Zur Ausgabe
Artikel 7 / 67

LUFTWAFFE In die Walachei

aus DER SPIEGEL 40/1967

Generalleutnant Johannes Steinhoff, 54, Inspekteur der Luftwaffe, will den Führungsapparat seiner Streitmacht in den nächsten zwölf Monaten stromlinienförmig straffen.

Denn in der Luftwaffen-Organisation gibt es zwar reichlich Ämter und Instanzen, aber keine klaren Befehlsverhältnisse.

An der Spitze im Bundesverteidigungsministerium fungiert unter dem Inspekteur der Führungsstab, organisatorisch und personell zu schwach, um detailliert befehlen zu können.

Dem Führungsstab untersteht außerhalb des Ministeriums das Luftwaffenamt, das die Ausbildung und Versorgung der Truppe regeln soll, dem jedoch die Kommandobefugnisse fehlen.

Welche Konsequenzen diese Ohnmacht der Führungsspitze mit sich bringen kann, das ist mit dem Fliegertod des Starfighter-Oberleutnants Siegfried Arndt im Juli vergangenen Jahres an den Tag gekommen.

Arndt stürzte über der Nordsee ab, weil in seinem Starfighter der »Kicker« fehlte, der bei steilem Steigflug verhindert, daß der Pilot die Maschine überzieht.

Den Ausbau des nicht immer sicher funktionierenden Kickers hatte der Luftwaffen-Führungsstab verfügt, dabei aber nichts über den Flugbetrieb ohne Kicker gesagt.

Oberst Karl-Heinz Greve, damals Referent »Flugsicherheit« im Führungsstab, trug dem Verteidigungsausschuß des Bundestages über Arndts Unglück vor: »Ich kann von meiner Warte aus als der, der den Rahmen gibt, nicht im einzelnen befehlen.« Denn: »Der Führungsstab der Luftwaffe gibt grundsätzlich keine Befehle, sondern nur Rahmenanweisungen.«

So blieb es dem Luftwaffenamt überlassen, das Kicker-Problem zu lösen. Doch das Amt, ohne Befehlsrechte, mußte sich erst mit den Geschwadern abstimmen. Dieses Hin und Her war noch im Gange, als Oberleutnant Arndt ohne Kicker startete und abstürzte.

Steinhoffs Organisationsplaner, Brigadegeneral Karl-Egon Knauer vom Luftwaffenamt Wahn/Köln, assistiert von vier Stäblern und sechs Wissenschaftlern, zog daraus die Lehre. Er entwarf, in Steinhoffs Auftrag, ein neues Organisationsschema für die Luftwaffe, das nun, allerdings sichtlich verdünnt, bis Ende September nächsten Jahres in die Kommandopraxis umgesetzt werden soll:

Das Luftwaffenamt erhält Befehlsgewalt (für Ausbildung und Versorgung) über die beiden Luftwaffen-Gruppen Nord und Süd in Münster und Karlsruhe.

Überdies wird die Truppen- und Waffenstruktur der sieben Luftwaffen-Divisionen, die den Luftwaffen-Gruppen unterstehen, radikal reformiert.

Bislang sind diese Divisionen, unabhängig von taktischen Gesichtspunkten, bunt zusammengewürfelt. Mal umfassen sie Jagdbomber und Jagdgeschwader, Park- und Versorgungsregimenter, mal Fluglenkkörper-Geschwader, Flugabwehr-Raketenregimenter und Musikkorps -- je nachdem, wo die Geschwader oder Regimenter ihre Standorte haben.

Künftig formieren sich unter den beiden Luftwaffen-Gruppen, für taktische Aufträge einheitlich gegliedert und bewaffnet, je eine Division für

> den Luftangriff (mit Jagdbombern, Aufklärern, Flug-Lenkkörpern),

> die Luftverteidigung (mit Abfangjägern, Flugabwehr-Raketen, Rohrflak, Radar-Stationen) und

> die sogenannte Einsatz-Unterstützung (mit Park-, Versorgungs-, Fernmelde- und Ausbildungs-Regimentern).

Die Lufttransportverbände bilden indes unter einem neuen Lufttransportkommando die 7. Luftwaffen-Division.

Strittig bleibt nur noch, welche der sieben vorhandenen Divisionsstäbe die beiden neuen Luftverteidigungs-Divisionen führen werden. Ihre Kommandositze sind an den Platz der alliierten Luftverteidigungs-Gefechtsstände gebunden, fernab von den Zentren der Zivilisation.

Im Luftwaffen-Führungsstab richtet man sich auf Widerstand ein: »Kein Mensch will in die Walachei.«

Zur Ausgabe
Artikel 7 / 67
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren