DIAMANTEN Immer Zweifel
Gerade rechtzeitig für den vorweihnachtlichen Run auf Geschenkjuwelen kam Kurt Kellers Idee, »dem Brillantgeschäft das Mysteriöse, das Dunkle zu nehmen«. Keller, 39, Schmuckfabrikant in Frankfurt, erteilt Juwelenpässe.
Wer ein Diamant-Schmuckstück der Firma Keller & Co (KC) erwirbt, bekommt eine Art Kennkarte dazu. Unter dem Paßphoto des Geschmeides sind Zahl und Schliff der verwendeten Diamanten sowie ihr Karatgewicht und ihre Qualität vermerkt.
So steht etwa »F-W« für die internationale Qualitätsbezeichnung »flawless/wesselton«, die einem lupenreinen, weißen Diamanten gegeben wird. Die Abkürzung »v.v. s.i.« ("very, very slightly imperfect") kennzeichnet einen Stein mit minimalem Fehler.
Außer den Diamanten erhalten bei Keller auch die Goldlegierung des Schmucks und etwa sonst noch verwendete Edelsteine oder Perlen ihr Zertifikat. In einer Garantie-Erklärung versichert Hersteller Keller unterschriftlich: »Das Material und die KC-Brillanten sowie die verwendeten Farbsteine und Perlen entsprechen nebenstehender Beschreibung.«
Eine »Zusatzgarantie« verheißt, daß der Schmuck zum jeweiligen Tagespreis in Zahlung genommen wird, wenn der Kunde später ein KC-Juwel neu erwerben will. Es muß allerdings mindestens doppelt so teuer sein wie das alte.
Keller: »Bis jetzt bleibt beim Käufer doch immer, der Zweifel, ob er auch wirklich gut kauft. Eine einwandfreie Qualitätsbeurteilung ist ihm beim gefaßten Diamanten gar nicht möglich.« Insgesamt gibt es 66 Qualitäten und allein bei Steinen bis zu einem Karat Gewicht 1800 Preisklassen.
Fehler oder Fremdkörper (Fachjargon: Einschlüsse) im Stein können durch die Fassung so gut verborgen sein, daß sie selbst bei 50facher Vergrößerung nicht erkennbar sind. Das zur Fassung verwandte Gold beeinflußt außerdem die Farbe des Diamanten, und dessen exaktes Karatgewicht läßt sich nur beim losen Stein ermitteln.
Der renommierte StuttgarterJuwelier Achim Schilling bezeichnet »das mangelnde Vertrauen des Kunden zur Ware« als »schwerstes Handikap . . . des Diamantenverkaufs«. Der in ganz Westdeutschland erhältliche Keller-Paß könnte das Vertrauen fördern.
Der frühere Diamantenschleifer Keller ist Westdeutschlands größter Fabrikant von Brillantschmuck. Er liefert seine Erzeugnisse an 2500 der insgesamt rund 6000 westdeutschen Juwelen-Einzelhändler (nur etwa 20 von ihnen produzieren selbst Schmuck).
Kellers Bonität steht außer Frage. Er gehört zu der Edelgruppe von nur 200 Herstellern aus der ganzen Welt, die beim Londoner Diamanten-Syndikat zum Direkteinkauf zugelassen sind*.
Doch obwohl der Frankfurter Paß Verkaufsförderung verhieß, waren nicht alle Juweliere begeistert. Zwar hatten einige der ihren, so der Stuttgarter Schilling und die Firma Christ in Frankfurt, schon vorher ähnliche Zertifikate ausgegeben, jedoch erschien der Branche erst die bundesweite Keller-Kampagne bedrohlich: Wenn die KC-Juwelen sich als Markenartikel durchsetzen, könnte der ohnehin starke Frankfurter zur Marktherrschaft aufsteigen.
Für den Bundesverband der Juweliere und Uhrmacher erteilte deshalb dessen Geschäftsführer Dr. Peter Hellmuth Witthöft im Verbandsblatt »Die Uhr« öffentlich eine »Antwort« an die »sehr geehrte Firma Keller & Co«.
Witthöft: »Um in unserem Streben nach Umsatzsteigerung weiterhin erfolgreich zu sein, bedarf es nicht Ihres 'Juwelen-Passes'... Die Juweliere werden jedenfalls niemals bereit sein, sich zu Verteilern Ihrer Produkte degradieren zu lassen.« Kellers Neuheit sei für den Fachhandel »unzumutbar«.
Dazu Keller: »Sollte die Unzumutbarkeit darin liegen, dem Kunden eindeutig nachweisen zu müssen, was er für sein Geld erwirbt?«
* Diamanten-Syndikat: Die »Central Selling Organization« der südafrikanischen De-Beer-Gruppe, die 85 Prozent der Weltproduktion von Rohdiamanten kontrolliert.
Juwelen-Fabrikant Keller Mysterium gelüftet
Kellers Juwelen-Paß
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