.« Sein Apparat »sei nicht die eigentliche Quelle dieser Veröffentlichung«. Da es »in letzter Zeit« keinen »Besuch einer deutschen Delegation in den militärischen Herstellungseinrichtungen« gegeben habe, scheide der BND wohl als Informant dieses Artikels aus, bewertet ein Mitarbeiter der Abteilung M4 die Auskunft des BND-Manns.
Und Saddams Geheimdienstler unterstreicht: »Der (deutsche) Geheimdienst ist daran interessiert, die Beziehung zur irakischen Seite fortzusetzen bzw. zu vertiefen. Er erwartet den Besuch unseres geheimdienstlichen Apparats in Deutschland, wie es feststeht.«
Dass es dabei nicht nur um einen Höflichkeitsbesuch zwischen verfeindeten Diensten gehen soll, sondern eher um Amtshilfe zwischen kooperierenden Partnern, macht der letzte Absatz des Schreibens klar: »Der Repräsentant des deutschen Geheimdienstes bittet uns, den deutschen Geheimdienst mit Informationen über die Manöver, die im Nordosten Irans, an der Grenze zu Turkmenistan, stattfinden, zu versorgen.« JÜRGEN DAHLKAMP, RALF HOPPE