Zur Ausgabe
Artikel 13 / 64

HEIZKOSTEN In den Schornstein

Zahlen zwei Millionen Bundesbürger zuviel für Fernwärme?
aus DER SPIEGEL 10/1978

Der Tübinger Rechtsanwalt Rüdiger Neumann hält für Bürger, die ihre Wohnung mit Fernwärme heizen, einen ebenso einfachen wie sicheren Spar-Tip bereit: Sie sollten ihre Heizkostenrechnung drastisch kürzen.

Der Ratschlag ergibt sich aus einem Urteil, das Neumann vor dem Landgericht Tübingen erfochten hat. Nach Neumanns Meinung, die er nun gerichtlich bestätigt sieht, »verstößt es einfach gegen gesetzliche Vorschriften«, wenn Mieter »in vollem Umfang zur Zahlung der Investitionskosten für Fernheizwerke herangezogen« werden.

Rund zwei Millionen Mieter, die mit Fernwärme heizen, schreiben danach seit eh und je erkleckliche Beträge buchstäblich in den Schornstein. Denn Brauch ist, daß Haus-Eigner ihren Mietern nicht nur den vom Heizwerk in Rechnung gestellten »Arbeitspreis« für die tatsächlich verbrauchte Wärmemenge abfordern. Sie lassen sich vielmehr auch den »Jahresgrundpreis« erstatten, der nach der Beweisaufnahme des Tübinger Gerichts »im wesentlichen aus Investitionskosten, Zinsen, Abschreibungen, Lohn- und Personalkosten, Instandsetzungs- und Reinigungskosten sowie Steuern« resultiert. Diesen Grundpreis, konstatiert die 1. Zivilkammer des Landgerichts, dürfe der Vermieter nicht abwälzen -- der sei »allein seine Sache«.

Das Tübinger Urteil, mittlerweile rechtskräftig geworden, ist die erste einschlägige Entscheidung, obschon für Neumann »die Rechtslage längst eindeutig geklärt« ist. Der bislang einzige Nutznießer des Richterspruchs ist ein Tübinger Universitätsprofessor, der eine ans städtische Fernheizwerk Galgenberg angeschlossene Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnung bewohnte.

Der Hochschullehrer hatte sich geweigert, seinem Vermieter außer dem Arbeitspreis (1419,71 Mark) auch noch den Jahresgrundpreis von 1158 Mark zu ersetzen, ohne dafür »nur eine Wärmekalorie verbraucht zu haben Schon das Tübinger Amtsgericht, vom Hauswirt angerufen, konzedierte im erstinstanzlichen Urteil, der Professor dürfe 15 Prozent des Grundpreises abziehen -- wegen einer »sonst erforderlichen Öllagerung«, für die der Kläger »insofern Investitionskosten erspart« habe.

Das Landgericht aber hält solche Kosten-Teilung nicht für Rechtens: Der Grundpreis für die Fernwärme, quasi Ausgleichsabgabe für eine entbehrlich gewordene Hausbrandanlage, gehe allemal voll zu Lasten des Vermieters. Denn eine Mietwohnung, erläutert Anwalt Neumann anhand des Bürgerlichen Gesetzbuchs, ist vom Vermieter »in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauche geeigneten Zustande zu überlassen«, was »in unseren Breitengraden eben auch eine Heizung« einschließt.

Und deshalb, so die Richter, sei es »ohne rechtliche Bedeutung«, was der Eigentümer aufwenden muß, »um die Möglichkeit einer Beheizung des Mietobjekts zu schaffen«; das gelte »selbst dann«, wenn der Vermieter »gegenüber einer konventionellen Beheizung ... dieselben oder gar höhere Bau- oder Investitionskosten« habe.

»Diesem Ergebnis«, meinen die Tübinger Richter, stehe nicht entgegen, daß für Strom, Gas und Wasser auch die Grundpreise »regelmäßig vom Verbraucher« zu entrichten sind: In diesen Beträgen seien unter anderem »Mietkosten für die Bereitstellung bzw. Überlassung bestimmter Einrichtungen« enthalten, während die Betriebskosten der Fernheizwerke größtenteils »mit im Arbeitspreis inbegriffen« seien. Im Klartext: Dem Mieter dürfen nur die Kosten für das Heizmaterial und den Aufwand, der zur Verbrennung selbst notwendig ist, aufgebürdet werden.

Das rigorose Urteil des Tübinger Landgerichts schreckte die Dachorganisationen der Wohnungsunternehmen ebenso auf wie den Deutschen Mieterbund. Aus der Sicht des Verbands Freier Wohnungsunternehmen ist die mieterfreundliche Entscheidung »ganz eindeutig schief«, wie sich Verbandsdirektor Ulrich Schuster ausdrückt.

Haus- und Grundeigentümervereine beschäftigen nun ihre Juristen mit der Frage, wie das Urteil der schwäbischen Richter sich wohl korrigieren lasse. Bislang wurden sie nicht fündig.

Zur Ausgabe
Artikel 13 / 64
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren