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Artikel 28 / 66

»IN DER MUNDHÖHLE WAR EINE GLASAMPULLE«

aus DER SPIEGEL 32/1968

In einem Holzkasten (163 cm lang, 55 cm breit, 53 cm hoch) wurden die Überreste der durch Feuer entstellten Leiche eines Mannes eingeliefert. Auf der Leiche wurde ein an den Rändern verbranntes Stück gelben Strickstoffes gefunden, 25 x 8 cm groß, das mit einem Trikotagehemd Ähnlichkeit hat.

Da die Leiche erheblich beschädigt ist, läßt sich das Alter des Toten schwer schätzen. Vermutlich lag das Alter etwa zwischen 50 und 60 Jahren. Der Tote ist 165 cm groß (die Messung ist ungenau, weil das Gewebe verkohlt ist), das rechte Schienbein 39 cm lang.

Die Leiche ist stark verkohlt und riecht nach verbranntem Fleisch. Ein Teil des Schädeldaches fehlt*. Erhalten sind Teile des Hinterhauptbeines, des linken Schläfenbeines, die unteren Teile der Joch- und Nasenbeine sowie der Ober- und Unterkiefer.

Die Verbrennungen sind an der rechten Schädelseite stärker als an der linken. In der Schädelkapsel sind Teile des durch Feuer beschädigten Gehirnes und der harten Hirnhaut zu sehen. Am Gesicht und am Körper fehlt die Haut völlig; nur Überreste der verkohlten Muskeln blieben erhalten. Am Nasenbein und an den Oberkieferknochen sind viele kleine Risse vorhanden. Die Zunge ist verkohlt. die Zungenspitze fest zwischen den Zähnen des Ober- und Unterkiefers eingeklemmt.

Im Oberkiefer sitzen 9 Zähne, die durch eine Brücke aus gelbem Metall (Gold) verbunden sind. Die Brücke ist durch Stifte am zweiten linken und am zweiten rechten Schneidezahn befestigt. Diese Brücke besteht aus 4 oberen Schneidezähnen (2112), 2 Eckzähnen (33), dem linken ersten Backenzahn (4) und dem ersten und zweiten Backenzahn rechts (45), wie in der Skizze angegeben. Der linke erste Schneidezahn (1) stellt eine weiße Zahnplatte dar, mit Sprüngen und einem schwarzen Defekt im Porzellan (Email) unten. Diese Platte ist vorn an der sichtbaren Seite des Metall(Gold-)zahnes eingearbeitet.

Beim zweiten Schneidezahn, dem Eckzahn und dem Backenzahn links sowie beim ersten und zweiten Schneidezahn und dem ersten Backenzahn rechts handelt es sich um übliche Porzellan(Emal-)zahnplatten, die in ihrem rückwärtigen Teil an der Brücke befestigt sind. Der rechte Eckzahn hat eine Vollkrone aus gelbem Metall (Gold). Die Oberkieferbrücke ist hinter dem zweiten (wohl irrtümlich statt »erstem") Backenzahn links (4) senkrecht abgesägt.

Der Unterkiefer liegt frei in der angesengten Mundhöhle. Seine Alveolarfortsätze sind hinten abgebrochen und haben spitze Ränder. Die Knochenplatte des Unterkiefers ist an der vorderen Fläche und am unteren Rand angekohlt. An seiner vorderen Fläche sind angekohlte Spitzen der Zahnwurzeln zu erkennen.

Der Unterkiefer besteht aus 15 Zähnen, 10 davon sind künstlich. Die Schneidezähne (2112) und der erste rechte Backenzahn (4) sind natürlich, mit erheblich abgenutzten Kauflächen und erheblich freiliegenden Zahnhälsen. Der Zahnschmelz hat einen bläulichen Schimmer und ist am Zahnhals schmutziggelb.

Die Zähne links (4, 5, 7 und 8) sind künstlich, aus gelbem Metall (Gold), und bilden eine Brücke aus Goldkronen, die an dem dritten, dem fünften (in der Brücke ist es der 6. Zahn) und

* Später wurden an der Fundstelle der Hitler-Leiche Hinterkopfteile gefunden, die womöglich zur Hitler-Leiche gehörten.

dem achten (in der Brücke ist es der 9.) Zahn befestigt ist. Auf dem zweiten rechten Backenzahn (5) sitzt eine Krone aus gelbem Metall (Gold), die durch eine bogenförmige Platte mit dem rechten Eckzahn (3) verbunden ist.

Ein Teil der Kaufläche und der hinteren Oberfläche des rechten Eckzahnes ist mit einer Gelbmetall-(Gold-) platte der Brücke überdeckt. Der erste rechte Mahlzahn ist künstlich, weiß, und besitzt eine Goldverankerung, die mit der Brücke des zweiten kleinen Backenzahnes und des rechten Schneidezahnes verbunden ist.

im Munde wurden Glassplitter gefunden, Teile von der Wand und dem Boden einer dünnwandigen Ampulle.

Die Halsmuskeln sind verkohlt, die Rippen auf der rechten Seite fehlen, sind verbrannt. Die rechte Seite des Brustkorbes und des Bauches sind restlos verbrannt, durch die entstandene Öffnung kann man in die rechte Lunge, die Leber und die Därme sehen. Das Geschlechtsglied ist angekohlt. Im Hodensack, der angesengt, aber erhalten ist, wurde nur die rechte Hode gefunden. Im Leistenkanal konnte die linke Hode nicht gefunden werden.

