VERTEIDIGUNGSBAUTEN In eigener Hand
Eine Kompetenz, die Franz-Josef
Strauß zu Fibag-Zeiten wahrnahm, obgleich sie ihm nicht zustand, hat der Minister sich inzwischen in aller Form gesichert: Franz-Josef Strauß ist heute der zuständige Minister für alle »Bauangelegenheiten der Verteidigung«. Mit Wirkung vom 31. August rief er per Ministerialerlaß das Bundeswehrverwaltungsamt ins Leben, dessen stärkste Stütze eine Bauabteilung ist.
Erstmals seit seiner Gründung im Jahre 1955 kann das Verteidigungsministerium nun in eigener Regie Land erwerben, Unterbringungsprogramme aufstellen und alle Bauten direkt in Auftrag geben, soweit das Geld reicht.
Dabei hatte der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages schon 1955 festgestellt und in den folgenden Jahren - jeweils mit Billigung des Plenums - immer wieder bekräftigt, daß Verteidigungsbauten außerhalb der Kompetenz des Verteidigungsministeriums erstellt werden müßten.
Grund: Landerwerb und Bautätigkeit für die Bundeswehr mit ihren meist kostspieligen Großprojekten sollten den bundesdeutschen Baumarkt und vor allem die Bodenpreise nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Deshalb sollte die Bauverwaltung zivile und militärische Bauvorhaben des Bundes koordinieren können.
Bis 1957 war der Bau von Bundeswehr-Einrichtungen Aufgabe des Bonner Finanzministeriums, und als nach dem absoluten Wahlsieg der CDU/CSU im September 1957 neue Ministerien geschaffen wurden, ging die Zuständigkeit für alle zivilen und militärischen Hochbauten des Bundes an die Abteilung III des frischgeschaffenen Ministeriums für wirtschaftlichen Besitz des Bundes - jetzt Schatzministerium - über.
Dessen Unterabteilung III B - »Bauangelegenheiten der Verteidigung« - plante und baute nach Absprache mit den Strauß-Ministerialen alle Kasernen, Munitionsdepots, Flugplätze und Schießanlagen für die Bundeswehr.
Das Verlangen des Parlaments, für die Bundeswehr müsse eine vom Verteidigungsministerium völlig unabhängige Behörde bauen, wurde für Strauß um so hinderlicher, je häufiger er und seine Ministerialdirektoren mit den Bauleuten des Schatzministeriums verhandeln mußten. Darüber hinaus zeigten die Bauleute nicht immer ausreichendes Verständnis für die Bundeswehr-Belange. Nachhaltig drängte vor allem Verteidigungsstaatssekretär Hopf deshalb seinen Minister, im Kabinett zur Attacke überzugehen.
Im Sommer 1961, kurz vor Ende der dritten Legislaturperiode des Bundestages, stürmte Strauß vor. Den im Kanzleramt versammelten Bundesministern klagte er sein Leid über die angeblichen »Verzögerungen« bei Bauprojekten der Bundeswehr.
Die Mißhelligkeiten rührten laut Strauß daher, daß das militärische Bauwesen »nicht in der eigenen Hand« des Verteidigungsministers liege. Eine neue, bessere Regelung sei nunmehr unumgänglich.
CDU-Schatzminister Hans Wilhelmi, Nachfolger des 1960 verstorbenen Hermann Lindrath, wehrte den Angriff ab: Seine Beamten hätten sich mit Eifer der Wünsche des Hauses Strauß angenommen. Für eine Änderung der Kompetenzen lägen »weder sachliche noch persönliche Gründe« vor.
Das Kabinett schlug sich auf Wilhelmis Seite, Strauß unterlag.
Aber als die Bundestagswahl 1961 vorbei und die absolute CDU/CSU -Mehrheit dahin war und als die Freidemokraten während der Koalitionsverhandlungen überdies starkes Interesse am Schatz-Ressort bekundeten, sah Strauß eine neue Chance.
In einer Sitzung des nur noch geschäftsführenden alten Bundeskabinetts, Mitte Oktober letzten Jahres, attackierte er abermals das Schatzministerium und begehrte wiederum die Baukompetenzen.
Widerpart Wilhelmi, schon desinteressiert, kapitulierte. Adenauers CDU/ CSU-Übergangskabinett, noch ganz unter sich, bezeigte dem CSU-Vorsitzenden Strauß diesmal seine Gunst und spielte gleichzeitig dem künftigen Koalitionspartner, der FDP, einen Streich: Dem Schatzministerium wurde insgeheim und eilig ein wichtiges Glied amputiert.
Die gesamte Bau-Unterabteilung III B - insgesamt sieben Referate mit knapp 100 Bediensteten - wurde unter der Leitung ihres Ministerialdirigenten Deißner dem Verteidigungsministerium überstellt.
Strauß, einmal im Vormarsch, eroberte weiteres wichtiges Gelände: Er annektierte zusätzlich noch zwei verwandte Referate der Schatz-Unterabteilung II A (Bundesvermögen ohne Beteiligungen), befaßt mit »Grunderwerb für Bundeswehr« und »Unterbringungsmaßnahmen für die Bundeswehr«.
Als wenig später, im November 1961, der schwäbische FDP-Bundestagsabgeordnete Hans Lenz als Minister in das dezimierte Schatzministerium einzog, klagte er nach einer ersten Amtsbesichtigung: »Ich habe ein arg zerzaustes Haus übernommen.«
Die von Strauß eroberte Bau-Unterabteilung des Schatzministeriums ist als Abteilung IV mit sechs (von insgesamt 29) Referaten der stärkste Part des neuen Bundeswehrverwaltungsamtes.
Von dort aus gehen jetzt die militärischen Bauanweisungen über die Bauabteilungen der Oberfinanzdirektionen an die örtlichen Finanzbauämter, so daß Minister Strauß heute ohne Kompetenzverletzung etwa den Bauplaner Lothar Schloß zu einschlägigen Arbeiten heranziehen könnte.
Schatzminister Lenz
Zerzaustes Haus übernommen