Der rechte Arm ist stark verbrannt, die Enden des Oberarmknochens und die Knochen des Unterarmes sind gebrochen und angekohlt. Die trockenen Muskeln sind schwarz und stellenweise braun, sie zerfallen bei Berührung in einzelne Fasern. Erhalten blieben Überreste des verbrannten Teiles (etwa zwei Drittel) vom linken Oberarm. Das freie Ende des Oberarmknochens ist verkohlt und tritt aus dem trockenen Gewebe hervor. Auch die beiden Beine sind verkohlt. Das weiche Gewebe ist an vielen Stellen nicht vorhanden; es ist verbrannt und abgefallen. Die Knochen sind zum Teil verbrannt und zerbröckelt. Feststellbar sind eine Fraktur des rechten Oberschenkeiknochens und des rechten Schienbeines. Der linke Fuß fehlt. Innere Untersuchung

Die Lage der inneren Organe ist normal. Die Lungen sind an der Oberfläche schwarz, an der Schnittfläche dunkelrot und von ziemlich fester Konsistenz. Die Schleimhaut der oberen Atmungswege ist dunkelrot. Die Herzkammern sind mit geronnenem rötlich-braunem Blut gefüllt. Der Herzmuskel ist zäh und sieht wie gekochtes Fleisch aus.

Die Leber ist an der Oberfläche schwarz, sie zeigt Verbrennungen, ist von ziemlich fester Konsistenz und an der Schnittstelle gelb-grau. Die Nieren sind etwas geschrumpft und haben die Ausmaße 9 x 5 x 3,5 cm, ihre Hauthülle kann leicht abgelöst werden; die Oberfläche der Nieren ist glatt, das Muster verwischt, sie sehen wie gekocht aus. Die Harnblase enthält 5 ccm gelblichen Harns, ihre Schleimhaut ist grau. Milz, Magen und die Därme weisen starke Verbrennungen auf und sind stellenweise fast schwarz.

Anmerkung:

1. Der »Smersch«-(Abwehr-)Abteilung der 3. Stoßarmee wurden folgende der Leiche entnommene Gegenstände am 8. Mai 45 übergeben:

* a) eine Oberkieferbrücke aus gelbem Metall, bestehend aus 9 Zähnen;

* b) ein angesengter Unterkiefer, bestehend aus 15 Zähnen.

2. Nach dem Protokoll über die Vernehmung der Frau Käthe Heusermann kann man annehmen, daß die in der Akte beschriebenen Zähne und die Brücke dem Reichskanzler Hitler gehören.

3. In ihrem Gespräch mit dem gerichtsmedizinischen Chefexperten der Front, Oberstleutnant Schkarawski ...

hat Frau Käthe Heusermann den Zustand des Gebisses von Hitler in allen Einzelheiten beschrieben. Ihre Beschreibung stimmt mit den anatomischen Angaben über die Mundhöhle des unbekannten Mannes überein, dessen verbrannte Leiche wir geöffnet haben.

Anlage:

Der Akte wird ein Reagenzglas mit gläsernen Ampullensplittern beigelegt, die im Munde des Toten gefunden wurden.

Schlußfolgerung:

Aufgrund der gerichtsmedizinischen Untersuchung der teilweise verbrannten Leiche eines unbekannten Mannes und der Untersuchung anderer Leichen aus dieser Gruppe (Akten-Nr. 1-11) kommt die Kommission zu folgenden Schlüssen:

1. Anatomische Charakteristik der Leiche:

Da die Körperteile stark verkohlt sind, ist es unmöglich, das Aussehen des Toten zu beschreiben. Man kann aber folgendes feststellen:

* a) Die Körpergröße beträgt etwa 165 Zentimeter ...

* b) Das Alter (nach allgemeiner Entwicklung, der Größe der Organe, dem Zustand der unteren Schneidezähne und des rechten kleinen Backenzahnes zu urteilen) schwankt zwischen 50 und 60 Jahren ...

* c) Die linke Hode konnte weder im Hodensack noch im Samenstrang innerhalb des Leistenkanals oder im kleinen Becken gefunden werden.

* d) Der wichtigste anatomische Fund, der zur Identifizierung der Person ausgewertet werden kann, ist das Gebiß mit vielen künstlichen Brücken, Zähnen, Kronen und Füllungen ...

2. Todesursache:

An dem durch Feuer stark verunstalteten Körper wurden keine sichtbaren Zeichen schwerer tödlicher Verletzungen oder Erkrankungen festgestellt.

Das Vorhandensein der Überreste einer zerdrückten Glasampulle In der Mundhöhle und gleichartiger Ampullen in der Mundhöhle der anderen Leichen ... der ausgeprägte Bittermandelgeruch, der von den Leichen ausgeht ... und die gerichtschemische Untersuchung der inneren Organe, wobei Zyanverbindungen festgestellt wurden ... gestatten der Kommission, den Schluß zu ziehen, daß der Tod in diesem Falle durch Vergiftung mit Zyanverbindungen verursacht wurde.

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